Assembly line of robots welding car body

Roboter bauen ein Auto zusammen: Wifi-7 würde beispielsweise eine schnellere Qualitätskontrolle ermöglichen. (Bild: xia yuan)

Eine digital gesteuerte Fertigung verlangt nach stabilen Verbindungen mit hoher Bandbreite und geringer Latenz. Das neue Wi-Fi 7 kommt da wie gerufen, doch noch gibt es einige Hürden, die eine schnelle Einführung verhindern. Was produzierende Unternehmen jetzt zum neuen WLAN-Standard wissen müssen.

Was unterscheidet Wi-Fi 7 von Wi-Fi 6?

Seit Jahresbeginn zertifiziert die Wi-Fi Alliance neue Geräte für Wi-Fi 7, das auf dem kommenden WLAN-Standard 802.11be basiert. Dieser bringt zahlreiche Verbesserungen für eine immer stärker vernetzte Welt mit sich und hebt drahtlose Netzwerke auf ein ganz neues Level. Das fängt schon mit der reinen Bandbreite an: So sollen gleichzeitige Datenübertragungen in mehreren Frequenzbändern (2,4 GHz, 5 GHz und 6 GHz) mittels Multi-Link Operation (MLO), bis zu 320 MHz breite Funkkanäle und ein verbessertes Modulationsverfahren für Geschwindigkeiten von theoretisch bis zu 46 Gigabit pro Sekunde sorgen.

Wi-Fi 6 und 7 Vergleich
Wi-Fi 6 und 7 Vergleich der Übertragungsmöglichkeiten. (Bild: Cisco)

Was bringt Wi-Fi 7 für die Industrie?

Für viele industrielle Anwendungsfälle wäre das äußerst wertvoll, beispielsweise in der Qualitätskontrolle, um nicht mehr nur Stichproben, sondern jedes einzelne Werkstück zu prüfen. Eine Vielzahl von Kameras könnte dazu hochauflösende Bilder liefern, in denen moderne Anwendungen mit KI und Computer Vision unter anderem Verunreinigungen, Verfärbungen oder Beschädigungen wie Mikrorisse oder Korrosion erkennen.

Weitere Anwendungsfälle, die nach hohen Bandbreiten verlangen, sind zum Beispiel:

  • Gelenkrobotern mit Kameras das Sehen beizubringen. Das hochauflösende Bildmaterial hilft den Robotern, präzise zuzugreifen, sodass Unternehmen den Zulauf einfacher gestalten und nicht mehr jedes Werkstück mit wartungsintensiver Mechanik vorab korrekt ausrichten müssen.
  • Download von Software in smarte Produkte. Dort müssen teilweise mehrere Gigabyte an Software pro Produkt hochgeladen werden – Tendenz steigend. Hohe Bandbreiten verhindern Wartezeiten, die Fertigungsabläufe ausbremsen würden.
  • Predictive Maintenance mit Akustiksensoren. Mit den Sensoren können Unternehmen andere Sensortechnik ergänzen, um ungewöhnliche Geräuschentwicklungen zu erkennen, die den drohenden Ausfall von Motoren oder Getrieben ankündigen.
Marcus Giehrl
Zitat

Da industrietaugliche Geräte fehlen, und sich daran voraussichtlich in den nächsten Monaten auch nichts ändern wird, ist Wi-Fi 7 für Fertigungsunternehmen derzeit noch keine Option.

Marcus Giehrl, NTT Data
(Bild: privat)

Wie schnell ist Wi-Fi 7?

Allerdings kommt es in der Industrie nicht allein auf die Bandbreite an. Mindestens ebenso wichtig sind eine geringe Latenz, damit Steuersysteme die Produktionsprozesse bei Bedarf verzögerungsfrei anpassen können, und eine hohe Zuverlässigkeit, damit keine instabilen oder unterbrochenen Verbindungen den Produktionsablauf gefährden. Beiden Anforderungen soll der neue WLAN-Standard ebenfalls gerecht werden.

Bereits die Kommunikation auf drei Frequenzbändern verbessert die Echtzeit-Fähigkeiten des Funknetzwerks deutlich, darüber hinaus senken Neuerungen in den Technologien MU-MIMO und OFDMA die Latenz weiter und erhöhen die Zuverlässigkeit.

MU-MIMO steht für „Multi-User Multiple Input, Multiple Output“ und erlaubt es in 802.11be, einzelne Geräte zielgerichtet über bis zu 16 Antennen anzusteuern. Dadurch behindern sich die verschiedenen Geräte nicht so schnell gegenseitig, was in der Vergangenheit gerade in Netzen mit vielen Clients schnell zu Leistungseinbußen oder Störungen führen konnte.

OFDMA indessen steht für „Orthogonal Frequency-Division Multiple Access“ und unterteilt die Funkkanäle in kleinere Einheiten, um mehr Geräte parallel bedienen und die verfügbare Bandbreite effizienter nutzen zu können. War im Vorgängerstandard 802.11ax (alias Wi-Fi 6/6E) nur die Zuweisung einer sogenannten Ressource Unit pro Gerät möglich, so kann 802.11be einem Gerät nun auch mehrere Ressource Units zuteilen.

Im Zusammenspiel mit dem bereits in 802.11ax eingeführten BSS Coloring, das die Interferenzen zwischen benachbarten Funkzellen reduziert, sollen die Neuerungen für stabilere Verbindungen mit einer Latenz im Bereich von etwa 5 Millisekunden sorgen.

Was ist der Unterschied zwischen Wi-Fi und WLAN?

Der Unterschied zwischen Wi-Fi und WLAN liegt hauptsächlich in der Spezifikation und der Verwendung der Begriffe: WLAN (Wireless Local Area Network) ist ein allgemeiner Begriff für ein kabelloses lokales Netzwerk. Es beschreibt jede Art von drahtloser Netzwerkverbindung, die in einem begrenzten geografischen Bereich eingesetzt wird, wie zum Beispiel in einem Gebäude oder auf einem Campus. Der Funkstandard ist dabei nicht näher spezifiziert, und WLAN kann verschiedene Technologien umfassen.

Wi-Fi hingegen ist eine spezifische Art von WLAN, die auf dem IEEE-802.11-Standard basiert. Der Begriff Wi-Fi wurde von der Wi-Fi Alliance geprägt, die die Zertifizierung von Geräten überwacht, die diesen Standard erfüllen. Wi-Fi ist die gebräuchlichste WLAN-Technologie, wird aber häufig synonym mit WLAN verwendet, obwohl technisch gesehen nicht jedes WLAN ein Wi-Fi ist.

Welche Geräte unterstützen Wi-Fi 7?

Während unzählige Consumer-Geräte bereits Wi-Fi 7 unterstützen und das entsprechende Siegel der Wi-Fi Alliance tragen, fehlt es bislang an industrietauglichen Geräten. Das liegt vor allem daran, dass Wi-Fi 7 derzeit noch mit einigen Unwägbarkeiten verbunden ist, die in privaten Netzwerken oder Büroumgebungen kaum ins Gewicht fallen, den Einsatz in der Fertigung aber erschweren.

Zum einen ist der neue Standard noch gar nicht abschließend ratifiziert und wird sein volles Potenzial auch erst mit dem für Ende 2025 erwarteten Release 2 ausspielen können. Zum anderen erfordern wichtige Features wie das für die Synchronisation von Abläufen benötigte Time Sensitive Networking (TSN) noch viel Entwicklungsarbeit und Tests.

Hinzu kommt, dass das für die hohen Bandbreiten entscheidende 6-GHz-Frequenzband in den meisten Ländern reguliert wird und in Deutschland bislang nur das Spektrum zwischen 5.925 und 6.425 MHz für WLAN freigegeben ist. Das reicht für einen Kanal mit 320 MHz, während in den USA beispielsweise das gesamte Spektrum von 5.925 bis 7.125 MHz genutzt werden kann und drei derartige Kanäle ermöglicht.

Ob Wi-Fi 7 mit diesen Beschränkungen sein Leistungsversprechen in Industrieumgebungen einlösen kann, bleibt abzuwarten – ebenso, ob und wann die zuständigen Behörden weitere Frequenzspektren freigeben.

Unterschiede in den Bändern für Wi-Fi 7 und unterschiedlichen Ländern.
Unterschiede in den Bändern für Wi-Fi 7 und unterschiedlichen Ländern. (Bild: Cisco)

Welche Alternativen zu Wi-Fi 7 gibt es?

Da industrietaugliche Geräte fehlen, und sich daran voraussichtlich in den nächsten Monaten auch nichts ändern wird, ist Wi-Fi 7 für Fertigungsunternehmen derzeit noch keine Option. Haben sie konkrete Anwendungsfälle, die hohe Bandbreiten und/oder geringe Latenz erfordern, lohnt das Warten nicht – für die Umsetzung stehen 5G und Wi-Fi 6E als Alternativen bereit.

Der Mobilfunkstandard 5G hat seine Stärken in der geringen Latenz, großen Reichweite und dem reibungslosen Wechsel zwischen verschiedenen Funkzellen. Er ist in der Regel erste Wahl, wenn es um Echtzeit-Reaktionen, die Vernetzung großer Freiflächen oder die Anbindung von autonomen Transportfahrzeugen, mobilen Robotern oder Drohnen geht. Allerdings ist mit der Einführung von 5G ein großes Investment verbunden, und in der Regel haben Unternehmen mit Mobilfunk auch weniger Erfahrung als mit WLAN-Technologien, sodass mehr externe Unterstützung benötigt wird.

Wi-Fi 6E hält technisch weniger Herausforderungen bereit und bietet hohe Bandbreiten und niedrige Latenz, auch wenn es diesbezüglich nicht mit 5G oder Wi-Fi 7 mithalten kann. Allerdings funkt es wie Wi-Fi 7 im 6-GHz-Frequenzband, sodass Unternehmen bereits evaluieren können, wie viele Access-Points sie benötigen und wie sie diese positionieren müssen, um die gewünschte Abdeckung zu erhalten. Zudem sind sie in der Lage, mögliche Konflikte mit anderen Technologien zu erkennen und zu beseitigen, etwa mit Ultra Wide Band (UWB). Der Kurzstreckenfunk nutzt teilweise auch das 6-GHz-Frequenzband und wird von vielen, vor allem großen Industrieunternehmen im Asset-Tracking eingesetzt.

Erweist sich Wi-Fi 6E als tauglich für den gewünschten Anwendungsfall und bereitet die Nutzung des 6-GHz-Bandes keine Probleme, können Unternehmen den WLAN-Standard einführen und in einigen Jahren im Rahmen eines üblichen Hardware-Refresh auf Wi-Fi 7 umsteigen. Da alle Wi-Fi-Generationen abwärtskompatibel sind, funktionieren ältere Geräte problemlos weiter. Allerdings sollten Unternehmen zuvor sicherstellen, dass ihr kabelgebundenes Netzwerk mit den deutlich höheren Bandbreiten mithalten kann und nicht zum Flaschenhals wird.

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