Chinesische Lampions

China will seine Wirtschaft nachhaltiger machen. Das hat Auswirkungen auf die Rohstoffpreise. (Bild: ©toa555/stock.adobe.com)

„Durch strenge Umweltmaßnahmen wird die Modernisierung vorangetrieben, aber auch der Marktzugang für neue Teilnehmer erschwert“, stellt Dr. Yun Schüler-Zhou von der Deutschen Rohstoffagentur (DERA) fest. So soll der Metallabbau künftig nur noch kontrolliert durch Förderquoten ablaufen.

Durch den zentral vorgegebenen Strukturwandel verändert sich vieles. Ziel der chinesischen Regierung ist

  • mehr Nachhaltigkeit
  • mehr Innovation statt Massenproduktion und
  • Binnenkonsum statt Export.

Das habe bereits zu Marktvolatilitäten geführt, stellt Schüler-Zhou fest.

Mehr Wettbewerb um kritische Rohstoffe

„Alle Rohstoffe, die in Verbindung mit Schlüsselindustrien stehen, werden künftig deutlich stärker nachgefragt“, so die Expertin.

In einer aktuellen DERA-Studie stehen 24 strategische Rohstoffe im Mittelpunkt, eine Importabhängigkeit herrscht in China bei Kupferkonzentraten und Bauxit. Bei Wolfram ist das Land hingegen mit einem Anteil von 94 Prozent und bei Seltenen Erden mit 88 Prozent führend.

„Für den globalen Markt bedeutet das, dass der Wettbewerb um kritische Rohstoffe noch intensiver sein wird“, stellt Yun Schüler-Zhou fest. 27 Rohstoffgruppen werden demnach als kritisch betrachtet, in den USA sogar 35.

Umweltschutz bringt bisherige Lieferketten in Gefahr

„Das Ministry of Ecology and Environment hat deutlich mehr Kompetenzen für die Durchsetzung von Umweltschutzvorgaben erhalten. Die Umweltmaßnahmen beeinflussen Preis und Menge von Rohstoffen“, merkt Bernhard Felizeter, Deutsche Auslandshandelskammer Peking (AHK Greater China Beijing) an.

Durch schärfere Strafen und mehr Inspektionen glichen sich die Wettbewerbsvoraussetzungen an. Das sei erst einmal eine gute Nachricht für deutsche Unternehmen.

Strenge Auflagen führen zu Insolvenzen

Neben dem Rohstoffsektor gilt das auch für die Chemieindustrie. Seit 2018 ist zudem ein neues Umweltsteuergesetz in Kraft. Allerdings führen die strengeren Auflagen dazu, dass einige Unternehmen sie nicht einhalten können.

Bis Jahresende sollen laut DERA-Informationen 1.000 Bergwerke schließen. „Da kann es zu Engpässen und Preissteigerungen kommen, wenn noch mehr Bergwerke schließen müssen“, so Felizeter. Vor einigen Jahren habe sich in einem ähnlichen Kontext beispielsweise der Magnesitpreis verdoppelt.

Bagger im Bergbau
Bis Jahresende könnten in China bis zu 1.000 Bergwerke schließen, so die Experten der DERA. (Bild: Pixabay)

Mehr Abfälle, aber auch mehr Recycling

Besonders stark setze die Volksrepublik China auf Recycling. Bis 2020 soll demnach die Recyclingrate auf 35 Prozent steigen.

Durch den starken Fokus auf Elektromobilität haben sich beispielsweise innerhalb von fünf Jahren die Abfallmengen verzehnfacht: nicht nur durch End of Life, sondern auch durch Abfälle direkt in der Produktion.„Man kann davon ausgehen, dass fünf Prozent der Batterien nicht funktionieren“, sagt Leonard Ansorge von der Rocklink GmbH. Da kämen bei einem Unternehmen schon mal mehrere tausend Tonnen Aluminium-Kathodenfolien zusammen.

Dabei sei zu sehen, dass sich neue, Oligopol-artige Unternehmen wie GEM (2001 gegründet, heute 5.000 Mitarbeiter) formieren, die sämtliche Recyclingschritte bis hin zur Magnetproduktion unter einem Dach vereinen. So deckt das Kobaltrecycling laut GEM 50 Prozent des chinesischen Bedarfs.

Nur noch sortenreine Abfälle kommen nach China

Die hohe Recyclingeffizienz sichert die Unabhängigkeit von Primärquellen aus dem Ausland, etwa Kongo, und sorgt zugleich für mehr Abhängigkeit anderer Länder.

Es gilt mittlerweile ein Importverbot von Nichteisen-Metallen. Der dreckige Prozess der Separation soll, anders als früher, im Ausland bleiben, man will nur noch sortenreine Abfälle. „Wenn ich als europäischer Hersteller eine Palette mit Magneten bekomme, die beschädigt sind, kann ich sie nicht ohne Genehmigung zurückschicken“, berichtet Ansorge.

Rohstoffknappheit setzt Halbleiterindustrie unter Druck

In der Halbleiterindustrie braucht man von vielen Materialien nur kleine Mengen, jedoch in sehr hoher Reinheit und Qualität. Die Branche sieht sich in einem neuen Spannungsfeld, denn China will bis 2025 rund 70 Prozent des eigenen Marktes selbständig decken und eine führende Rolle einnehmen.

„Die Materialknappheit bei Seltenen Erden und Edelgasen ist in allen Organisationen angekommen. Neu hinzu kommt die Politisierung des Themas dahingehend, dass es im Handelskrieg zwischen den USA und China als Hebel genutzt werden und direkt auf die Unternehmen durchschlagen kann“, sagt David Hund, Spezialist für Market Intelligence im Einkauf bei Infineon Technologies AG.

Große Preisunsicherheit durch mögliche Subventionen

Es gebe in China massive Bestrebungen, Materialien zu verbilligen und große Subventionen in den mittleren Fertigungs- und Aufbereitungsschritten. „Über Incentive-Programme könnte plötzlich der Kupferpreis künstlich nach oben gehen.

Preise können in beide Richtungen katapultiert werden“, stellt David Hund fest. So gebe es Wettbewerber in China, die sich „weitaus aggressiver“ verhalten können, als man das aus anderen Ländern kenne.

KI kann dem Einkauf bei besserer Markteinschätzung helfen

Auch Hund bestätigt, dass vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeit viele Unternehmen in China schließen müssen. „Die Lieferketten werden unterbrochen oder verzögert, damit müssen wir uns alle auseinandersetzen“, so der Infineon-Spezialist.

Um mit diesen Risiken umzugehen, sei es sinnvoll, für verschiedene Materialien Lieferantenstrategien zu definieren und sich über Mitigation Reporting und die Risikobewertung Gedanken zu machen. „Für uns wird es wichtiger denn je sein, Informationen gut aufzubereiten, als Grundlage für Entscheider, um Risiken abzuwehren und Chancen zu nutzen. Wir haben gesehen, dass Risiken extrem schnell eskalieren können“, erklärt David Hund zum Thema Market Intelligence.

Dafür gründete Infineon eine eigene Abteilung für strategische Analysen, die unter anderem geopolitische Events und Marktentwicklungen mittels KI im Internet und sozialen Medien verfolgt. Es sei von großer Wichtigkeit, „mit China Segel zu setzen“ – der große Markt biete viele Chancen. Ebenso wichtig sei es, sich mit den Risiken auseinanderzusetzen, meint Hund.

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