Die Aktion Plagiarius hat zum 47. Mal ihren gefürchteten Negativpreis „Plagiarius“ an Hersteller und Händler besonders dreister Plagiate und Fälschungen vergeben. Die Verleihung fand auf der Frankfurter Konsumgütermesse „Ambiente“ statt.
Die Auszeichnung mit dem „Plagiarius“ sagt nichts darüber aus, ob das nachgemachte Produkt im juristischen Sinne erlaubt oder rechtswidrig ist. Ziel der Aktion Plagiarius ist vielmehr, die skrupellosen Geschäftsmethoden von Produkt- und Markenpiraten ins öffentliche Bewusstsein zu rücken, und Industrie, Politik und Verbraucher für die Problematik zu sensibilisieren. Bevor die jährlich wechselnde Jury die Preisträger wählt, werden die vermeintlichen Plagiatoren über ihre Nominierung informiert und erhalten die Möglichkeit zur Stellungnahme. Der Jury geht es nicht darum, legale Wettbewerbsprodukte zu brandmarken, sondern einen kritischen Blick auf plumpe 1:1 Nachahmungen zu richten, die dem Originalprodukt bewusst zum Verwechseln ähnlich sehen und die keinerlei kreative oder konstruktive Eigenleistung aufweisen.
Erfreulicherweise hat auch dieses Jahr einer der Nachahmer eine Einigung mit dem Originalhersteller gesucht und Restbestände der Plagiate vom Markt genommen. Die Trophäe des Schmähpreises ist ein schwarzer Zwerg mit goldener Nase. Letztere symbolisiert die immensen Profite, die ideenlose Nachahmer sprichwörtlich auf Kosten von Kreativen und innovativen Unternehmen erwirtschaften.
Macht der Verbraucher: Ohne Nachfrage kein Geschäft, kein Erfolg und kein Anreiz für die Fälscher
Allein in der EU wurden 2021 laut EUIPO und der Europäischen Kommission etwa 86 Millionen gefälschte Waren beschlagnahmt, ein Anstieg von fast 31% gegenüber 2020. Und das sind nur die nachweislichen Aufgriffe, also die Spitze des Eisbergs. Den internationalen Handel mit Fälschungen bezifferten EUIPO und OECD für 2019 auf alarmierende 412 Milliarden Euro, was 2,5% des Welthandels entspricht.
Je größer die Nachfrage, desto größer der Erfolg der Fälscher. (Ein-)Käufer haben somit die Macht, aber auch die gesellschaftliche Verantwortung, Fälschern ihre Geschäftsgrundlage zu entziehen. Und das im ureigensten Interesse. Nachgemachte Waren sind zwar in allen Preis- und Qualitätsabstufungen erhältlich, die meisten sind dem Original aber nur auf den ersten Blick täuschend ähnlich. Dass identisches Aussehen nicht automatisch die gleiche Qualität, Leistungsfähigkeit und Sicherheit bedeutet, belegen viele Produkte, die Zoll und Interpol bereits aus dem Verkehr gezogenen haben: Verunreinigte Parfums und Kosmetika, technische Produkte mit mangelhafter Elektronik, fehlerhaftes oder schadstoffreiches Kinderspielzeug, falsch oder gar nicht dosierte Medikamente uvm. Auch der VDMA, Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau bestätigt, dass Fälschungen oftmals eine Gefahr für die Bediener von Maschinen und Anlagen oder eine Gefahr für den sicheren Betrieb der Anlage bedeuten.
1. Preis: Modulares Wandregal-System „LINK“
Verantwortung des Handels: Unüberschaubares Produktsortiment befreit nicht von Prüfpflichten
Wer Produkte vertreiben möchte, muss sicherstellen, dass diese den im Absatzgebiet geltenden Gesundheits-, Sicherheits- und Umweltstandards entsprechen, und dass die Produkte frei von Rechten Dritter in Bezug auf Marken, Design, Patent oder Urheberrechte sind. Auch ein umfangreiches, häufig wechselndes Produktsortiment befreit die Verantwortlichen im Einkauf nicht von diesen Prüfpflichten. Eine sorgfältige Auswahl und Bewertung der Lieferanten sowie regelmäßige Qualitäts- und Sicherheitskontrollen sind unerlässlich. Insbesondere Discounter und große Handelsketten locken Kunden häufig in „Robin-Hood“-Manier mit Versprechen à la „Schönes Design, für Jedermann bezahlbar“.
Dagegen ist nichts einzuwenden, sofern es sich um ein eigen(ständig)es Design handelt und das Argument „bezahlbar“ nicht zu Lasten kreativer Designer und der Qualität geht. Eine faire Win-Win-Situation wäre z.B. ein Lizenzvertrag oder ein Auftrag für den Designer. Alles eine Frage von Verantwortung und Respekt gegenüber Wettbewerbern und Kunden.
2. Preis: Glas „CLUB NO. 6 Superglas 300ml”
Generation Z: Zwischen Klimarettung, Ultra Fast Fashion und (Fake) Luxus-Kleidung / Gadgets
Mit verblüffender Selbstverständlichkeit fordern junge Konsumenten in immer kürzeren Abständen attraktive Produktneuheiten – verfügbar 24/7 und möglichst zum Fast-Umsonst-Tarif. Originalität, Herkunft und Qualität spielen dabei nicht bei allen die größte Rolle.
Mehr als jeder dritte jugendliche Europäer (37%) zwischen 15 und 24 Jahren hat schon mal vorsätzlich Fälschungen gekauft, so das „Jugendbarometer 2022 zum geistigen Eigentum“. Das entspricht laut Europäischem Amt für Geistiges Eigentum (EUIPO) mehr als einer Verdopplung in den letzten 3 Jahren. Besonders gefragt sind gefälschte Kleidung, Schuhe, Accessoires sowie Elektronik. Hauptargumente sind der günstige Preis und die hohe Verfügbarkeit. Als besorgniserregend bezeichnet das EUIPO die deutlich gestiegene soziale Akzeptanz von Fälschungen sowie eine Gleichgültigkeit der Problematik gegenüber. Eine Ursache hierfür ist auch der zunehmende Erfolg sogenannter „Dupe Influencer“.
3. Preis: Mercedes-Benz Fahrzeug-Diagnose „XENTRY Diagnosis“
Digitale Markenverletzungen erfordern digitale Schutzstrategien
Laut Europol werden gefälschte Produkte zunehmend über eCommerce-Plattformen, soziale Medien und Instant-Messaging-Dienste beworben und vertrieben. Und die Ausprägungen digitaler Markenverletzungen werden immer vielfältiger: Von klassischen Plagiaten, Fälschungen und Urheberrechtsverletzungen über Domainklau und Markenmissbrauch (z.B. Fake AdWords) bis hin zu komplettem Identitätsdiebstahl und Fake-Shops. Mit viel krimineller Energie werden Reputation und Know-how renommierter Hersteller ausgenutzt und deren Marken und Glaubwürdigkeit geschwächt.
Für Unternehmen bedeutet das: Es reicht nicht mehr einfach nur gewerbliche Schutzrechte in allen relevanten Märkten anzumelden. Digitale Markenverletzungen erfordern digitale Schutzstrategien. Dazu gehören u.a. ein gut durchdachtes Domain-Portfolio, KI-gestütztes Online-Monitoring zum Aufspüren und Beseitigen rechtsverletzender Angebote sowie der Einsatz von Prüfsiegeln für autorisierte Online-Händler. Maßnahmen, die nötig sind und sich lohnen, deren Gelder aber bei fairem Marktverhalten aller Beteiligten in die Entwicklung neuer Produkte fließen könnten.
Sonderpreis „Identitätsklau“
High Profit – Low Risk: Zur Abschreckung und Eindämmung ist hartes Durchgreifen nötig
Um die Risiken der Strafverfolgung zu minimieren und ihre Gewinne zu maximieren, diversifizieren professionelle Fälscherringe ihre Tätigkeitsfelder und nutzen vorhandene Strukturen aus Menschen-, Drogen-, und Waffenhandel. Der Gesetzgeber muss dafür sorgen, dass diese Strukturen zerschlagen und den Fälschern die illegalen, äußerst lukrativen Gewinne entzogen werden. Nur so kann Geldwäsche verhindert werden. Gleichzeitig müssen die Betreiber von eCommerce-Plattformen stärker in die Verantwortung genommen werden. Ein erster Schritt in diese Richtung ist der Digital Service Act.
Um einheitliche und verbindliche Regeln für das Internet zu definieren hat die EU 2022 den Digital Service Act (DSA) verabschiedet. Dieser sieht u.a. vor, dass Verbraucher zuverlässig vor illegalen Inhalten und gefälschten Produkten geschützt werden sollen und Markeninhaber ihr geistiges Eigentum besser verteidigen können. Bei der Umsetzung in nationales Recht müssen jetzt klare Regeln für die Rechtsdurchsetzung festgelegt werden. Am Ende kommt es dann auf eine harte und konsequente Anwendung in der Praxis an.