
Stromspeicher sollen die (teuren) Stromspitzen (Bild: Tesvolt)
Weniger Kraftwerke, mehr dezentrale Erzeugung. Weniger CO2-Ausstoß, mehr Unabhängigkeit – für den Wirtschaftsstandort Deutschland, wie für jeden Einzelnen. Ein Schlüssel dazu ist Strom aus Solarenergie und Windkraft. Die Crux dabei: Sonne und Wind gibt es nicht auf Bestellung, Strom ist eine eher flüchtige physikalische Erscheinung und die Anpassung der Netzinfrastruktur braucht Zeit. Eine Lösung, die schon jetzt funktioniert: intelligente Batteriespeicher.
Gewerbespeicher holen auf
„Der Trend zu Heimspeichern begann 2013 mit einem Förderprogramm der Bundesregierung und sie stellen nach wie vor die mit Abstand größte Kapazität. Gewerbe- und Großspeicher holen jedoch mittlerweile rasant auf“, beobachtet Jonas van Ouwerkerk, Abteilungsleiter Netzintegration von Batterien und Speichersystemanalyse am ISEA der RWTH Aachen. Die RWTH-Institute ISEA und PGS werten das Marktstammdatenregister (MaStR) der Bundesnetzagentur in ihren "Battery Charts" aus. Unterschieden wird dort zwischen Heimspeichern bis 30 kWh, Gewerbespeichern von 30 bis 1.000 kWh und Großspeichern ab 1.000 kWh. „Wir sehen bei den Batteriespeichern definitiv gerade einen Boom“, berichtet er.
Ein „eher unterschätzter Bereich“ sei bislang die Größenklasse der Gewerbespeicher, so van Ouwerkerk. „Ich denke, es muss sich erst noch durchsetzen in den Köpfen, welche Optionen ein eigener Speicher bietet. Die höheren Energiepreise im Zuge des Angriffskrieges auf die Ukraine haben jedoch bei vielen Unternehmen dazu geführt, sich intensiver mit dem Thema auseinander zu setzen“, ist seine Beobachtung.
Günstige Lithium-Zellen aus China
Hohe Energiekosten treffen seit geraumer Zeit auf einen Überschuss an Lithium-Zellen, die ursprünglich für den Automobil-Sektor gedacht waren. Ein Großteil dieser Zellen stammt aus China. Der Absatz von E-Autos entwickelt sich jedoch nicht wie erwartet. In der Folge produzieren chinesischen Hersteller deutlich mehr, als der Markt nachfragt und diese Nachfrage werde exportiert, so Wolfgang Bernhart, Partner bei Roland Berger: „Das führt weltweit zu fallenden Preisen, die allerdings nicht auf Dauer so niedrig bleiben können. Schon jetzt arbeiten manche der Zulieferer und Produzenten in China nicht mehr kostendeckend.“
Herstellern von Batteriespeicher-Systemen (BESS) kommt das entgegen. Viele hatten für ihre stationären Speicher ursprünglich mit den etwas trägeren, dafür günstigeren LFP-Zellen (Lithium-Eisen-Phosphat) geplant oder mit einem ‚Second Life‘ für ausgemusterte Batterien aus E-Autos. Für diese hochperformanten NMC-Zellen (Nickel-Mangan-Cobalt) endet ihre automobile Lebensphase in der Regel, wenn die Kapazität unter 80 Prozent sinkt. Wegen der Produktionsüberschüsse beginnt nun bereits ihr First Life in stationären Batterien.
So auch bei Voltfang aus Aachen: „Wir setzen bei unseren Speichersystemen auf Elektroautobatterien aus der europäischen Autoindustrie. Nach heutigem Standard sind dies Lithium-Ionen-Batterien (NMC). Zurzeit verwenden wir sowohl 2nd- als auch New-Life-Batterien, das heißt vor allem überproduzierte Batterien, bezogen von Automobilherstellern“, berichtet Dr. Börge Wessling, Vice President Sales und Marketing bei Voltfang. Die intelligenten Batteriespeichersysteme der Aachener sind für Behind-the-Meter-Anwendungen in Industrie und Gewerbe, aber auch für netzdienliche Einsätze und Trading auf der Netzseite des Stromzählers konzipiert.
Flexibilität senkt den Strompreis
Behind-the-Meter ermöglichen Batteriespeicher die lokale Speicherung von überschüssigem Solarstrom aus Photovoltaikanlagen (PV) und steigern so den Eigenverbrauch. Außerdem bieten sie die Option teure Lastspitzen abzufangen. Liegt der Jahresverbrauch über 100.000 kWh, berechnet sich der Leistungspreis für den Strombezug basierend auf den höchsten 15-Minuten-Verbrauchsintervallen. „Ein Batteriespeicher kann den Strombedarf in Spitzenzeiten abfangen, sodass der Leistungspreis für das gesamte Jahr sinkt“, erklärt Wessling.
Vorteile bieten Batteriespeicher auch bei der Nutzung der neuen dynamischen Stromtarife. Energieversorger müssen solche Tarife seit 2025 flächendeckend anbieten. Für teilnehmende Stromkunden, folgt ihr jeweiliger Strompreis den an der Strombörse aufgerufenen Preisen. Lukrativ ist das jedoch nur wenn es gelingt, den eigenen Strombezug aus dem Netz mit dem gerade herrschenden Stromangebot weitgehend in Deckung zu bringen. BESS sorgen hier für die nötige Flexibilität und sichern gleichzeitig die Stromversorgung der Produktionsprozesse.
Eigenverbrauchsoptimierung, Lastspitzenkappung und dynamische Strompreise sind für Industrie-Anwender häufig die entscheidenden Punkte für eine Investition in Batteriespeicher. „Darüber hinaus machen sich Industriekunden Batteriespeicher für den Ausbau ihrer Elektrifizierung von Prozessen und zur Einbindung von Ladeinfrastruktur zu Nutze“, ist Wesslings Erfahrung.
Front-of-the-Meter vs. Behind-the-Meter
Auch Tesvolt bietet Batteriespeichersysteme für Behind- und Front-of-the-Meter-Anwendungen an. Front-of-the-Meter bedeutet Regeldienstleistungen oder Handel am Strommarkt. Auf die steigende Nachfrage nach letzterem reagierte das Unternehmen aus Lutherstadt Wittenberg Anfang 2025 mit seiner Ausgründung Tesvolt Energy. Das Start-up will Strom-Trading bereits ab einer Batteriespeichergröße von 100 Wh ermöglichen. „Batteriespeicher dieser Größenordnung waren bislang vom Energiehandel ausgeschlossen oder konnten nur zu weniger lukrativen Bedingungen daran teilnehmen“, berichtet Sebastian Kratz, Geschäftsführer von Tesvolt Energy.
Batteriespeicher für Arbitrage-Geschäfte rechnen sich in der Regel ohne staatliche Zuschüsse. Sie laden, wenn aufgrund eines Stromüberangebots im Netz der Strompreis niedrig ist, und lassen den gespeicherten Strom dann wieder zurückfließen, wenn der Bedarf die Erzeugung übersteigt und die aufgerufenen Preise entsprechend höher sind. „Um die Schwankungen durch erneuerbare Energieerzeugung auszugleichen, braucht unser Stromnetz jede Pufferleistung, die verfügbar ist. Industrieunternehmen haben ein enormes Potenzial, mit eigenen Batteriespeichern die dringend benötigten Flexibilitäten einzubringen“, denkt Kratz.
Tesvolt Energy will Batteriespeicher im Größenbereich von 100 kWh bis hin zu 10 MWh in einem Pool bündeln. Viele Speicher bilden so im Verbund ein virtuelles Kraftwerk. Für andere Anwendungen fallen Pool-Batterien jedoch aus. „Solche Speicher sind reine Investmentprodukte, die nur zum Traden eingesetzt werden. Sie benötigen lediglich einen Netzanschlusspunkt, eine eigene PV-Anlage ist nicht erforderlich. Der Energiehandel mit Gewerbespeichern ist eine kleine Revolution, die den Markt verändern wird“, prognostiziert er.


Unter dem Strich brauchen wir eher mehr intelligente Batteriespeicher als weniger.
Intelligente BESS gleichen Schwankungen aus
Regulatorische Erleichterung in Sachen Batteriespeicher schafft das Ende Februar 2025 in Kraft getretene Solarspitzen-Gesetz. Es erlaubt eine Überbauung von Netzanschlüssen: Im Rahmen flexibler Netzanschlussvereinbarungen können nun beispielsweise Batteriespeicher und PV-Anlage auch dann an einem gemeinsamen Netzanschlusspunkt angeschlossen werden, wenn die installierte Leistung in Summe die Netzanschlusskapazität eigentlich überschreitet. Im Sinne des Gesetzes sollte das Stromnetz dadurch jedoch nicht zusätzlich belastet werden, sondern entlastet. Das funktioniert besonders gut bei intelligent gesteuerten BESS, die prognosebasiert arbeiten.
Überhaupt dürfte das Verhalten im Netz künftig zur Gretchenfrage werden wenn es darum geht, wieviel Batteriespeicherkapazität unser Stromnetz braucht, wieviel es verträgt und ab welchem Punkt der Zubau stärker reguliert werden muss. „Der Knackpunkt ist letztlich, ob Batteriespeicher intelligent und netzdienlich betrieben werden“, sagt Jonas van Ouwerkerk. Sprich: Tragen sie dazu bei, Schwankungen auszugleichen und die Netzfrequenz bei 50 Hz stabil zu halten. „Glätten Batteriespeicher Last- und Erzeugungsspitzen, kommt das einer stabilen Netzführung sehr entgegen. Unter dem Strich brauchen wir darum eher mehr intelligente Speicher als weniger“, betont er.
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