Zwei Feuerwehrmänner halten einen Wasserschlauch, um ein Feuer zu löschen

Planvoll handeln statt Feuer löschen: Einkäufer sollten bei den aktuellen Materialengpässen einige Dinge beachten. (Bild: Olivier Rapin - stock.adobe.com)

„Keine Zeit“ – das ist die häufigste Antwort, die man momentan zu hören bekommt, wenn man versucht, jemanden im Einkauf zu erreichen. Einige ergänzen vielleicht noch: „Wir jagen nur noch Teile“ oder „Unsere Fertigung steht kurz vor dem Stillstand“ – die Aussagen sind aber beliebig austauschbar und meinen doch alle das Gleiche: „Wir sind operativ im Feuerwehreinsatz.“

Ja, es ist unbestritten, dass die Versorgungssituation momentan angespannt ist. Es fehlt an Stahl, Kunststoff, Holz und insbesondere an Elektronikbauteilen.

Aber wenn wir ehrlich sind, so ist uns die Situation nicht ganz unbekannt. Auch nach der Lehman-Finanzkrise waren in den Jahren 2010/2011 die Materialien knapp. Auch damals stieg der Stahlpreis im Durchschnitt um mehr als 20 Prozent. Aber schlussendlich hatte sich alles wieder beruhigt. Die Versorgung mit Materialien stellte mittelfristig keinen Engpass mehr dar und die Preise fielen wieder. Sollte somit die Schlussfolgerung für unsere jetzige Zeit daraus sein: „Haltet durch, es wird alles wieder gut“.

Ich glaube, dass Durchhalte-Parolen dieses Mal jedoch nicht reichen und führe es im Wesentlichen auf drei Punkte zurück:

  • Durch die stetig zugenommene Globalisierung wirken sich Störungen, die irgendwo auf der Welt passieren, viel stärker aus, als noch vor einigen Jahren. Die festgefahrene Ever Given im Suezkanal oder der starke Wintereinbruch in Texas sind nur Beispiele dafür.
  • Die chinesische Wirtschaft ist in den letzten zehn Jahren um insgesamt 93 Prozent gewachsen. Die Wirtschaftsleistung hat sich quasi verdoppelt und macht fast jetzt ein Fünftel des weltweiten Bruttoinlandsproduktes aus. Somit ist das Reich der Mitte nicht mehr die verlängerte Werkbank des Westens, sondern ein vielmehr ein Konkurrent um Rohstoffe. Dies haben viele von uns noch nicht realisiert.
  • Der Zug der Digitalisierung rollt und verlangt nach mehr und mehr Elektronikkomponenten. Wir wollen privat wie beruflich die vernetzte Welt und es wird noch Jahre dauern, bis die Nachfrage wieder abflacht (wenn überhaupt).

Diese Gründe sagen mir, dass der bisherige Ansatz im Einkauf des operativen Feuerwehreinsatzes mit Telefonaten und Krisenmeetings auf Dauer nicht sinnvoll und auch nicht durchhaltbar ist. Vielmehr sollten jetzt die Überlegungen gestartet werden, wie Sie der Situation strukturell begegnen können. Hierfür auch drei Denkanstöße:

  • Zusammenarbeit mit Lieferanten: Jeden Tag den Lieferanten aufs Neue fragen, wann er liefert, ist zu kurz gesprungen. Vielmehr sollte mit dem Lieferanten der Sache auf den Grund gegangen werden, warum er nicht liefern kann. Ist es die fehlende Kapitaldecke zur Vorfinanzierung seiner Bedarfe? Bekommt er auch keine Aussage von seinen Vorlieferanten? Braucht dieser Sublieferant einen rechtlich bindenden Rahmenvertrag von Ihrem Lieferanten, der auch bisher keinen Vertrag von Ihnen hat. Wir sollten stärker in Lieferketten denken und die Beteiligten an einen Tisch holen. Warum nicht einen Rahmenvertrag entlang der Kette mit drei oder vier Wertschöpfungspartnern schließen statt nur bilateral verhandeln.
  • Flexible Preisgestaltung: Keiner weiß, wo sich der Preis hin entwickeln wird. Alle verlangen aber vom Lieferanten eine Fixierung, obwohl dieser keinen Einfluss hat auf das Preisniveau in den nächsten Monaten. Die Konsequenz daraus ist, dass sich aufgrund des Preisgeschachers die Sicherstellung der Versorgung über Wochen zieht. Warum nicht Preise mittels Preisgleitklauseln und Indexkoppelung festlegen. Somit muss keiner Angst haben, zu viel Risiko zu tragen für etwas, was nicht in seiner Macht steht.
  • Lagerhaltung erhöhen: Wenn die Verzinsung momentan kaum noch Geld bringt, dann macht der Gedanke eines Lagers mit niedrigen Beständen wenig Sinn. Der gesparte Opportunitätszins ist nichts im Vergleich zum entgangenen Gewinn aus fehlendem Umsatz. Eigentümergeführte Unternehmen haben dies meist besser verinnerlicht als Kapitalgesellschaften. Also lieber den Lagerbestand erhöhen und kein Aktienrückkaufprogramm starten, damit immer wiederkehrende Durststrecken souveräner durchgestanden werden können.

Ich glaube, dass wir uns am Anfang einer neuen Wirtschaftsdekade des dauerhaften Mangels befinden. Vielleicht war Corona der Auslöser. Entscheidend ist nun, dass jeder seine Rückschlüsse daraus zieht und handelt gemäß dem Motto „If you don’t attack the risks, they will attack you“.

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