Timo Rickermann leitet als Chief Procurement Officer seit 13 Jahren die Beschaffungsabteilung von DMG Mori.

Timo Rickermann leitet als Chief Procurement Officer seit 13 Jahren die Beschaffungsabteilung von DMG Mori. (Bild: DMG Mori)

TECHNIK+EINKAUF: Herr Rickermann, die Erfüllung des Lieferkettengesetzes hat vielen Unternehmen Kopfschmerzen bereitet. Wie sind Sie an die Lösung herangegangen?

Timo Rickermann: Das Thema bereitet tatsächlich vielen Unternehmen Kopfschmerzen, da es einen erheblichen Aufwand erfordert, um den regulatorischen Vorgaben des Gesetzgebers nachzukommen. Bei DMG Mori stellen wir hohe Anforderungen an unsere Lieferanten, insbesondere in den Bereichen soziale Verantwortung und Nachhaltigkeit. Diese Aspekte sind bei uns genauso wichtig wie die klassischen Auswahlkriterien für Lieferanten: Preise und Qualität.

Da Nachhaltigkeit für uns von Beginn an von Bedeutung war, wurde bereits 2018 mit IntegrityNext eine Softwarelösung implementiert, die unsere Lieferanten und uns dabei unterstützt, die Anforderungen im Bereich Nachhaltigkeit und Compliance umzusetzen und nachzuweisen. Darüber hinaus erfüllt diese Plattform die gesetzlichen Anforderungen des Lieferkettengesetzes und ist somit ein zentraler Bestandteil unseres Risikomanagementprozesses.

Insgesamt ist die Philosophie im Einkauf von DMG Mori stark digitalisierungsgetrieben: Wir sind davon überzeugt, dass neue Technologien einen signifikanten Hebel zur Bewältigung der aktuellen Herausforderungen darstellen und uns dabei unterstützen, komplexe regulatorische Vorgaben schnellstmöglich umzusetzen.

Dann waren Sie schon zeitig dabei …

Rickermann: Wir haben uns frühzeitig mit diesem Thema beschäftigt, weil sehr viele Anfragen aus dem Vertrieb gekommen sind. Da stand das Thema Lieferkettensorgfaltspflicht noch nicht auf der Agenda. Das waren schon sehr tiefgründige Fragen von Key-Account-Kunden, die uns zur Lieferkette gestellt wurden. Und da wurde uns schnell klar, dass das nicht lösbar ist, wenn wir uns nicht professionell aufstellen. Deshalb haben wir uns mit der Systemlandschaft befasst und mit einem umfangreichen Fragenkatalog die Softwareanbieter gecheckt.

Was war bei der Auswahl des Tools besonders wichtig?

Rickermann: Für uns war es wichtig, dass wir die Komplexität in Richtung unserer Lieferanten gering halten. Das sind meistens mittelständische Betriebe und wir wollten den Aufwand dort nicht erhöhen, keine Kosten verursachen und auch die Fragebögen nicht zu komplex machen. Dass man zum Beispiel durch den Upload von Zertifikaten auch mal einen ganzen Fragebogen abhaken kann. Das war uns bei der Auswahl der Tools entscheidend.

Ist die Umsetzung des LksG ohne die Unterstützung einer digitalen Plattform überhaupt möglich?

Rickermann: Ohne die Unterstützung einer digitalen Plattform wäre es sicherlich möglich gewesen, die Vorgaben umzusetzen. Jedoch hätte dies den Aufbau eines spezialisierten Teams erfordert. Eine manuelle Umsetzung der gesetzlichen Anforderungen wäre zudem immens aufwendig und fehleranfällig gewesen. Darüber hinaus bieten digitale Plattformen Rechtssicherheit und ermöglichen eine schnelle Reaktion auf Änderungen der Gesetzgebung.

Wie wichtig ist dabei auch das Risikomanagement? Wie lösten Sie das?

Rickermann: Das Risikomanagement hat bei uns einen hohen Stellenwert und wir setzen dabei ebenfalls auf die Unterstützung digitaler Lösungen. Von der Lieferantenregistrierung bis zur Nutzung der Lieferanten im täglichen Geschäft wird jeder Lieferant nach verschiedenen Kriterien geprüft. Bereits bei der Registrierung muss der Lieferant umfassende Angaben machen und Nachweise erbringen, welche als initiale Bestätigung dienen, dass die Standards von DMG Mori erfüllt werden. In diesem Schritt erfolgt auch die Registrierung in unser Nachhaltigkeits- und Compliance-Tool IntegrityNext. Zudem werden Bestätigungen unseres Verhaltenskodex angefordert sowie anschließend alle gesetzlichen Anforderungen durch den Lieferanten bestätigt.

Nutzen Sie auch ein Tool zur proaktiven Überwachung der Lieferketten?

Rickermann: Im operativen Geschäft nutzt DMG Mori Softwarelösungen, um Risiken zu identifizieren und schnell Maßnahmen einzuleiten. Die Risikomanagementplattform ‚Riskmethods‘ sucht in digitalen Medien nach Meldungen zu möglichen Risiken hinsichtlich unserer Lieferanten. So sind wir sicher, dass wir umgehend informiert werden und schnell handeln können. Das funktioniert sehr gut. Da das Tool auch lokale Nachrichten filtert, ist man sehr schnell informiert, wenn es beispielsweise mal bei einem Lieferanten brennt und kann sofort nachfragen, ob die ausstehende Lieferung gefährdet ist.

Können Sie dieses Tool auch für die interne Bewertung von Lieferanten nutzen?

Rickermann: Wir nutzen es auch, um Lieferanten bei aufkommenden Risiken zu kontaktieren und interne Bewertungen durchzuführen. Ein Beispiel ist der China-Taiwan-Konflikt: Zum einen wurde eine interne Bewertung hinsichtlich potenzieller Risiken bei einem Lieferantenausfall durchgeführt und zum anderen wurden die Lieferanten nach Ihrer Einschätzung des Risikos sowie nach möglichen Konsequenzen befragt. Auf Basis dieser detaillierten Risikoanalyse wurde sichergestellt, dass DMG Mori im Bedarfsfall optimal vorbereitet ist und schnellstmöglich agieren kann.

Sind damit auch die Forderungen des Lieferkettenschutzgesetzes abgedeckt?

Rickermann: Hinsichtlich des Lieferkettengesetzes gibt es einen fest definierten Risikomanagementprozess: Im ersten Schritt wird eine Risikovorbewertung der gesamten Lieferantenbasis durchgeführt, um uns auf die Lieferanten zu fokussieren, die potenzielle Risiken aufweisen. Im zweiten Schritt bestätigen die Lieferpartner, dass aktuell keine Risiken bestehen und alle Anforderungen aus dem Gesetz erfüllt werden. Der gesamte Prozess wird über die Nachhaltigkeits- und Compliance-Plattform IntegrityNext abgewickelt.

Des Weiteren wurden in dem Risikomanagementprozess präventive Maßnahmen definiert, die eine regelmäßige Kommunikation mit den Lieferanten forcieren. So stellt DMG Mori sicher, dass die Partner ihre Nachweise zu den Nachhaltigkeits- und Compliance-Anforderungen fortlaufend aktualisieren und keine Verletzungen des Lieferkettengesetzes begehen.

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Wie groß war der Aufwand und welche Effekte konnten Sie erzielen?

Rickermann: Obwohl digitale Lösungen den Arbeitsaufwand reduzieren, besteht eine wesentliche Herausforderung darin, unseren Lieferanten das Thema nahezubringen und ein fundiertes Verständnis für diese Anforderungen zu entwickeln. Für die Lieferanten ist der Prozess mit diversen Aktivitäten verbunden: Sie müssen sich auf den entsprechenden Plattformen registrieren und erforderliche Informationen bereitstellen. Dies stellt insbesondere für mittelständische Lieferanten oft eine große Hürde dar. DMG Mori unterstützt die Partner bestmöglich und steht mit Rat und Tat zur Seite.

Erfreulicherweise können wir nun nach einigen Jahren der Zusammenarbeit eine positive Entwicklung in der Akzeptanz und Umsetzung des Themas verzeichnen. Gemessen am Einkaufsvolumen sind 100 Prozent der LkSG relevanten Lieferanten im Monitoring, wovon 80 Prozent im detaillierten Assessment sind. Die Implementierung und der Einsatz von IntegrityNext hat maßgeblich dazu beigetragen, unsere Lieferantenbasis nachhaltiger und verantwortungsbewusster zu gestalten.

Was raten Sie Unternehmen, die noch auf der Suche nach einer LksG-Lösung für ihr Unternehmen sind?

Rickermann: Die Digitalisierung spielt eine Schlüsselrolle, um die Bestimmungen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) und zukünftig der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) zu erfüllen. Die Zielsetzung dieser Gesetze ist absolut legitim, da die Wahrung der Menschenrechte oberste Priorität hat – und mit digitalen Tools ist die Umsetzung auch gut machbar. Die praktische Umsetzung ohne Softwarelösungen wäre eine enorme Herausforderung, die nur mit erheblichem manuellem Aufwand und entsprechender ‚Manpower‘ zu bewältigen wäre.

Daher sollten die digitalen Möglichkeiten auf dem Markt evaluiert werden. Abgestimmt auf die Prozesse im eigenen Unternehmen, muss jedes Unternehmen individuell und nach seinen Bedürfnissen die Entscheidung für die notwendigen Softwaretools treffen, um zukünftigen Herausforderungen effektiv begegnen zu können. Jedes Unternehmen hat da andere Anforderungen.

Was ist für die Zukunft noch zu beachten?

Rickermann: Es kommt noch eine Verschärfung auf uns zu. Die Forderung, dass man proaktiv bis zum Rohstoff Transparenz schaffen muss. Dafür gibt es, Stand heute, aus meiner Sicht noch keine Lösung. Noch nicht mal systemtechnisch: Wir arbeiten mit verschiedenen Start-ups daran, wie wir diese Informationen automatisiert und ohne Lieferantenbefragungen zusammentragen und gewisse Liefer-Verflechtungen kenntlich machen können. Es gibt in Amerika die Notwendigkeit, dass man Zolldaten komplett transparent macht – darüber kann man Lieferverflechtungen auslesen – in Europa ist das aber nicht der Fall. Ich hoffe, dass es da von der EU noch Unterstützung gibt.

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