Smart warehouse management system using augmented reality technology to identify package picking and delivery . Future concept of supply chain and logistic busines

KI in der Lieferkette braucht das kritische Denken von Menschen. (Bild: Alex Pios - stock.adobe.com)

Für den täglichen Betrieb im Supply-Chain-Management zeichnet sich ab, dass das, was automatisiert werden kann, auch automatisiert werden wird. Im Kontext automatisierter Entscheidungsfindung sind dafür meist zwei verschiedenen Szenarien zu betrachten: Im ersten Fall richtet sich die KI nach klar definierten Regeln und verfügbaren Informationen, um zu beurteilen, ob bestimmte Bedingungen erfüllt sind, die die Entscheidung rechtfertigen.

Diese bilden auch die begrenzenden Faktoren im Szenario. Das zweite Szenario bildet komplexere und vielfältigere Situationen ab, die dann eine Rolle spielen, wenn ausreichend (historische) Trainingsdaten zur Verfügung gestellt wurden, damit ein System intrinsische Muster und Verhaltensweisen erlernen kann, die nicht direkt in Regeln übersetzbar sind. Die Einschränkungen liegen hier in den Trainingsdaten und der Modellverfügbarkeit.

Das gemeinsame Element ist die Wiederholbarkeit gegenüber einer Regel oder einer historischen Situation. Wenn beides nicht verfügbar ist, ist dies ein klarer Fall für menschliche Entscheidungsfindung – insbesondere, wenn viele verschiedene Zusammenhänge oder Einflussfaktoren gegen eine strategische Ausrichtung abgewogen werden müssen.

Caroline Monfrais
(Bild: Wipro)

Die Autorin: Caroline Monfrais

Caroline Monfrais leitet das Beratungsgeschäft von Wipro in Europa. Bevor sie zu Wipro kam, war sie als Chief Strategy Officer & Market Innovation Leader EMEA für FTI Consulting tätig. Über die Unternehmensgrenzen hinaus engagiert sie sich für KI als Treiber positiver Veränderungen sowie für #TechForGood. Außerdem wirkt sie an der strategischen Agenda des Weltwirtschaftsforums mit.

Caroline Monfrais hat einen Master-Abschluss der ISC Paris, eine Maîtrise in Philosophie & Ethik der Sorbonne in Paris und absolvierte das Führungskräfteprogramm Artificial Intelligence Business Strategy am MIT. Sie lebt und arbeitet in London.

Die Balance zwischen menschlicher und automatisierter Entscheidung

In naher Zukunft wird sich der Fokus menschlicher Aufmerksamkeit auf Entscheidungen verlagern, die einen hohen Wert und eine hohe Komplexität aufweisen. Ein Beispiel dafür sind komplexe Nachfragemanagement- und Beschaffungsstrategien innerhalb einer stark begrenzten Ressource wie beispielsweise Leiterplatten-Baugruppen (PCBAs). In Verbindung mit sich ändernden regulatorischen, Zoll- oder Nachhaltigkeitsvorschriften ergeben sich zahlreiche Variablen für Category Manager. Für diese Szenarien würde die KI eine Rolle als unterstützender Agent in der Entscheidungsfindung übernehmen, indem sie dem menschlichen Entscheidungsträger Informations- und Bewertungskapazitäten bereitstellt.

Am anderen Ende des Spektrums stehen Transaktions-Entscheidungen mit hohen Volumina, die für den Menschen alleine kaum zu bewältigen sind. Hierfür bietet sich der Begriff „Mikro-Entscheidung“ an: Das sind solche, die nur wenig oder keine Aufsicht erfordern, vorausgesetzt, der Kontext und die Grenzen sind ausreichend definiert. Ein Beispiel wäre das Buchen einer Lieferantenrechnung gegen einen Auftrag oder das Erstellen einer Kaufanfrage basierend auf einem etablierten Geschäftsbedarfsauslöser wie MRP.

Co-Piloting entlang der Lieferkette

Unter Verwendung des Pareto-Ansatzes (dem 80-20 Prinzip) wird der Mensch je nach Szenario zu einer Aufgabenteilung mit der KI kommen, bei der idealerweise die KI 80 Prozent des hochvolumigen, niedrigkomplexen Spektrums abdeckt und die handelnde Person die oberen 20 Prozent bearbeitet. Der Mensch wird dadurch zum Co-Piloten innerhalb eines weitgehend automatisierten Betriebs. Der Großteil der 20 % der vom Menschen getroffenen Entscheidungen wird sich aus zwei Segmenten zusammensetzen: Erhebliche Abweichungen und Ausnahmen bezüglich der genannten Grenzen oder ungeplante einschneidende Ereignisse – wie plötzliche Lieferkettenunterbrechungen oder unerwartete Qualitätsvorfälle. Diese Ausnahmen eignen sich für ein vom Menschen geführtes Krisenmanagement, unterstützt durch KI.

Ein konkretes Beispiel wäre ein Qualitätsproblem: KI kann dazu beitragen, den Kontext zu definieren, Abgrenzungen vorzunehmen und mögliche Abhilfemaßnahmen wie Produktrückrufe zu evaluieren. Die menschliche Führungsperson nutzt dann diese Analyse, um einen Gesamtaktionsplan zu formulieren. Dieser wird wiederum von KI-Agenten ausgeführt, die die relevanten Lieferanten kontaktieren, Kommunikation managen, den Status aktualisieren und möglicherweise auch bei der Überprüfung und Aktualisierung von Qualitätskontrollrichtlinien für zukünftige Verbesserungen helfen.

Anwendungsfälle für KI und Mensch

Die KI ist zunehmend in der Lage, Unsicherheit innerhalb einer festgelegten Grenze zu bewältigen, indem sie Muster in großen Mengen von Informationen findet und diese nutzt, um komplexe Kausalitätsabhängigkeiten zu handhaben. Sie arbeitet jedoch immer nur so gut, wie sie trainiert wurde.

Um eine Vorhersage zur Genauigkeit der Produktionsplanung auf Stücklisten-Ebene durchzuführen, ist eine Analyse von Millionen kleiner Datenpunkte in Orchestrierung notwendig. Bei der Parallelverarbeitung und der ausgeführten Volumenhandhabung sind Maschinen im Vorteil. Ein solches Volumen ist vom Menschen händisch nicht leistbar. Im Vergleich dazu hat der Mensch jedoch die Fähigkeit, einen „Gesamtüberblick“ zu bewahren und anhand von Gesamtwerten und der strategischen Ausrichtung fundierte Entscheidungen auf der Grundlage oft unvollständiger Informationen zu treffen. Dies ermöglicht es uns Menschen, chaotischer verteilte Variablen und Systeme zu managen. Allerdings müssen dabei auch menschliche Einschränkungen wie z.B. Bestätigungsfehler überwunden werden.

Letztendlich kommt es darauf an, einen klaren Satz von Werten gemeinsam mit einer etablierten Governance zu definieren, um diese zu verwalten. Schlüsselaspekte, die in einem Supply-Chain-Kontext berücksichtigt werden sollten, sind verantwortungsvoller Betrieb, Nachhaltigkeit, ethische Entscheidungsfindung und eine allgemeine Transparenz und Nachvollziehbarkeit.

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