Index CEO Dr. Dirk Prust und Einkaufsleiter Volker Göddertz

Index CEO Dr. Dirk Prust und Einkaufsleiter Volker Göddertz versuchen nach den unzumutbaren Preiserhöhungen in den letzten Jahren in Ihrer Materialwirtschaft wieder Einsparungen zu erzielen. (Bild: Rüdiger J. Vogel)

Früher war die Automobilindustrie Hauptabnehmer der CNC-Maschinen von Index, inzwischen hat sich der Hersteller von komplexen Bearbeitungszentren weitere Branchen erschlossen. Die Auswirkungen der Transformation schildern Index CEO Dr. Dirk Prust und Einkaufsleiter Volker Göddertz.

Annette Mühlberger: Herr Dr. Prust, wir treffen uns auf der wichtigsten Branchenmesse für Metallbearbeitung, der AMB in Stuttgart. Für die Branche verändert sich die Nachfrage – auch aufgrund der Transformation der Automobilindustrie.

Welchen Einfluss hat der Technologiewandel auf das Portfolio von Index?

Dirk Prust: Die Transformation vom Verbrenner zur Elektromobilität hat einen großen Einfluss auf unser Produktportfolio. Wir verkaufen deutlich weniger Maschinen für volumenträchtige Bauteile wie Mehrspindeldrehautomaten, da in E-Fahrzeugen weniger Volumenteile verbaut werden. Wir haben das jedoch rechtzeitig erkannt und haben die Dreh-Fräszentren für größere Bauteile und komplexere Bearbeitung ausgebaut. Dadurch konnten wir die Umstellung im Wesentlichen kompensieren. Reagiert haben wir auf die Veränderungen außerdem mit einem Plattformkonzept und mit der Umstellung auf Fließmontage.

Was hat sich für den Einkauf verändert?

Volker Göddertz: Durch den Plattformansatz ergeben sich diverse Synergien. Wir reduzieren die Komplexität und Teilevielfalt, gleichzeitig erhöhen wir durch die höheren Stückzahlen die Spielräume am Beschaffungsmarkt. Für die Erweiterung des Produktportfolios benötigen wir neue Partner mit passenden Fertigungsmöglichkeiten, im Dialog erhalten wir neue Impulse für zukünftige Beschaffungsstrategien. Übergeordnet kommen wir aus einem starken Verkäufermarkt. Preisforderungen mussten wir in den vergangenen zwei bis drei Jahren hochgradig akzeptieren, um überhaupt beliefert zu werden.

Binden Sie Lieferanten in Ihre Entwicklungsprozesse ein?

Dirk Prust: Teilweise ist das notwendig. Ein Beispiel: Die Schutzabdeckungen im Arbeitsraum, ob als Stahlteleskop - schwer und komplex - oder aus leichten, Edelstahlschuppen, muss man mit Lieferanten abstimmen. Die Lieferanten sind also konstruktiv im Boot.

Wann ist der Einkauf gefragt?

Dirk Prust: Es gibt immer wieder Dinge, die wir konstruktiv anders lösen wollen, die wir noch nie benutzt haben, die wir komplett hinterfragen wollen. An dieser Stelle kommt der Einkauf im Entwicklungsprozess ins Spiel, selbstverständlich auch bei der Lieferantenauswahl.

Volker Göddertz: Sobald das Maschinenkonzept einen gewissen Reifegrad erreicht hat, sind wir eingebunden und betrachten das Konzept und die Komponenten aus Sicht des Einkaufs: Welche Partner berücksichtigen wir im ersten Schritt, mit wem besprechen wir das eine oder andere Detail tiefer? Die finale Beschaffungsstrategie entsteht dann parallel zum Entwicklungsprozess in enger Abstimmung mit unserer Entwicklung.

Wie sieht es bei den Steuerungskomponenten aus?

Dirk Prust: Bei der Steuerungstechnik setzen wir auf etablierte Lieferanten. Wenn Maschinenbediener die Steuerungseigenheiten eines Herstellers kennen, möchten Kunden dabei bleiben, da die Ausbildung der Mitarbeiter aufwändig ist. Aber die Steuerungen entwickeln sich weiter, erfordern immer wieder neue Motoren, Leistungsverstärker oder Displays. Diese Umstellungen sind nicht zu unterschätzen. Manchmal ist ein Wechsel von Bauteilen oder Lieferanten unausweichlich. Auch die Verfügbarkeit von Softwareupdates in Bezug auf die IT-Sicherheit kann einen Lieferantenwechsel erzwingen. Für die Alternative dann die gleiche Preisstellung zu erreichen, ist immer wieder eine Herausforderung.

Wären manche Änderungen vermeidbar? Haben Sie Einfluss auf die Hersteller?

Volker Göddertz: Hier muss man differenzieren: Änderungen im Lifecycle einer Maschine sollten möglichst vermieden werden. Allerdings sind Änderungen zum Teil durch Abkündigungen von Bauteilen unvermeidbar. Wir bewerten unsere Einflussmöglichkeiten hier sehr genau und lassen dies auch in unsere Lieferantenstrategie einfließen.

Die Situation an den Beschaffungsmärkten ist eine andere als zu Beginn der Lieferkrise und Inflation. Wo steht die Branche heute?

Dirk Prust: Die politischen Rahmenbedingungen in Europa haben die Produktionskosten stark getrieben. Zudem haben die Marktbegleiter aus Japan von günstigen Wechselkursen profitiert. Jeder muss seine Kostensituation individuell optimieren, wir beispielsweise durch einen verstärkten Materialbezug außerhalb Europas.

Wie schnell können Sie auf Veränderungen reagieren?

Dirk Prust: In der Vergangenheit haben wir nicht immer schnell genug auf konjunkturelle Schwankungen reagieren können. Das wollen wir ändern. Es muss uns gemeinsam mit den Lieferanten gelingen, den Materialzulauf schneller hoch- oder runterfahren.

Volker Göddertz: Hier wurden uns tatsächlich unsere Grenzen aufgezeigt. Um angemessen auf die Markforderungen reagieren zu können, benötigen wir stabile Wiederbeschaffungszeiten je nach Warengruppe von maximal sechs bis acht Wochen. Die Bauteilvarianz reduzieren und marktübliche Standardkomponenten einsetzen sind wichtige Bausteine. Intelligente Versorgungskonzepte sind ebenfalls im Interesse unserer Partner, hier sehen wir zum Teil vielversprechende Ansätze.

Dirk Prust: Parallel verbessern wir unsere eigenen Prozesse. Ein Beispiel sind die im System eingepflegten Wiederbeschaffungszeiten, die wir für Tausende Materialien aktuell halten müssen. In der Menge ist das nicht schnell genug manuell zu leisten. Daher arbeiten wir an einer automatisierten Anpassung.

Wie gut kennen Sie Ihre Lieferkette?

Volker Göddertz: Ich denke Ihre Frage zielt auf alle Belange der Zusammenarbeit. Bei unseren Tier-1 Supplier sind wir gut im Bilde, bei strategischen Bauteilen betrachten und steuern wir punktuell auch unsere Tier-2 Supplier.

Dirk Prust: In Bezug auf die Energie und den CO2-Footprint wird sich die Transparenz perspektivisch deutlich erhöhen. Wir wollen wissen, ob ein Gussteil mit Kohle-, Atomstrom oder mit regenerativer Energie hergestellt wird.

Wie weit sind Sie mit der Datenerhebung?

Dirk Prust: Wir haben die Emissionen mit Pauschalen auf Basis des Energiemixes der jeweiligen Ursprungsländer berechnet und werden das Bild Schritt für Schritt mit Primärdaten verfeinern. Allerdings haben wir herausgefunden, dass weder der Materialanteil, noch der Transport für unseren Scope 3 der größte Hebel ist, sondern die Nutzungsphase unserer Maschinen, da diese sehr energieintensiv ist. Wir können durch konstruktive Maßnahmen also sehr viel mehr erreichen als durch den Einsatz von grünem Stahl.

Der Einkauf soll klimafreundlicher werden, die Preise sollen runter und die Lieferanten schneller liefern, was ist Ihre Strategie?

Volker Göddertz: Da gibt es kein Schwarz oder Weiß. Die Beschaffung war früher an dieser Stelle einfacher, Hauptparameter waren Preis, Qualität und Liefertreue. Heute fließen globale Risiken, Klimaschutz, Menschenrechte und Umweltvorgaben und vieles mehr in die Entscheidungsfindung ein. Warengruppen werden differenziert betrachtet und beurteilt, Strategien daraus abgeleitet. Dies alles unter einen Hut zu bekommen ist eine Herausforderung.

CSRD, CBAM, CSDDD, auch die Vorgaben aus der EU nehmen zu. Wie gehen Sie mit den Anforderungen der Regulatorik um?

Dirk Prust: Wir müssen kompetente Teams aufbauen, die das leisten können. Das tun wir zentral im Controlling. Es sind zusätzliche Leistungen, die wir erbringen müssen. Und es ist ein erheblicher Aufwand.

Volker Göddertz: Das Lieferkettengesetz haben wir als Teilmodul im Einkauf platziert. Wir sehen unsere Verantwortung hier über die gesetzliche Berichtspflicht hinaus und haben uns intensiv mit den Inhalten auseinandergesetzt. Jetzt gilt es, den Prozess mit einer geeigneten Software zu implementieren und abzubilden. Klar, hier müssen Kompetenz und Kapazität aufgebaut werden.

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Welche Rolle spielen durchgängige Prozesse?

Dirk Prust: Wir haben vor einigen Jahren SAP als führendes System implementiert und haben seitdem eine weitgehend durchgängige Prozesslandschaft. Man muss allerdings aufpassen, dass man nicht zum Sklaven des Systems wird und sich der Einzelne vom Ganzen entfremdet. Die Mitarbeiter müssen wieder an einen gemeinsamen Tisch und miteinander reden. Die Verantwortung hört nicht beim eigenen SAP-Cockpit auf.

Volker Göddertz: Auch mit Blick auf die Diskussion rund um Künstliche Intelligenz halte ich diese Forderung für entscheidend. Wir haben bereits diverse Anwendungen im Einsatz und schauen uns die Entwicklungen genau an. Jedoch sind die Systeme unterstützend und ersetzen nicht den aus meiner Sicht wertvollen Dialog zwischen den Stakeholdern im Unternehmen.  

Wie blicken Sie auf 2025?

Dirk Prust: Es ist kein Geheimnis, dass die Konjunktur nicht in bester Verfassung ist. Das sehen wir am Auftragseingang, das sieht die ganze Branche. Wir gehen davon aus, dass es 2025 erst einmal flach weitergeht. Trotzdem müssen wir jederzeit gewappnet sein und auf Veränderungen schnell reagieren.

Volker Göddertz: Wir befinden uns aktuell in einem Käufermarkt, dies wird vermutlich auch 2025 so bleiben. Unsere Lieferantentreue ist grundsätzlich sehr hoch, wir arbeiten mit unseren Bestandslieferanten gemeinsam an den notwendigen Maßnahmen zur Sicherstellung unser aller Wettbewerbsfähigkeit.  Parallel durchleuchten wir aber natürlich den weltweiten Beschaffungsmarkt nach möglichen Alternativen. Diesem Wettbewerb müssen auch wir uns täglich stellen.  

Dirk Prust: Die Preiserhöhungen der letzten Jahre sind für viele Unternehmen nicht mehr zumutbar. Die Zuschläge für Material können angesichts der Rohstoffpreise wieder zurückgeführt werden. So wie wir im Unternehmen an der Optimierung unserer Prozesse und Herstellkosten arbeiten, tun das unsere Lieferanten auch. Deshalb versuchen wir, die Situation wieder auf ein gewisses Normal zurückzubringen, auch wenn das manchmal nur über Wettbewerb funktioniert.

Dr. Dirk Prust, CEO Index
Dr. Dirk Prust, CEO Index (Bild: Rüdiger J. Vogel)

Dr. Dirk Prust ist CEO und Technischer Geschäftsführer des Index Konzerns und für das Unternehmen seit 2015 tätig. Zuvor hatte er über 17 Jahre verschiedene Funktionen bei der Chiron Gruppe inne. Dr. Dirk Prust promovierte im Fach Maschinenbau am Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen.

Volker Göddertz, Leiter Materialwirtschaft Index
Volker Göddertz, Leiter Materialwirtschaft Index (Bild: Rüdiger J. Vogel)

Der Dipl.-Ingenieur für Feinwerktechnik Volker Göddertz verantwortet seit 2017 die Materialwirtschaft bei der Index GmbH Co. KG Hahn & Tessky. Seine beruflichen Schritte führten ihn von der Auftragskonstruktion, Entwicklung, Produktionsleitung zur Materialwirtschaft.    

Das Unternehmen

Die Index Gruppe ist ein führender Hersteller von CNC-Drehmaschinen und beschäftigt weltweit rund 2100 Mitarbeitende. Mit einem Jahresumsatz von 513,5 Millionen Euro (2023) bietet das Unternehmen mit Sitz in Esslingen eine breite Produktpalette, darunter Universaldrehmaschinen, Dreh-Fräszentren, Lang- /Kurzdrehautomaten und Mehrspindeldrehautomaten. Die Maschinen sind besonders im Bereich Mobility, Maschinenbau und Medizintechnik gefragt. Zur Unternehmensgruppe gehören die Marken Index und Traub.

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