Im Logistikmix spielt die Luftfracht eine wichtige Rolle, denn hier sind die Hebel für mehr Nachhaltigkeit und weniger Kosten besonders groß. Sechs Punkte, worauf Unternehmen achten sollten.
Luftfracht gilt als teure und umweltschädliche Logistikvariante. Doch es geht auch anders.4flow
Anzeige
Der Logistiksektor ist für rund ein Drittel der weltweiten
Treibhausgasemissionen verantwortlich. Unternehmen müssen komplexe Supply
Chains daher optimieren, um Anforderungen an Nachhaltigkeit und Kosteneffizienz
zu vereinen, ohne an Leistungsfähigkeit globaler Netzwerke zu verlieren. In
einigen Fällen ist die Luftfracht dafür unverzichtbar. Eine erfolgreiche
Umsetzung nachhaltiger Luftfrachtstrategien ist nur durch eine ganzheitliche
Betrachtung des gesamten Netzwerks möglich, denn eine durchdachte
Netzwerkstrategie verbessert sowohl die Klimabilanz als auch die
Kostenstruktur.
In der Medizintechnik entstehen bspw. häufig zehnmal mehr
transportbedingte Emissionen im Vergleich zum Produktgewicht. Über 95 % dieser
Emissionsspitzen werden durch die Luftfracht verursacht. Dennoch sind ein
Wechsel zu anderen Transportmodi und ein kompletter Verzicht auf die Luftfracht
kurzfristig nicht zu erwarten. Das liegt vor allem an den Anforderungen von
kleinen, leichten Produkten mit hoher Wertigkeit an die Supply Chain: kurze
Lieferzeiten, hohe Flexibilität, geringe Bestände. Zudem wird aus Kosten- und teils
Kompetenzgründen meist zentralisiert in Asien produziert, während sich die Endkunden
oftmals in Europa und den USA befinden.
Anzeige
Wie können Unternehmen in diesem Spannungsfeld aus
Anforderungen an die Supply Chain und Nachhaltigkeitsanforderungen erfolgreich
bleiben? Es lassen sich sechs grundlegende Hebel identifizieren, um diesen
Herausforderungen zu begegnen.
1. Nachhaltige Flugkraftstoffe
Alternativer Flugkraftstoff, Sustainable Aviation Fuel
(SAF), kann Emissionen theoretisch um bis zu 80 % im Vergleich zu herkömmlichem
Flug-Kerosin senken. Derzeit ist SAF jedoch aufgrund begrenzter Verfügbarkeit
noch keine skalierbare Alternative zu Kerosin – SAF decken nur 0,2 % des
weltweiten Flugkraftstoffbedarfs. Einzelne Carrier liegen mit einer Beimischungsquote
von 3 % deutlich über dem EU-Branchenschnitt von 0,4 % Beimischungsquote. Die
EU hat sich bis 2030 eine Beimischung von 6 % zum Ziel gesetzt. Von einer
potenziellen Reduktion von 380 Tonnen CO2e pro Flug bei 100 %
SAF-Verwendung bleiben bei 6 % SAF-Beimischung allerdings nur noch 23 Tonnen CO2e-Einsparung
übrig.
Anzeige
2. Jüngere Flotten, weniger
Emissionen
Moderne Flugzeuge zeichnen sich durch treibstoffeffiziente
Antriebe, verbesserte Aerodynamik und ein geringeres Gewicht aus. Ein
exemplarischer Vergleich verschiedener Luftfrachtanbieter zeigt: Während das
gewichtete Flottendurchschnittsalter zwischen 12 und 22 Jahren liegt, bewegen
sich die dazugehörigen Emissionswerte zwischen 5,7 und 7,4 Tonnen CO2e
pro Tonne Frachtgewicht auf der Beispielstrecke Singapur-Frankfurt. Somit kann
eine halb so alte Flotte im Durchschnitt 23 % Treibhausgasemissionen einsparen.
Die strategische Auswahl von Luftfrachtanbietern mit jüngeren, effizienteren
Flotten kann daher kurzfristig messbare Emissionsreduktionen bewirken.
3. Mit intelligente Hub-Strategien zu
geringeren Emissionen
Anzeige
Eine optimierte Flughafenauswahl kann Luftfrachthauptläufe
minimieren und kostenintensive Luftfrachtnachläufe vermeiden. Statt bspw. von
Europa aus über einen zentralen Hub wie Memphis zu distribuieren, können
Direktflüge zu Küstenflughäfen wie Atlanta und Los Angeles bis zu 90 % der
Emissionen im Inlandsnachlauf sparen – das entspricht etwa 14 % der
End-to-End-Emissionen.
Für eine Kundenbasis in Asien wiederum lohnt sich die Wahl eines
Flughafens, bei dem im Nachlauf möglichst viele Kunden per Straße erreicht
werden können. Dafür ist bspw. Hongkong als Hub besser geeignet als Singapur,
da von dort China, der meist größte asiatische Markt, günstig per Straße
bedient werden kann.
Die Autorin: Hanka Smiejczak
Hanka Smiejczak ist Vice President bei 4flow und seit über zehn Jahren in der Supply-Chain-Beratung tätig. Sie verantwortete mehr als 40 Projekte in Europa, Asien und den USA für Branchen wie Automotive, Handel und E-Commerce, Medizintechnik und Hightech. Ihre Beratungsschwerpunkte liegen in der Supply-Chain-Optimierung sowie Digitalen Transformation.
Bei der Nutzung von Cross-Dock-Strukturen im Netzwerk sollte
berücksichtigt werden, dass ein einziger, längerer Flug für die
Treibhausgasbilanz besser ist als zwei Mittelstreckenflüge: Wegen der energieintensiven
Start- und Landevorgänge werden bei Kurz- und Mittelstreckenflügen ca. 22 %
mehr CO2e pro Tonnenkilometer ausgestoßen als bei
Langstreckenflügen.
Zudem ermöglicht der Umstieg von „Premium/Express“ auf
„Standard/Economy“ gerade von kleinen, wertigen Gütern es dem Carrier, mehr
Sendungen über die Straße zu transportieren. Häufig wird die resultierende
längere Lieferzeit von Kunden akzeptiert, denn auch kundenseitig wird
nachhaltiger Transport zunehmend gefordert.
Anzeige
4. Bestände nah am Kunden –
bei guter Planung ein Gewinn für CO2e und Kosten
Eine durchdachte Supply-Chain-Planung mit fortgeschrittenem
Forecasting und technologieunterstützter Planung kann Bestände näher am Kunden
positionieren, um kurzfristige Bedarfe mit klimafreundlicheren Transportmitteln
zu bedienen. Durch eine bessere Verteilung der Produkte im globalen Netzwerk
können Entfernungen, unnötige Transporte sowie Expresslieferungen und somit
Treibhausgasemissionen reduziert werden.
5. In jedem Netzwerk gibt es auch
Seefrachtpotenzial
Anzeige
In jedem Produktionsnetzwerk finden sich auch Potenziale
für den Transport via Seefracht. Das betrifft vor allem Produkte, die weniger
wertvoll sind als die eigentliche Technik – beispielsweise Plastikgehäuse bei
Medizintechnikprodukten. Die Wirtschaftlichkeitsgrenze für die Verlagerung auf
die See liegt bei Warenwerten unter 500-600 €/kg zwischen Asien und den USA
sowie bei 400-450 €/kg zwischen Asien und Europa. Für Warenwerte über diesen
Grenzen lohnt sich die Seefracht nicht, da das Kapital durch die längeren
Transportzeiten zu lange gebunden bleibt. Genau hinschauen lohnt sich also auch
in scheinbar reinen Luftfrachtnetzwerken.
6. Produktion vor Ort kann Emissionen
revolutionieren
Die größten Optimierungspotenziale liegen in der Regionalisierung
von Produktionsnetzwerken. Ein Beispiel aus der Praxis: Ein
Medizintechnikhersteller produziert bisher vorrangig in Asien und verkauft
seine Produkte in Europa sowie Nordamerika. Nun plant er, 60 % seines
Produktionsvolumens zu regionalisieren. Dadurch kann der Hersteller 98 % der
transportbedingten Treibhausgasemissionen für dieses Volumen einsparen und die
CO₂e-Werte im gesamten Netzwerk
um mindestens 20 % reduzieren – ohne negative Auswirkungen auf die
Lieferzeiten. Ausschlaggebend ist dabei die lokale Beschaffung und Herstellung
der Materialien. Gerade für hochautomatisierte, personalunabhängige Industrien
ist dieser Hebel besonders relevant; andernfalls ist dieser Ansatz mit Blick
auf die Gesamtkosten meist nicht wirtschaftlich.
Anzeige
Handlungsempfehlungen für ein nachhaltiges Luftfrachtnetzwerk
Die erfolgreiche Transformation der Luftfrachtlogistik
erfordert mutiges Handeln und strategisches Denken. Dabei liegen die größten
Hebel zur Optimierung von Transportnetzwerken in der Luftfracht in der
intelligenten Gestaltung globaler Supply Chains. Eine auf Nachhaltigkeit
ausgerichtete Netzwerkstrategie schafft messbare Wettbewerbsvorteile durch
reduzierte Kosten, verbesserte Lieferzeiten und erhöhte Resilienz. Regionalisierte
Produktionsnetzwerke reduzieren Abhängigkeiten und steigern die Resilienz
gegenüber globalen Störungen. Moderne Supply-Chain-Planungstools machen
präzises Forecasting und optimale Kapazitätsplanung möglich, wodurch Leer- sowie
teure Zusatzkapazitäten vermieden werden.