Handelskonflikte und Zölle entwickeln sich 2025 zum größten Risiko für die Lieferketten. Nur wenige Unternehmen haben bereits ihre Einkaufsstrategie angepasst.
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Globale Handelskonflikte und Zölle stellen Unternehmen zunehmend vor strategische Herausforderungen. Die aktuelle Rohstoffstudie von Inverto, der auf Einkauf im Lieferkettenmanagement spezialisierten Tochter der Boston Consulting Group, zeigt, dass die Mehrheit der Unternehmen Rohmaterialien und Vorprodukte aus zollbelasteten Regionen bezieht. Und das nicht zu knapp: 45 Prozent von ihnen geben an, dass Rohstoffe 40 Prozent oder mehr des gesamten Einkaufsvolumens ausmachen. Doch die Konsequenzen sind bislang ausgeblieben: Anpassungen in der Einkaufsstrategie bleiben bislang die Ausnahme.
Unternehmen erwarten weiter steigende Rohstoffpreise
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78 Prozent der Befragten rechnen in den kommenden zwölf Monaten mit steigenden Rohstoffpreisen, ein Wachstum um 13 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr. 18 Prozent erwarten starke Preissteigerungen, 60 Prozent moderate. 16 Prozent prognostizieren stabile Preise, während nur 7 Prozent mit einem Rückgang rechnen. Preisrisiken sehen die Befragten insbesondere für Chemikalien, Eisen und Stahl, Agrarprodukte sowie Seltene Erden.
Die meisten Befragten erwarten aber auch, dass sich der steigende Kostendruck nicht so sehr durch höhere Rohstoffpreise ausdrückt, sondern er insbesondere durch politische Eingriffe wie Zölle, Handelsbeschränkungen oder lokale Inhaltsvorgaben wächst.
Trotz geopolitischer Spannungen und Handelsrisiken erwarten 71 Prozent der Unternehmen eine stabile Rohstoffverfügbarkeit. 23 Prozent der Befragten bereiten sich proaktiv auf mögliche Engpässe vor – ein deutlicher Anstieg gegenüber dem Vorjahr. Rückläufige Verkaufszahlen (29 Prozent), Bürokratie im Außenhandel (28 Prozent) und steigende Energiepreise (28 Prozent) verschärfen zusätzlich die Situation.
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Zölle verändern Risikoprofil des Einkaufs
Die Sorge um reine Preisvolatilität tritt zunehmend hinter Belastungen durch geopolitische Eingriffe zurück. Zölle gelten 2025 als größter externer Risikofaktor für den Unternehmenserfolg, erstmals noch vor Rohstoff- und Energiepreisen. Doch obwohl 81 Prozent der befragten Unternehmen bereits jetzt Zöllen ausgesetzt sind, haben bisher nur 45 Prozent ihre Einkaufsstrategie angepasst.
Die Studie zeigt, dass viele Unternehmen bislang vor allem taktische Maßnahmen wie Kostenweitergabe oder Vorratshaltung verfolgen, während ein struktureller Wandel – etwa Diversifizierung der Lieferantenbasis oder Materialsubstitution – häufig ausbleibt.
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„Handelsbarrieren treiben die Kosten und erhöhen das Risiko in den Lieferketten“, sagt Justus Brinkmann. „Wer nicht frühzeitig gegensteuert, zum Beispiel mit neuen Lieferkettenmodellen oder regionalem Einkauf, wird mittelfristig im Wettbewerb zurückfallen.“
Um Risiken abzufedern, planen viele Unternehmen daher mittelfristig die Regionalisierung ihrer Lieferketten. Ein knappes Drittel (32 Prozent) setzen dabei auf sogenannte Local-for-local-Ansätze, also regionale Lieferketten, bei denen Produktion und Absatzmarkt geografisch möglichst nah – und ohne Zollschranken oder andere Handelshemmnisse - beieinanderliegen.
Weitere 32 Prozent wollen ihre weltweiten Lieferketten resilienter gestalten, indem sie zum Beispiel enger mit bestehenden Lieferanten kooperieren oder zusätzliche Lieferanten suchen.
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Dennoch zeigt die Studie eine Lücke zwischen Anspruch und Umsetzung. Materialsubstitution und datenbasierte Analysen werden seltener angewandt, obwohl viele Teilnehmende diese Lösungen als besonders sinnvoll erachten.
Digitalisierung schafft Transparenz und Handlungsspielraum
Die Vielzahl an Zolländerungen und regulatorischen Vorgaben macht es für Unternehmen zunehmend schwer, den Überblick zu behalten. Digitale Tools helfen dabei, Entwicklungen frühzeitig zu erkennen und Entscheidungen gezielt vorzubereiten. Immer mehr Unternehmen nutzen Business Intelligence-Tools, automatisierte Risikomodelle und Echtzeit-Daten-Analysen, um Probleme frühzeitig zu erkennen und bessere Handlungsoptionen zu finden.
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Eine sinnvolle Investition, betont Justus Brinkmann: „Wer nicht vorausschauend plant und Maßnahmen frühzeitig einleitet, wird am Ende mit hohen Kosten konfrontiert. Mit digitalen Tools erkennen Unternehmen Risiken schneller und können gezielter Entscheidungen treffen.“
(Bild: mi connect)
Die Autorin: Dörte Neitzel
Dörte Neitzel ist Wissens- und Infografik-Junkie vom Dienst. Dinge und Zusammenhänge zu erklären ist ihr Ding, daher beschreibt sie sich selbst auch gern als Erklärbärin mit Hang zur Wirtschaft – was einem lange zurückliegenden VWL-Studium geschuldet ist. Nach einigen Stationen im Fachjournalismus lebt sie dieses Faible bevorzugt auf der Webseite der TECHNIK+EINKAUF aus und taucht besonders gern ab in die Themen Rohstoffe und erneuerbare Energien.
Privat ist Südfrankreich für sie zur zweiten Heimat geworden, alternativ ist sie in der heimischen Werkstatt beim Schleifen, Ölen und Malern alter Möbel zu finden oder in südbayerischen Berg-und-See-Gefilden mit Hund im Gepäck unterwegs.
So ist die Studie aufgebaut
Für die Rohstoffstudie 2025 befragte Inverto 219 Einkaufsentscheiderinnen und -entscheider aus Europa, darunter Deutschland, Österreich, die Schweiz, Frankreich, Spanien, Italien, Großbritannien und Skandinavien. Die Mehrheit der Teilnehmenden ist in der Industrie, im Maschinenbau, der Chemie sowie dem Konsumgüter- und Handelssektor tätig. Der Erhebungszeitraum lag zwischen März und Juni 2025.
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Welche Rolle spielen Zölle beim Import von Rohstoffen?
Zölle erhöhen die Kosten für importierte Rohstoffe und beeinflussen somit die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens. Es ist wichtig, die geltenden Zolltarife und mögliche Präferenzabkommen zu kennen, um Einsparpotenziale zu nutzen.
Was sind Handelsbeschränkungen und wie wirken sie sich aus?
Handelsbeschränkungen wie Embargos, Sanktionen oder Exportkontrollen können den Zugang zu bestimmten Rohstoffen einschränken oder ganz verhindern. Unternehmen müssen regelmäßig prüfen, ob ihre Lieferanten oder Produkte von solchen Maßnahmen betroffen sind.
Wie wirken sich Freihandelsabkommen auf den Rohstoffeinkauf aus?
Freihandelsabkommen können Zölle reduzieren oder ganz abschaffen und erleichtern dadurch den Zugang zu bestimmten Rohstoffen. Unternehmen profitieren von günstigeren Einkaufspreisen und vereinfachten Zollformalitäten, wenn sie die Ursprungsregeln korrekt anwenden.
Welche Handelsbeschränkungen hat China erlassen?
China hat Exportkontrollen für kritische Metalle wie Seltene Erden, Gallium, Germanium, Scandium und Terbium erlassen. Offiziell heißen sie Exportgenehmigungen. Diese werden nur schleppend erteilt und wirken de facto wie Exportverbote. Diese Rohstoffe sind essenziell für Halbleiter, Batterien und Militärtechnik.
Welche Handelsbeschränkungen haben die USA erlassen?
Die USA habenExportverbote und Investitionsbeschränkungen für Hightech-Güter nach China, darunter Halbleiter und KI-Technologie. Als Reaktion gab es von chinesischer Seite Exportverbote in die USA für spezielle Rohstoffe. De facto wirken diese aber über die USA hinaus auch für andere Länder.