Edgar Endlein und Christian Kindermann von Werner & Mertz (von links nach rechts).(Bild: Sandra Hauer)
Edgar Endlein und Christian Kindermann von Werner & Mertz verraten, wie Kreislaufwirtschaft auf Produktdesign und Lieferantenauswahl wirkt und wie Nachhaltigkeit bezahlbar bleibt.
Anzeige
Dr. Edgar Endlein und Christian Kindermann vom Ökopionier Werner & Mertz (Frosch) zeigen, welchen Einfluss Kreislaufwirtschaft auf Produktdesign und Lieferantenauswahl hat und wie Nachhaltigkeit bezahlbar bleibt. Entscheidend sind Konsequenz, Dialogfähigkeit und Detailarbeit.
TECHNIK+EINKAUF: Herr Dr. Endlein, Werner & Mertz produziert biologisch abbaubare Reinigungsmittel und nachhaltige Verpackungen. Inwiefern spiegelt sich das in Ihrer Organisation wider?
Anzeige
Edgar Endlein: Zwei Entwicklungsteams widmen sich den Rezepturen und Verpackungen. Unsere Produktsicherheit kümmert sich um die Einhaltung der regulatorischen Anforderungen. Darüber hinaus leisten wir uns ein Innovationsteam für nachhaltigkeitsorientierte Grundlagenentwicklungen. Die Entwicklungsteams haben außerdem eine direkte Verbindung zum Einkauf und den dortigen Rohstoff- und Verpackungsexperten.
Die Marke Frosch gilt unter anderem bei der Verwendung von Rezyklaten als Pionier.
Endlein: Für Werner & Mertz steht Kreislaufwirtschaft über allem. Zirkularität ist quasi unsere Verfassung, bildet die Grundlage allen Handelns und ist nicht zu diskutieren.
Anzeige
Auf was muss der Einkauf für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft achten?
Christian Kindermann: Für die kontinuierliche Sicherstellung der Kreislaufwirtschaft bildet die frühzeitige Abstimmung zwischen Einkauf, Lieferanten und Entwicklung die Basis. Nur wenn wir beispielsweise Verpackungen so designen, dass sie über den Gelben Sack auch wieder wirtschaftlich recycelt werden können, können wir den Kreislauf schließen.
Endlein: Wenn Nachhaltigkeit nicht über allem steht, ist die potenzielle Basis an Rohstoffen sehr, sehr groß. Je wichtiger Nachhaltigkeit wird, desto eingeschränkter wird die Auswahl, desto genauer muss man hinschauen. Richtig gefordert ist man, wenn man im Kontext der Nachhaltigkeit Neues entwickeln will und mit den im Markt verfügbaren Angeboten an Rohstoffen nicht zufrieden ist. Dann betritt man mit Lieferanten Neuland.
Endlein: Mit einem Produkt, das im Handel circa zwei Euro kosten darf, ist ein enormer Kostendruck verbunden. Wir besprechen mit Lieferanten Ideen, die es so auf Markt noch nicht gibt. Das ist in unserer Branche eher selten und geht nur, wenn der Einkauf den Prozess von Anfang an eng begleitet. Wir brauchen Innovationen, die mehrheitsfähig sind und preislich angenommen werden. Das ist das Spannungsfeld. Einerseits sind wir Getriebene in Sachen Nachhaltigkeit, andererseits muss sie bezahlbar bleiben.
Wie schaffen Sie das, wenn die Rohstoffe hierfür entwickelt werden müssen?
Kindermann: Wir haben langjährige, vertrauensvolle Lieferantenbeziehungen. Vertrauen bedeutet, dass man gemeinsam schaut, wie man ins Ziel kommt. Die Lieferanten wissen: Mit uns leisten sie Pionierarbeit, die schnell auf den Markt kommt. Und sie wissen: Das Produkt muss bezahlbar bleiben, weil wir große Mengen verkaufen.
Anzeige
Viele Hersteller scheuen den Gelben Sack als Rohstoffquelle. Warum haben Sie es sich zugetraut?
Endlein: Uns ging es von Anfang an um den Gelben Sack und nicht um irgendein Rezyklat, denn die Quelle zählt. Auch wenn wir im ersten Schritt für unsere PET-Flaschen Rezyklat aus dem Pfandflaschen-Recyclingsystem eingesetzt haben, haben wir ab 2014 den Anteil an Rezyklat aus dem Gelben Sack sehr schnell zunächst auf 20 und bis heute auf 75 Prozent erhöht. Parallel dazu haben wir unsere pflanzlichen Tenside weiterentwickelt. Denn auch hier zählt im Sinne der Nachhaltigkeit nicht die nichtfossile Basis, sondern die genaue Quelle. Vor 15 Jahren haben wir deshalb begonnen, Öle aus tropischen Regionen durch Alternativen aus Europa zu ersetzen. Weil Öle in ihren Eigenschaften aber nicht vergleichbar sind, war das eine Herausforderung. Auch diese Rohstoffe haben namhafte Lieferanten mit uns entwickelt.
(Bild: Sabine Hauer)
Vita Edgar Endlein
Edgar Endlein leitet für Werner & Mertz den Bereich Forschung und Entwicklung. Davor hatte der promovierte Chemiker verschiedene Führungspositionen bei BASF, Symrise und Reckitt Benckiser inne. Edgar Endlein ist in seiner Funktion bei Werner & Mertz zudem Mitglied der Geschäftsführung
Was motiviert Lieferanten zu dieser anspruchsvollen Zusammenarbeit?
Anzeige
Kindermann: Wir nehmen attraktive Mengen ab und wir sind bekannt dafür, dass wir Dinge durchsetzen. Die Skaleneffekte sind wichtig, wenn man am Markt signifikant agieren und etwas erreichen will.
Endlein: Gleichzeitig glauben wir an Open Innovation. Wir melden sehr viele Patente an, laden aber ein, unsere Innovationen anzunehmen, weil Nachhaltigkeit nur dann bezahlbar wird, wenn alle mitmachen und in die entsprechenden Anlagen investiert wird.
Was ist für eine nachhaltige Lieferkette ausschlaggebend?
Anzeige
Kindermann: Zum einen sourcen wir sehr stark lokal in Europa. Zum anderen ist es für den Einkauf entscheidend, dass wir früh eingebunden sind, damit wir nachhaltige Projekte schnell, kostenoptimal und effizient umsetzen können. Deshalb sind auch unsere Entscheidungswege kurz. Diese Agilität unterscheidet uns von Wettbewerbern und lässt uns nachhaltige Themen schneller umsetzen. Das erwarten wir genauso von unseren Partnern.
Welchen Einfluss hat Ihre Unternehmensphilosophie?
Endlein: Als inhabergeführtes Familienunternehmen haben wir uns der Nachhaltigkeit verpflichtet. Im Mittelpunkt all unseres Tuns stehen nachhaltigkeitsorientierte Innovationen. Dieses Bekenntnis lebt Reinhard Schneider als Inhaber vor. Von der Organisation wird die Umsetzung gefordert und auch gefördert: Wir investieren viel, da Innovationen erstmal Geld kosten. Und hinter all dem stehen eine starke Marke und eine Käuferschaft, die den Wert hinter dieser Marke versteht.
Was bedeutet das für wirtschaftliche Entscheidungen im Einkauf?
Kindermann: Wir wollen nicht den günstigsten, aber den bestmöglichen Preis für die Qualität, die wir fordern. Wir schauen sehr genau darauf, was ein Lieferant bietet. Bietet eine Innovation Kunden einen hohen Mehrwert, sind wir in einem gewissen Rahmen bereit dafür mehr zu zahlen. Unser Ziel ist es, eine nachhaltige Lebensweise mehrheitsfähig zu machen. Deshalb müssen die Produkte preislich so interessant bleiben, dass wir sie am Massenmarkt verkaufen können.
Endlein: Die Botschaft ist: Wir können nur gemeinsam gewinnen. So haben wir auch Krisen, in denen Rohstoff- und Energiepreise durch die Decke gingen, gemeinsam durchgestanden.
Christian Kindermann leitet den Einkauf von Werner & Mertz seit 2024. In das Familienunternehmen brachte der Betriebswirt Fach- und Führungserfahrung aus Procurement-Teams der Automobilindustrie (Audi, Lotus) und der Konsumgüterindustrie (Henkel) mit. Christian Kindermann studierte in Mannheim, Seoul, Rotterdam und Atlanta.
Hat sich Ihre Lieferkette als resilient erwiesen?
Kindermann: Die harten Jahre der Lieferkrise haben wir geschafft, weil wir intensiv zusammengearbeitet haben. Fällt ein Rohstoff aus, geht es um die Frage, wie man die Alternative so schnell wie möglich in der gleichen oder besseren Qualität zum akzeptablen Preis zum Kunden bekommt. Für die Zukunft sehen wir die Liefersituation positiver, beobachten aber gleichzeitig sehr genau die geopolitischen Entwicklungen, die gerade stattfinden.
Inwiefern haben Sie Ihr Vorgehen angepasst?
Kindermann: Wir prüfen mehr, wo haben wir eine Single Source, wo sollten wir Zweitwerke oder Zweitlieferanten qualifizieren. Wir sprechen mit Lieferanten über Risikomaßnahmen, fragen nach Produktionsalternativen bei Ausfällen.
Die Qualität der Rezyklate aus dem Gelben Sack ist eine Herausforderung. Wie bekommen Sie die Schwankungen in den Griff?
Endlein: Seit Jahren sehen wir, dass Qualität und Verfügbarkeit immer besser werden. Gemeinsam mit unseren Lieferanten haben wir inzwischen ein hohes Qualitätsniveau erreicht. Nicht nur bei PET, sondern auch bei PP und HDPE erhalten wir inzwischen sehr gute Qualitäten. Unsere Verpackungsentwickler verstehen die gesamte Wertschöpfungskette, wissen zum Beispiel, wo die Sortieranlagen stehen und wie sie funktionieren. Und die Maschinen unseres Lieferanten ALPLA zur Herstellung der Flaschen stehen sogar in unserem eigenen Werk.
Kindermann: Der Prozess startet beim Sammeln und Sortieren, geht über Waschen zur Extrusion der Pellets, bis zur Herstellung der sogenannten PET-Preforms und letztlich der Flaschen. Wir steigen sehr früh in die Lieferkette ein, um zu verstehen, wo die Materialien herkommen und analysieren die Inputmaterialien regelmäßig.
Warum ist der Qualitätsprozess so wichtig? Wo liegen die Probleme genau?
Endlein: Weil beim Design von Verpackungen, die im Gelben Sack landen, oft nicht im Kreislauf gedacht wird. Die Verpackungsbranche hat zum Beispiel den Laminatbeutel hervorgebracht. Laminat ist mechanisch praktisch nicht zu recyceln. All diese Multikomponenten-Kunststoffe machen uns als Endabnehmer von Rezyklat das Leben schwer, weil sie nicht wieder verwertbar sind. Wir selbst setzen fast nur noch ungefärbtes Monomaterial ein, etwa bei unseren Nachfüllbeuteln, um das spätere Recycling so einfach und effizient wie möglich zu machen.
Kindermann: Dazu kommen saisonale Effekte. Eine Fußball-WM erzeugt einen anderen Stoffstrom als Weihnachten. Vieles landet im System, das dort nicht hineingehört und aufwendig aussortiert werden muss. Bei Kunststoffen können schon kleine Fehlsortierungen große Auswirkungen auf die Qualität haben. Auch unsere Lieferanten mussten die hohen Qualitätsansprüche unserer Kunden erst verstehen.
Ist Nachhaltigkeit vor allem Qualitätssicherung?
Kindermann: Für uns ist Qualität die beste Nachhaltigkeit, weil der Kunde sie sieht. Er erwirbt ein hochwertiges Produkt, fühlt sich gut damit, weil es sauber und im Kreislauf hergestellt ist. Am Ende wirft er die Flasche nicht nur in den Gelben Sack, sondern weiß, dass sie in den Kreislauf zurückgeführt wird. Qualität ist für uns genauso wichtig wie der Aspekt der Nachhaltigkeit.
Endlein: Unsere Kunden sollen nicht das Gefühl bekommen, auf dem Altar der Nachhaltigkeit ein Qualitätsopfer leisten zu müssen. Es ist kein Widerspruch, ein qualitativ hochwertiges Produkt anzubieten, das auf nachvollziehbaren Nachhaltigkeitsaspekten beruht. Die Herausforderung ist zu meistern. Das beweisen wir immer wieder aufs Neue. Aber es braucht eine hohe Achtsamkeit. Unsere Aufmerksamkeit bezüglich der Produktqualität ist extrem hoch. Und das sieht man unseren Produkten auch an.
Für Nachhaltigkeit gibt es viele Prüfsiegel und ESG-Plattformen. Welchen Nachweisen vertrauen Sie wirklich? Oder prüfen Sie alles nach?
Endlein: Für uns sind objektive Prüfkriterien entscheidend. Die Berechnung von Nachhaltigkeits-Kennzahlen mit Sekundärdaten sehen wir zum Beispiel eher kritisch. Oft sind die Daten nicht aktuell, es ist nicht klar, unter welchen Bedingungen sie erhoben wurden oder es fehlt die Vergleichbarkeit. Wenn wir Zertifikate zur Beurteilung heran ziehen, beschäftigen wir uns intensiv mit den Inhalten und wollen die Ergebnisse sauber nachvollziehen können.
Kindermann: Für uns sind objektive Prüfkriterien entscheidend. Die Berechnung von Nachhaltigkeits-Kennzahlen mit Sekundärdaten sehen wir zum Beispiel eher kritisch. Oft sind die Daten nicht aktuell, es ist nicht klar, unter welchen Bedingungen sie erhoben wurden oder es fehlt die Vergleichbarkeit. Wenn wir Zertifikate zur Beurteilung heran ziehen, beschäftigen wir uns intensiv mit den Inhalten und wollen die Ergebnisse sauber nachvollziehen können.
Das Unternehmen: Werner & Mertz
Als Anbieter von Reinigungs-, Pflege- und Waschmitteln ist das Familienunternehmen Werner & Mertz bekannt für die Marken Frosch, Erdal, Emsal und Green Care Professional. Zentrales Anliegen ist die Förderung einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft. Das Unternehmen beschäftigt europaweit über 1.100 Mitarbeitende. Produziert wird am Hauptsitz in Mainz und in Hallein bei Salzburg.
Immer informiert mit den Newsletter von TECHNIK+EINKAUF
Hat Ihnen gefallen, was Sie gerade gelesen haben? Dann abonnieren Sie unseren Newsletter. Zwei Mal pro Woche halten wir Sie auf dem Laufenden über Neuigkeiten, Trends und Wissen rund um den technischen Einkauf - kostenlos!