Auswahl anhand der Stückzahlen
Es gilt herauszufinden, welche Produktionsanforderungen einzuhalten sind, um die passende Montagetechnik auswählen zu können. Bei relativ niedrigen Stückzahlen, kurzen Produktlebenszyklen oder hoher Anzahl von Produktvarianten bietet sich ein handgeführtes Schraubwerkzeug für die manuelle Montage an. Dieses kann bei steigenden Produktionszahlen jederzeit aufgerüstet werden, beispielsweise mit einer automatischen Schraubenzuführung. Der Umkehrschluss bedeutet, dass relativ hohe Stückzahlen und lange Produktlebenszyklen für automatisierte Montageprozesse prädestiniert sind. Hierzu bieten sich halbautomatische oder vollautomatische Montageanlagen an.
Elektrischer Strom oder Druckluft
Grundsätzlich stehen zwei unterschiedliche Antriebsmedien an: der elektrische Strom oder die Druckluft. Elektronisch oder pneumatisch betriebene Schraubwerkzeuge zeichnen sich durch klare spezifische Eigenschaften aus, die in den einzelnen Anwendungsfällen Auswahl bestimmend sind (siehe Tabelle „Vergleich der Antriebsarten“).
Einzelne Faktoren oder Kombinationen daraus beeinflussen die Auswahl des Antriebsmediums. Das Nichtvorhandensein von Druckluft beispielsweise ist ein Ausschlusskriterium für den Druckluftschrauber. Die Anforderung an Flexibilität hingegen, wie variierende Anzugsparameter, ist ein klares Merkmal für die Verwendung eines elektronisch betriebenen und frei programmierbaren Schraubwerkzeugs.
Ebenso empfiehlt sich der Einsatz eines elektronischen Schraubsystems, wenn sich bei der Anwendung einer der Parameter Drehmoment, Drehwinkel, Drehzahl, Drehrichtung oder Einschraubtiefe ändert. EC-Schraubsysteme sind in den genannten Parametern frei programmierbar und Änderungen im Schraubablauf können leicht umgesetzt werden. Im Gegensatz dazu ist bei gleichbleibenden Werten ein pneumatisch betriebener Abschaltschrauber ausreichend.
Anforderungen an die Prozesssicherheit
Die Anforderungen an die Prozesssicherheit sind im Vorfeld klar zu definieren. Während bei mancher Anwendung das einfache Übermitteln von i.O.-/n.i.O.-Signalen ausreicht, schreibt eine andere das genaue Aufzeichnen, Auswerten und Dokumentieren sämtlicher Montageschritte vor. Das vorgeschriebene Maß an Prozesssicherheit entscheidet daher über die Auswahl des Schraubwerkzeugs: I.O.-/n.i.O-Signale stellen sowohl Druckluftschrauber als auch EC-Schrauber zur Verfügung. Intelligente Schraubsysteme – vorwiegend auf EC-Basis – werden zur Aufzeichnung, Auswertung und Dokumentation der Montageschritte verwendet. Alternativ können Druckluftschrauber mit zusätzlicher Drehmoment-/Drehwinkelsensorik eingesetzt werden.
Zusätzliche Anforderungen können bei der Montage von sicherheitsrelevanten Bauteilen erforderlich werden: Dies kann das Erfassen und Auswerten von Drehmomentergebnissen über eine unabhän-gige Sensorik sein oder gar die Forderung nach Redundanz, wie sie die EC-Servo-Schraubtechnik in Verbindung mit dem Einsatz eines zusätzlichen Drehmomentmesssystems bietet.
Möglichst prazise Elektroschraubwerkzeuge
Bezüglich Drehmomentgenauigkeit bieten Pneumatikschrauber, die mit einer hochgenauen mechanischen Abschaltkupplung ausgestattet sind, eine Genauigkeit von ± 3 % Standardabweichung bei Millionen von Taktspielen. Die Standardabweichung ist jedoch nur eine Angabe für die Präzision.
Der Maschinenfähigkeitsindex Cmk ist der maßgebliche Wert zur Befähigung eines Werkzeuges für die industrielle Verwendung. Druckluftschrauber mit Abschaltkupplung erfüllen unter geeigneten Umgebungsbedingungen einen Cmk-Wert von ≥ 1,67 bei ± 10 % Toleranz bezogen auf 6 Sigma nach ISO 5393. Anders ausgedrückt bedeutet ein Cmk-Wert von 1,67 einen Fehleranteil von 0,6 pro einer Million Verschraubungen.
Die Schrauber auf Basis von EC- beziehungsweise EC-Servo-Technik erlauben je nach Anordnung und Programmierung der Anzugssequenzen Drehmomentgenauigkeiten von kleiner ± 1 % Standardabweichung oder, auf den Maschinenfähigkeitsindex bezogen, einen Cmk-Wert von ≥ 1,67 bei ± 5 % Toleranz bezogen auf 6 Sigma nach ISO 5393 und damit den gleichen geringen Fehleranteil von 0,6 pro einer Million Verschraubungen, bei halbem Toleranzfenster. Zur Betriebsdatenerfassung und statistischen Prozesssteuerung sind Schraubsysteme notwendig, die mit übergeordneten Prozessdatenspeicherungen kommunizieren können.
Aufzeichnen mittels Sensorik
Das Aufzeichnen der erreichten Drehmoment- und Drehwinkelwerte erlauben beide Systeme. Während dies bei der EC-/EC-Servo-Technik eine grundsätzliche Funktion darstellt, muss der Druckluftschrauber speziell mit Drehmoment- und Drehwinkelsensorik ausgerüstet werden.
Die vielfältigen Möglichkeiten und Funktionen der EC-/EC-Servo-Technik spiegeln sich in den Investitionskosten wider. Grundsätzlich gilt: Je höher die Anforderung an ein Schraubsystem (Prozesssicherheit, Funktionsumfang etc.) umso höher die Investitionskosten. Hier bietet die Drucklufttechnik bei entsprechend geringeren Dokumentationsanforderungen deutliche Kostenvorteile.
Um die Betriebskosten realistisch darzustellen, müssen eine Vielzahl von Einflussfaktoren berücksichtigt werden, wie der Vergleich der Energiekosten, Wartungsaufwand und -kosten, Ausbildungsaufwand für Fachpersonal, Kalibriervorschrift für Messmittel (Qualitätsnorm EN ISO 9001), Unempfindlichkeit gegen äußere Einflüsse (Staub, Luftfeuchtigkeit, …) oder Investitionskosten.
Für jede Anwendung die richtige Bauform
Schraubwerkzeuge sind außerdem in einer Vielzahl von Bauformen erhältlich: So schreibt der klassische manuelle Einsatz mit vertikaler Schraubachse den Stabschrauber in gerader Ausführung vor, während bei horizontaler Schraubachse der typische Pistolenschrauber Anwendung findet. Weitere Bauformen sind der Winkelschrauber für beengte Platzverhältnisse oder hohe Drehmomente, Schrauber mit zylindrischem Gehäuse für den Einbau in Montageanlagen sowie verschiedenste kundenspezifische Lösungen.
Zur optimalen Abstimmung der Schraubtechnik auf die individuelle Anwendung eignen sich daher am besten umfangreiche Schraubfallanalysen anhand des zu verschraubenden Bauteils. So lassen sich im eigens vorhandenen Analyselabor die notwendigen Anzugsparameter und Lösungsansätze herausfinden.
Autoren: Dagmar Dübbelde (DEPRAG), Kathrin Irmer
Bilder: DEPRAG
Checkliste für den Einkauf von Schraubwerkzeugen in der industriellen Montage
Welche Stückzahlen sind zu montieren? | |
Welche Wird das Schraubwerkzeug für den manuellen oder stationären Einsatz benötigt?und Lastkollektive treten in der Anwendung auf, wie Temperatur, Druck, Geschwindigkeit, Verschmutzung, Hub, Seitenlast, Auslenkungen? | |
Pneumatischer oder elektronischer Antrieb? | |
Welche Bauform wird benötigt: gerade Ausführung, Winkelbauform oder Pistolenform? | |
Welche Anforderungen sind zu erfüllen bezüglich Prozesssicherheit, Flexibilität, Dokumentation etc.? |
Drei Fragen an Peter Schundner, BSH Bosch Siemens Hausgeräte:
Nach welchen Prioritäten kaufen Sie Schraubwerkzeuge für Ihre Montage ein?
Neben den wirtschaftlichen Kriterien ist mir eine hohe technische Verfügbarkeit sehr wichtig: die Möglichkeit, die Schraubsysteme in die Steuerung des Montageprozesses zu integrieren, geringer Verschleiß und wartungsarmer Einsatz.
Bevorzugen Sie pneumatisch oder elektrisch angetriebene Schraubwerkzeuge? Und warum?
Hier liegen die Prioritäten bei elektrischen Systemen. Die vielfältigen Möglichkeiten der Datenspeicherung bei sicherheitsrelevanten Verschraubungen bringen dabei klare Vorteile. Das Medium Druckluft sorgt im Vergleich dazu für wesentlich höhere Kosten.
Welche Stückzahlen benötigen Sie an Handschraubern in Ihrem Werk im Jahr?
In unserer Produktion sind mehrere Hundert Schrauber im Einsatz, hierbei ist der große Teil noch pneumatisch angetrieben. Diese werden nach und nach durch elektrische Schrauber ersetzt. Ziel ist es, mittelfristig auf die teurere Druckluftbereitstellung zu verzichten.
Einkaufsführer in Zusammenarbeit mit DEPRAG Schulz GmbH u. Co.
Die DEPRAG Schulz GmbH u. Co. mit Sitz in Amberg/Bayern beschäftigt 700 Mitarbeiter in über 50 Ländern. Der Fullserviceanbieter widmet sich neben der Sparte Schraubtechnik auch der Konzeptionierung und Ausgestaltung modernster Handarbeitsplätze, halb- und vollautomatischer Montageanlagen, erstklassiger Zuführtechnik sowie der Fertigung hochwertiger Druckluftmotoren und Druckluftwerkzeuge. Mit Innovation und Produktverbesserung setzt der Experte immer wieder neue Akzente auf dem Markt.
Weitere Informationen unter: www.deprag.com