
Durch den Exportstopp Chinas fehlen mittlerweile Seltene Erden in vielen Branchen. (Bild: IM Imagery - stock.adobe.com)
China verhängt einen faktischen Exportstopp und deutsche Werke stehen still. Dieses Szenario malten Rohstoff- und Wirtschaftsexperten im April an die Wand als China seine "Exportkontrollen" für Seltene Erden, Magnete und einige Mineralien ankündigte. Auslöser war der Zollstreit mit US-Präsident Donald Trump. Offiziell waren es zunächst Exportkontrollen, faktisch sind es Exportverbote, denn die notwendigen Ausfuhrgenehmigungen werden nur vereinzelt vergeben, zitiert das Handelsblatt Elisa Hörhager, China-Repräsentantin des Bundesverbands der Industrie (BDI). Die Verfahren seien zudem intransparent, würden verzögert und wer priorisiert werde, sei ebenfalls unklar.
Welche Industrien sind vom Exportstopp für Seltene Erden betroffen?
Laut Handelsblatt sind unterschiedliche Branchen akut betroffen, darunter Autohersteller, die Rüstungsindustrie, Elektronikkonzerne und Hersteller von Medizintechnik sowie Solar- und Windkraftanlagen. Ihnen fehlen zum Teil wichtige Komponenten, sodass sie die Produktion zurückfahren müssen. Konkrete Unternehmen nennt das Wirtschaftsblatt nicht. Seltene Erden sind in vielen Produkten enthalten, vor allem in jenen mit Elektromotor.
Zwar waren die Lager zunächst noch gut gefüllt, um eventuelle Engpässe zu überbrücken, doch diese Bestände sind seit April weitgehend abgebaut. Die Lage sei „sehr angespannt“, sagte Jens Eskelund, Präsident der europäischen Handelskammer in Peking dem Handelsblatt.
Rüstungsindustrie vom Engpass betroffen
Unternehmen der Rüstungsindustrie sind von den Engpässen an einigen Stellen betroffen. Bereits zu Beginn des Jahrs 2023 hatte China die Ausfuhr von Nitrozellulose und Vorprodukten für die Sprengstoffproduktion eingeschränkt. Diese Materialien benötigen Unternehmen für die Produktion von Artilleriegranaten und Gefechtsköpfen von Raketen.
Die Lage habe sich seither zugespitzt, wie ein nicht genannter, hochrangiger Manager eines deutschen Rüstungskonzerns dem Handelsblatt berichtet. Nur bei TNT sei Europa mittlerweile unabhängig. "Aber das ist ein sehr primitiver Sprengstoff“, so der Manager.
Das Halbleitermetall Germanium ist beispielsweise ein wesentliches Element für den Bau von Nachtsichtgeräten. Hier hat China die Lieferungen offenbar praktisch eingestellt.
Offiziell gibt China als Grund für die Lieferschwierigkeiten Kapazitätsengpässe bei der Bearbeitung der Exportgenehmigungen an. Doch BDI-China-Expertin Hörhager ist sich sicher, dass der Engpass strategisch genutzt wird - nicht nur gegenüber den USA, sondern auch gegenüber der EU und damit auch Deutschland.
Automobilindustrie rutscht in die Krise
Weltweit stoppen Autohersteller ihre Produktion aufgrund fehlender Komponenten. Die Knappheit trifft Hersteller und Zulieferer gleichermaßen.
So hatte der japanische Autobauer Suzuki die Produktion des Swift vom 26. Mai bis 6. Juni 2025 kurzfristig eingestellt. Auch Ford hat die Herstellung des Explorer im Werk Chicago für eine Woche gestoppt. Die deutschen Zulieferer Mahle und ZF berichten von Engpässen in ihren Lieferketten.
Exportverbote Zug um Zug abbauen
Ein Krisentreffen von 40 europäischen Zulieferern und Vertretern des chinesischen Handelsministeriums hatte keine Lösung gebracht. Laut Industrievertretern will die chinesische Staatsführung, dass in den Verhandlungen über die chinesischen Exportkontrollen gleichzeitig über die europäischen Exportkontrollen verhandelt wird.
Im Gegenzug für gelockerte Exporte von Seltenen Erden fordert China etwa die Lockerung der europäischen Tech-Exportbeschränkungen, etwa die begehrten Maschinen zur Produktion von Hightech-Chips des niederländischen Weltmarktführers ASML. Doch diese Forderungen wiederum kollidieren mit der US-Politik, die drastische Folgen für die Länder vorsieht, die sich nicht an die Sanktionspolitik der US-Regierung halten.
Problem (jahrelang) bekannt, aber nicht gebannt
Die Abhängigkeit der europäischen und besonders deutschen Industrie von Rohstofflieferungen aus China ist seit Jahren bekannt. Eine Reaktion darauf war der Raw Materials Act der EU. Doch konkrete Folgen hatte das nicht.
In den ersten sechs Monaten 2024 stammten laut einer Erhebung der Deutschen Rohstoffagentur 92 Prozent aller Dauermagnete mit seltenen Erden aus China. Der Internationalen Energieagentur (IEA) zufolge liegt Chinas Marktanteil bei der Verarbeitung seltener Erden mehr als 90 Prozent. Wohlgemerkt: bei der Verarbeitung! Denn, auch wenn Seltene Erden außerhalb Chinas abgebaut werden, hat nur China das Know-how angehäuft und die Verarbeitungskapazitäten aufgebaut. Andere Länder haben sich lange auf die Lieferfreundlichkeit des Landes verlassen und nun sitzt China am längeren Hebel.
Die Ampelkoalition unter Führung des damaligen Kanzlers Olaf Scholz (SPD) setzte auf die Freiwilligkeit der Unternehmen, sich bei der Versorgung kritischer Güter breiter aufzustellen. Doch die Appelle, „nicht alle Eier in einen Korb zu legen“, hatten wenig bewirkt.

Die Autorin: Dörte Neitzel
Dörte Neitzel ist Wissens- und Infografik-Junkie vom Dienst. Dinge und Zusammenhänge zu erklären ist ihr Ding, daher beschreibt sie sich selbst auch gern als Erklärbärin mit Hang zur Wirtschaft – was einem lange zurückliegenden VWL-Studium geschuldet ist. Nach einigen Stationen im Fachjournalismus lebt sie dieses Faible bevorzugt auf der Webseite der TECHNIK+EINKAUF aus und taucht besonders gern ab in die Themen Rohstoffe und erneuerbare Energien.
Privat ist Südfrankreich für sie zur zweiten Heimat geworden, alternativ ist sie in der heimischen Werkstatt beim Schleifen, Ölen und Malern alter Möbel zu finden oder in südbayerischen Berg-und-See-Gefilden mit Hund im Gepäck unterwegs.
China hat einen fast uneinholbaren Vorsprung
China bietet seine Seltenerd-Produkte konkurrenzlos günstig auf dem Weltmarkt an, denn Umweltaspekte werden in dem Land nicht hoch gehängt. Solange das so ist, können europäische Unternehmen jedoch keine alternativen Lieferketten aufbauen. Denn die Verarbeitung seltener Erden ist CO2-intensiv, hinzu kommt der Giftmüll. Für jede Tonne seltene Erden fallen bis zu 2.000 Tonnen radioaktive Abfälle an.
Eine europäische Lösung könnte daher das Recycling sein, aber auch hier werden die Metalle teurer sein als über die chinesische Primärproduktion. Doch Unternehmen, die bislang auf den freien Markt gesetzt haben, verkennen die Realität. „Seltene Erden sind längst sicherheitskritische Schlüsselressourcen", so David Bender von Remloy, einem Unternehmen, das sich auf das Recycling von Seltenerd-Magneten spezialisiert hat.
Alternative Beschaffung und alternative Produktion
Unternehmen wie Rheinmetall gehen bei der Beschaffung andere Wege: So gründetet der Rüstungsgigant in Südafrika das Unternehmen Resonant South Africa. Hier sollen Vorprodukte wie Sprengstoffe und Treibladungspulver hergestellt werden.
Der britische Rüstungskonzern BAE setzt auf die Verwendung von alternativen Materialien. Er setzt Treibladungen ein, die ohne Nitrozellulose und Nitroglycerin produziert wurden.
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