Bild eines integrierten Mikrochips

Die Elektronik von Autos steckt voller Chips. Diese werden zur Mangelware. (Bild: Edelweiss - stock.adobe.com)

Vom Massenprodukt zur Mangelware: Bei den elektronischen Bauteilen, vor allem Halbleitern, droht den Autobauern zum Jahresbeginn 2021 ein gefährlicher Engpass. Der hatte sich jedoch bereits im Dezember abgezeichnet.

So musste Volkswagen seine Produktion am Stammsitz Wolfsburg verringern, weil die Chips fehlten. Kurzerhand hat das Unternehmen seine Weihnachtsferien verlängert. Im ersten Quartal wolle man die weltweite Fertigung an die Versorgungssituation anpassen.

Wir sind bisher gut durch die Krise gekommen", so Murat Aksel, designierter Einkaufs-Vorstand im Konzern. "Allerdings bekommen wir nun die Auswirkungen der globalen Engpässe bei Halbleitern zu spüren."

Bei VW betrifft der Lieferengpass alle Fahrzeuge auf Basis der MQB-Plattform (modularer Querbaukasten). Das sind sowohl Pkw als auch Nutzfahrzeuge von VW, Skoda und Seat. Auch Audi hat jetzt Kurzarbeit angekündigt. Die Produktion der Modelle A4 und A5 in Neckarsulm ruht seit dem 18. Januar, die in Ingolstadt pausiert ab dem 21. Januar. Der Stillstand soll voraussichtlich bis zu 29. Januar dauern.

In Neckarsulm sind nach Unternehmensangaben 800 und in Ingolstadt 9.300 Beschäftigte von der Kurzarbeit betroffen.

Deutsche und internationale Autobauer betroffen

Bei Daimler sieht es ebenfalls nicht mehr ganz so geschmeidig aus. Die Stuttgarter stellen die Produktion im Rastatter Werk komplett ein und schicken die Belegschaft in Kurzarbeit. Das betrifft rund 6.500 Mitarbeiter. Daimler produziert im badischen Werk die A- und B-Klasse sowie die GLA-Modelle und das Elektroauto EQA.

Auch das Werk in Bremen kann nicht wie geplant produzieren. Dort soll nach Angaben des Konzerns in der ersten Februarwoche Kurzarbeit eingeführt werden. Im ungarischen Kecskemét werde die Produktion voraussichtlich Ende Januar für eineinhalb Wochen stillstehen.

Ford legt sein Werk in Saarlouis sogar fast einen Monat still. Vom 18. Januar bis zum 19. Februar ruhen die Bänder komplett.

Auch Zulieferer leiden unter dem Halbleitermangel. So produziert Hella derzeit im Stopp-and-go-Betrieb. Teilweise musste das Unternehmen seine Linien anhalten, so Hella-Chef Rolf Breidenbach bei der Vorstellung der Zahlen für die erste Hälfte des aktuellen Geschäftsjahres. Eine schnelle Erholung erwarten die Unternehmen nicht. "Die Engpässe bei Halbleitern werden auch im Jahr 2021 andauern und Lieferengpässe in der Continental-Produktion verursachen", so der Zulieferer.

BMW und Porsche noch ausreichend versorgt

Doch nicht alle Autohersteller haben so gravierende Probleme. Sicher gebe es auf dem Markt für Halbleiter "eine Knappheit", erklärte zum Beispiel BMW auf Anfrage von Automotive IT. Aber die Münchner seien aktuell noch gut versorgt. "Für den Januar sei die Versorgung mit Halbleitern gesichert, so ein BMW-Sprecher zum Münchner Merkur. Zwar sei es bislang noch nicht zu Produktionsunterbrechungen gekommen, man fahre aber auf Sicht.

VW-Tochter Porsche meldet aktuell ebenfalls eine reibungslose Produktion, wie die Stuttgarter Nachrichten schreiben.

US-Konzerne setzen Hoffnung auf Joe Biden

Doch nicht nur die deutschen Konzerne stöhnen ob der stockenden Lieferungen. Gravierend zeigt sich der Mangel auch in der US-Autoindustrie. So hat Ford nicht nur seine Fabrik in Saarlouis, sondern auch das SUV-Werk in Kentucky vorübergehend dicht gemacht. Chrysler, jetzt Teil des neuen Automobilriesen Stellantis, schickt seine Werker in Kanada und Mexiko nach Hause. Neben den heimischen Automarken klagen darüber hinaus japanische Firmen wie Toyota und Subaru über leere Lager. Auch sie reduzieren ihre Produktion.

Die Unternehmen appellieren daher an den neuen US-Präsidenten Joe Biden und seine Regierung, hier zu vermitteln. Der American Automotive Council (AAPC), seines Zeichens Lobby-Verband der Autobauer in den USA, will erreichen, dass das US-Handelsministerium die Halbleiterproduzenten dazu bewegt, mehr Chips an die Autoindustrie zu liefern statt an die Unterhaltungsindustrie.

Wieso sollte die Politik aber intervenieren? Zwar haben sich die Unternehmen teilweise selbst in die Bredouille gebracht, indem sie die Nachfrage unterschätzten und die Beschaffung der Halbleiter vergeigt haben. Doch einen Bärendienst hat ihnen auch die Regierung unter Donald Trump erwiesen. Sie hatte durch ein Handelsembargo dafür gesorgt, dass zum Beispiel der chinesische Telekomkonzern Huawei keine Chips mit US-Technologie mehr kaufen durfte und darf. Noch vor Inkrafttreten der Handelsbeschränkung füllte Huawei daher seine Lager schnell. Auch andere Unternehmen folgten dem Beispiel und fegten den Markt somit leer.

Ein anderes Embargo galt Chinas größtem Halbleiterproduzenten Semiconductor Manufacturing International Corporation (SMIC): Er darf zur Halbleiterproduktion keine amerikanischen Teile und Maschinen mehr einsetzen. Aus Furcht, künftig ebenfalls auf der US-Blacklist zu landen, wendeten sich daraufhin viele US-Kunden von SMIC ab und bestellten ihre Halbleiter bei anderen Fabrikanten. Diese, etwa die Taiwanesische TSMC, kommen mit der Produktion jedoch nicht hinterher.

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Woran liegt der aktuelle Mangel an Chips?

Zu Beginn der Corona-Pandemie hatten viele Autohersteller und Zulieferer zunächst Lieferungen storniert. Ihre Produktion stockte aus anderen Gründen und der Absatz von Neuwagen brach darüber hinaus ein. "Seit dem Frühjahr war die Abnahme der Autoindustrie im Zuge der Corona-Situation zunächst stark zurückgegangen", erklärt der Geschäftsführer des Branchenverbands ZVEI, Wolfgang Weber, auf der Webseite Produktion.de.

Zwischenzeitlich hatten sich die Halbleiterhersteller zudem umorientiert und ihre Chips an andere Industrien geliefert. Vor allem die Consumerelektronik und die Telekommunikationsbranche waren und sind dankbare Abnehmer. Dann allerdings ging es mit der Autoproduktion unerwartet schnell wieder aufwärts. Das galt sowohl für Europa als auch - in einem noch stärkeren Maß - für China.

Das Problem: Die Produktion von Halbleitern dauert lang. Nach Angaben des größten Herstellers im Automotive-Chip-Markt Infineon könne es bis zu 130 Tage dauern, um einen Chip herzustellen. Schneller seien die bis zu 800 Prozessschritte nicht zu schaffen. Wer also nicht rechtzeitig nachbestellt hat, sitzt jetzt auf dem Trockenen: „Manche Kunden haben zu spät bestellt. Daher kommen wir jetzt in einigen Bereichen mit der Lieferung nicht hinterher“, sagte Kurt Sievers, Chef des Chipkonzerns NXP, kürzlich dem Handelsblatt.

Auch ein Ausweichen auf andere Hersteller ist nicht so ohne Weiteres möglich. So steht einer der größten Auftragsfertiger, SMIC aus Schanghai, wegen der US-Sanktionen für westliche Autobauer komplett aus. Stattdessen lassen viele europäische Konzerne in Taiwan bei TSMC fertigen. Doch auch das scheint keine sichere Bank für die Zukunft zu sein. Denn die Spannungen zwischen China und Taiwan nehmen zu. Ein möglicher Militärschlag könnte die weltweite Chip-Versorgung noch stärker treffen als die Pandemie.

Doch die Lieferengpässe ausschließlich auf Corona zu schieben greift zu kurz: Nach dem Allzeithoch 2018 gingen die Verkaufszahlen der Halbleiterhersteller recht drastisch zurück. Auch im größten Nachfragerland China schrumpfte die Kauflust - die weltweite Konjunkturtrübung sorgte für den Rückgang. Ganz ohne Corona.

Dabei ist das Phänomen des Halbleitermangels nicht neu. Auch nach der Finanzkrise 2008/2009 kam es nach dem Wiederanlaufen der Autoproduktion zu einer Knappheit der Chips.

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