Am 5. August 2020 war es soweit: Der Preis für eine Feinunze Gold übersprang zum ersten Mal die psychologisch wichtige Marke von 2.000 US-Dollar. Dabei hatte sich das angekündigt: Bereits im Januar titelte der Tagesspiegel "Feinunze Gold in Euro so teuer wie nie". Da lag der Preis bei knapp 1.422 Euro (rund 1.588 US-Dollar).
Kurz vor dem Höhepunkt der Corona-Krise in Europa, Anfang März, nahm der Preis stramm Kurs auf die 1.700 US-Dollar. Einen kurzen Einbruch gab es durch die weltweit ersten Lockdowns durch die Corona-Pandemie Mitte März. Danach erholte sich der Preis wieder und durchbrach die 1.700er-Schallmauer im April. Seit Juni kennt er nur noch einen Weg: steil aufwärts.
Mittlerweile kostet Gold sogar mehr als im Jahr 2011, als der Goldkurs mit 1.914 US-Dollar ein damaliges Allzeithoch erklommen hatte. Damals kauften Investoren große Mengen der "Sicherheitswährung". Doch wer treibt den Goldpreis in der aktuellen Situation? Gibt es vielleicht Parallelen?
Nachfrage bricht ein - bis auf einen Sektor
Laut den Analysten von Commerzbank Research sorgte unter anderem der schwache US-Dollar für den nötigen Rückenwind. Die Währung wertete gegenüber dem Euro auf ein 2-Jahrestief ab. Nichtsdestotrotz: Die Nachfrage nach dem Rohstoff bleibt ungebrochen kletterte auf ein Rekordniveau. Diese wurde allerdings nur von einem Sektor befeuert, während die rein physische Nachfrage einen Tiefpunkt erreichte.
Traditionell gibt es fünf Nachfragetreiber für Gold:
- die Schmuckindustrie,
- Käufer von Barren und Münzen,
- Investoren (ETFs),
- Industrie,
- Zentralbanken.
Nach aktuellen Zahlen der weltweiten Lobby-Organisation World Gold Council, war die Nachfrage nach Gold im vergangenen Halbjahr untypisch für die Vergangenheit.
So kauften Zentralbanken mit 233 Tonnen Gold rund 39 Prozent weniger Gold als im Vorjahreshalbjahr. Auch die Nachfrage nach Gold für die Schmuckindustrie brach um die Hälfte ein. Nur noch 572 Tonnen wurden eingekauft. Auch physische Goldbarren und -münzen standen nicht auf der Einkaufsliste.
Ihr Einkaufsvolumen fiel um 17 Prozent auf 396,7 Tonnen bezogen auf den Zeitraum Januar bis Juni im Vergleich zu 2019. Zu guter Letzt sank auch - erwartbarerweise - das Einkaufsvolumen der Industrie. Waren es im ersten Halbjahr 2019 von 160 Tonnen, gingen im selben Zeitraum 2020 nur noch 139,88 Tonnen auf die Reise in die Produktionshallen. Hohe Preise, Produktionsstopps und coronabedingte Lieferausfälle taten ihr Übriges dazu.
Einen Run erlebten stattdessen Gold-ETFs. Das sind Wertpapiere, die den Goldkurs abbilden. Investoren kaufen sie, statt sich physische Goldbarren in den Tresor zu legen. Allein im ersten Halbjahr 2020 wurden ETFs in der Höhe von 734 Tonnen Gold gehandelt. Das ist absoluter Rekord.
Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2019 fragten Investoren 326,6 Tonnen Gold in ETFs nach. Befeuert wurde der Ansturm laut dem WGC vor allem durch
- die Erwartung eines steigenden Goldkurses,
- weiterhin niedrige Zinsen,
- steigende Notwendigkeit, mögliche Risiken auszugleichen.
Was ist ein Gold-ETF?
Gold ist für viele Anleger ein Sicherheitsanker in ihrer Geldanlage. Das gilt umso mehr in turbulenten Börsenzeiten und unsicheren Wirtschaftszeiten. Statt auf physisches Gold setzen Investoren daher auf "Papier-Gold", sogenannte ETFs.
Ein ETF (Exchange Traded Fund) ist ein börsengehandeltes Papier. Es bildet einen Preisindex ab. Das kann beispielsweise der DAX oder auch der Goldpreis sein. ETFs ermöglichen es Anlegern, über ein Wertpapier in unterschiedliche Anlageklassen zu investieren. Diese gliedern sich in fünf Hauptanlageklassen:
- Aktien
- Anleihen
- Bargeld
- Immobilien
- Rohstoffe.
Rohstoffe sind unbearbeitete Massengüter wie Gold, Öl oder Mais. An den Kapitalmärkten werden sie über ihre zukünftigen Preise (Future-Preis) gehandelt. ETFs enthalten n der Regel breit gestreute Rohstoffkörbe.
Eine Ausnahme bilden Edelmetalle. Sie können über Exchange Traded Commodities (ETCs) am Kassamarkt zum aktuellen Kurs gekauft werden. Rohstoff-ETFs sind vor allem bei kurzfristig orientierten Tradern beliebt.
Goldpreis-Entwicklung wie nach der Finanzkrise
Laut den Analysten von Commerzbank Research sind die Gründe für den drastischen Preisanstieg ähnlich wie im Sommer 2011. Damals war die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09 zwar bereits vorbei, diese hatte aber die Staatsverschuldung und die Zentralbankliquidität massiv ansteigen lassen. Das hatte eine hohe Nachfrage nach Gold-Investments, insbesondere ETFs, zur Folge, so die Experten.
Darüber hinaus gab es eine politische Blockade in Washington, die den USA bei der Ratingagentur S&P im Juli 2011 den erstmaligen Verlust des AAA-Ratings bescherte. Das wiederum löste einen noch stärkeren Run auf Gold aus. Aktuell sind die politischen Fronten in den USA sogar noch deutlich stärker verhärtet und das Vertrauen in die Politik des Landes ist erschüttert: Das derzeitige erbitterte Ringen im US-Kongress um eine Verlängerung der staatlichen Arbeitslosenhilfe ist dabei nur ein Beispiel unter vielen.
Warum der Goldpreis längerfristig so hoch bleiben könnte
So sehen die Commerzbank-Analysten auch keinen Grund für einen nahenden Kurssturz bis auf einige kleinere Korrekturen von Übertreibungen.
"Ein stärkerer Preisrückgang unter 1.800 US-Dollar ist nur dann zu erwarten, wenn es zu nennenswerten ETF-Verkäufen kommt. Dafür sehen wir angesichts der großen Unsicherheit über die weitere wirtschaftliche Entwicklung und die Corona-Pandemie, den zunehmenden politischen Spannungen zwischen den USA und China, der dauerhaft ultralockeren Geldpolitik der wichtigsten Zentralbanken und der stark steigenden weltweiten Verschuldung aber keinen plausiblen Anlass", schreibt Carsten Fritsch im täglichen Rohstoffbericht der Commerzbank.
Zinserhöhungen, die die Nachfragen senken dürften, werde es auf absehbare Zeit ebenfalls nicht geben. Oder wie US-Notenbankchef Jerome Powell es ausgedrückt hat: "Wir denken noch nicht einmal daran, über eine Zinserhöhung nachzudenken."
Würde die Fed jedoch zu einer Zinskurvenkontrolle übergehen, über die sie intern nachgedacht hat, würde dies - bei gleichzeitig steigender Inflation - zu weiter steigenden Goldpreisen führen.
Goldnachfrage bricht nach US-Wahl ein
Dennoch fiel der Goldpreis im November 2020 auf einen viermonatigen Tiefstand auf 1.800 US-Dollar. Das waren weniger als 1.500 Euro pro Feinunze und damit so viel wie vor der Sommer-Rallye. Ausgelöst hatten den Preissturz aktuelle Wirtschaftsdaten aus den USA.
Trotz der heftigen zweiten Coronawelle hellte sich die Stimmung stark auf. Der Markit-Einkaufsmanagerindex stieg auf ein vorläufiges 5-Jahres-Hoch. Auch die Konjunkturdaten sorgten für Rückenwind, der Dollarkurs stieg. Da Gold als Krisenwährung gilt, sank die Nachfrage, der steigende Dollarkurs tat sein Übriges dazu.