Dr. Sebastian Kreft, Co-Gründer von Metalshub

Dr. Sebastian Kreft: Co-Gründer von Metalshub. (Bild: Metalshub)

TECHNIK+EINKAUF: Der Marktplatzumsatz von Metalshub hat sich im ersten Halbjahr 2019 im Vergleich zum Vorjahr versechsfacht. Wie schafft man das?

Kreft: Wir hatten Glück mit dem Timing. Es liegt auf der Hand, dass ein digitales Tool hilft, Einkaufsprozesse effizienter und schneller abzuwickeln. Gleichzeitig verbessert es Reichweite und Compliance. Die Entscheidungsträger sind in den vergangenen zwei Jahren deutlich offener für neue Technologien geworden.

Wir liegen jetzt bei über 40 Millionen Euro Marktplatzumsatz und nehmen Kurs auf 80 Millionen im Gesamtjahr 2019. Vor uns gab es schlichtweg keinen organisierten Handel für viele Spezialmetalle und Ferrolegierungen.

Ungewöhnlich. Der Markt war schon immer groß, wenn auch fragmentiert...

Kreft: Wir wussten, dass Spezialmetalle und Ferrolegierungen im Wert von 100 Milliarden Euro weltweit jährlich verarbeitet werden. Allein in Europa gibt es über 1.000 Unternehmen, die metallische Rohstoffe für die Produktion benötigen. Die deutsche Industrie ist fast ausschließlich auf Auslandsimporte angewiesen.

Probleme waren die Intransparenz und zu viele manuelle Prozesse bei den Marktteilnehmern. Man hatte sich über Jahrzehnte eingerichtet mit analogen Standards, trotz der Verkaufskomplexität.

Die Branche ist bekannt dafür, dass über AGBs schon mal über ein Jahr lang verhandelt wird, oder?

Kreft: Das ist auch heute noch quälend langsam, wenn man nicht die Vorteile einer Plattform nutzt. Mein Mitgründer Frank Jackel und ich haben zunächst als Berater bei Boston Consulting und später als Vertriebsleiter für Nickel und Ferrolegierungen in London bei Anglo American (ein weltweit führendes Bergbauunternehmen; die Red.) die Nöte der Branche zur Genüge kennengelernt.

Wir wussten also, wo wir ansetzen mussten. Vorbild für eine neutrale AGB war die Kohlebranche als Industriestand. Hier werden seit langem nur noch Preise und Lieferdaten verhandelt.

Trotz des offensichtlichen Bedarfs war nicht klar, wie schnell Ihr Geschäftsmodell angesichts der vielen Traditionalisten greift?

Kreft: Nein. Aber uns war klar, dass der Faktor Vertrauen sehr wichtig ist, wenn zwei Parteien über eine Plattform ein Geschäft abschließen. Das Branchenmotto war immer: „Menschen handeln mit Menschen, denen sie vertrauen.“

Als wir Metalshub nach zehn Monaten Softwareentwicklung Ende 2017 freigeschaltet haben, waren gleich die beiden großen Player Cronimet Ferroleg und Traxys Europe auf Metalshub aktiv. Wir konnten am ersten Tag schon einen Handel über 24 Tonnen Ferronickel verbuchen

Das ist Metals Hub

Die globale Plattform Metalshub (Düsseldorf) bringt Käufer und Verkäufer von Metallen und Ferrolegierungen zusammen. Sie wurde 2016 von Dr. Sebastian Kreft (38) und Dr. Frank Jackel (43) gegründet, beide halten die Aktienmehrheit. Shareholder sind u.a. die Business Angels Dieter Heuskel (ehemals Chairman der Boston Consulting Group (Deutschland) und Jochen Engert (Co-Gründer und Managing Director bei Flixbus). Mit 3 Millionen Euro beteiligten sich zuletzt die brasilianische Beteiligungsgesellschaft Chromo Invest und der deutsche VC Point Nine Capital.

Metalshub ermöglicht es Verkäufern und Käufern, Transaktionen schnell und ohne die üblichen hohen Transaktionskosten abzuschließen.

Gekauft bzw. verkauft werden folgende Ferrolegierungen und Metalle: Bor, Chrom, Kobalt, Mangan, Molybdän, Nickel, Niob, Silizium, Titan, Phosphor, Schwefel, Wolfram, Vanadium.

Wer nutzt Metalshub heute?

Kreft: Über 450 Rohstoffproduzenten, Industrieunternehmen und Rohstoffhändler wie Outokumpu, Gontermann-Peipers, Eickhoff, Hempel Intermetaux und Anglo American. In mehr als 90 Prozent der Fälle gibt es auf Einkäuferanfragen, beispielsweise von Gießereien, entsprechende Angebote. Das Transaktionsvolumen liegt bei im Schnitt über 100.000 Euro

Metalshub handelt nicht selbst. Woran verdienen Sie?

Kreft: Die Teilnahme ist kostenlos. Registrierte Nutzer können Anfragen erstellen, etwa in den Produktkategorien Chrom, Mangan, Molybdän, Nickel, Niob, Vanadium. Sie können aber auch ein Angebot auf eine bestehende Anfrage im Marktplatz abgeben.

Wenn ein Geschäft über Metalshub abgeschlossen wird, erheben wir eine Transaktionsgebühr, die vom Verkäufer bezahlt wird. Käufer schließen einen Vertrag direkt mit dem Verkäufer ab. Zudem bieten wir transaktionsnahe Dienstleistungen an.

Welche zusätzlichen Dienstleistungen stellen Sie zur Verfügung?

Kreft: Wir bieten mit „Wilfried.ai“ eine neuartige Kreditversicherung an. Partner ist Weltmarktführer Euler Hermes. Durch KI lässt sich das Kreditrisiko einer B2B-Transaktion genauer berechnen, was Kosten spart. In Sachen Logistik arbeiten wir mit europäischen Metalllogistikern und Plattformen zusammen. Wir können auf Knopfdruck günstige Transportangebote in ganz Europa vorschlagen.

Neuerdings bieten wir auch in Kooperation mit Entrafin aus Köln eine Factoring-Lösung. Verkäufer haben die Möglichkeit, Ihr Geld sofort zu bekommen, und Einkäufer haben die Möglichkeit, das vertraglich vereinbarte Zahlungsziel zu verlängern.

Wird meine Identität bekannt gegeben, wenn ich eine Anfrage starte?

Kreft: Einkäufer geben im Normalfall ihre Identität bekannt. Wir haben allerdings in diesem Monat ein neues Feature gelauncht, das anonymes Handeln erlaubt. Diese Funktion ist vor allem für Händler interessant, die mit anderen Händlern Geschäfte machen möchten. Auf diese Weise müssen sie ihre Position nicht offenlegen. Diese Art von Geschäften läuft heute noch klassisch offline übers Telefon mit einem Broker.

Wie geht es weiter? Welches Potenzial sehen Sie?

Kreft: Großes Potenzial! Elektromobilität, Industrie 4.0 und Energiewende verstärken die Nachfrage nach metallischen Rohstoffen erheblich. Titan, Nickel und Aluminium werden in Form von Legierungspulvern für 3D-Druck eingesetzt. Kobalt, seltene Erden und Lithium werden für Magneten, Batterien für E-Autos und Windkraftanlagen gebraucht.

Wir setzen auf Netzwerkeffekte, die den Handel über digitale Plattformen auch im Rohstoffsektor beflügeln. Nächstes Ziel ist die Internationalisierung und die Einbindung weiterer Services, zum Beispiel Containerfracht.

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