
Wolfram-Produzent Almonty Industries. (Bild: Almonty Industries)
Wolfram ist für viele Anwendungen in Militär, E-Mobilität, sowie für die Chip- und Wasserstofftechnologie unersetzlich. Doch etwa neunzig Prozent des weltweiten Wolfram-Angebots kommen heute aus China, Russland und Nordkorea – angesichts der geopolitischen Spannungen ist diese Abhängigkeit äußerst riskant. Doch wie konnte es zu dieser Situation kommen und was können Industrieunternehmen daraus lernen?
Wolfram: Einzigartig für Rüstung, Batterien und Halbleiter
Seitdem die chinesische Zentralregierung Anfang Februar Exportbeschränkungen für Wolfram verkündet hat, wächst die Nervosität am Markt. Zwar ist das einzigartige Element für Einkäufer noch immer verfügbar, doch steuert die Welt auf eine Knappheit zu. Marktbeobachter wie Merchant Research und Consulting haben bereits 2024 und damit vor der Amtsübernahme Donald Trumps bei Wolfram eine Angebotslücke ab 2025 für möglich gehalten. Dass es in naher Zukunft dazu kommt, ist heute wahrscheinlicher denn je. Die milliardenschweren Investitionen in Rüstung sowie damit einhergehende Entwicklungen dürften die Nachfrage nach Wolfram treiben.
Über Jahre hat sich China seine Dominanz auf dem Wolfram-Markt erarbeitet - niedrigen Kosten und einer langfristigen Strategie der Zentralregierung in Peking sei Dank. Selbst Verarbeitungsanlagen sind in den USA und Europa heute knapp. Noch in den frühen 1970er Jahren, also vor Chinas Rohstoff-Strategie, gab es weltweit rund einhundert Wolfram-Minen. Der Rohstoff war zwar teuer, aber weltweit verfügbar. Heute führt an China, das die ausländische Konkurrenz nach und nach mit niedrigen Preisen verdrängt hat, kein Weg mehr vorbei.
Angesichts des Umstands, dass das Element mit dem höchsten Schmelzpunkt und einer Dichte ähnlich der von Gold in vielen Bereichen nicht zu ersetzen ist, ist das beunruhigend. Westliche Industrieländer haben bei der Versorgung mit einem Metall, für das es weder in der Rüstung, der Chipindustrie oder bei modernen Hochleistungsbatterien (Niob-Wolfram-Akkus) Alternativen gibt, keinen Plan B.
Gestern Dumpingpreise, heute erpressbar
Einen Gegenpol zu chinesischen Produzenten wird ab Sommer dieses Jahres die Sangdong-Mine in Südkorea bilden, die in einer ersten Produktionsphase jährlich 2.300 Tonnen Wolfram zutage fördern wird. Ab Ende 2026 soll die Förderkapazität auf 4.600 Tonnen steigen. Das von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) finanzierte Projekt würde dann rund fünf Prozent des gesamten Wolfram-Angebots fördern und einen großen Teil zur Versorgungssicherheit beitragen.
Aktuell bestehen bereits Partnerschaften mit der österreichischen Plansee-Gruppe, die einen Abnahmevertrag mit einer Laufzeit von fünfzehn Jahren geschlossen hat und Minenbetreiber Almonty Industries eine feste Preisuntergrenze ohne Obergrenze garantiert. Schon früh hat Plansee die besondere Situation auf dem Wolfram-Markt erkannt und sich auch als strategischer Investor an Almonty Industries, das bereits seit Jahren in Portugal Wolfram fördert, beteiligt.
Eine derartige Weitsicht empfiehlt sich für Abnehmer kritischer Rohstoffe generell. Vor allem, wenn Industrieunternehmen wie bei Wolfram oft üblich, zwar keine großen Mengen benötigen, die Produktion ohne das einzigartige Element aber gänzlich zum Erliegen kommt. Ich vergleiche die Lage vieler Industrieunternehmen mit einem Bäcker, der für sein tägliches Werk dringend auf Hefe angewiesen ist, die Kosten für diese Hefe aber nebensächlich sind: Es würde sich lohnen, für diese essenzielle Zutat auch den doppelten Preis zu bezahlen, wenn dafür im Gegenzug Versorgungssicherheit gewährleistet wäre.
Westliche Industrieunternehmen haben die dominante Marktstellung Chinas und die damit einhergehende Fragmentierung der Produzenten über viele Jahre ignoriert und sich stattdessen sogar über Dumping-Preise gefreut. Heute ist klar: Ist der Weltmarkt stark von wenigen Anbietern abhängig, gilt es, Gegengewichte zu schaffen. Umso mehr gilt diese Empfehlung für Elemente, die längst Gegenstand geopolitischer Rivalitäten sind und als Druckmittel fungieren können.
Critical Raw Materials Act der EU: „Erste Schritte in die richtige Richtung“
Doch was können Käufer heute tun, um nicht in die Situation eines Bäckers zu geraten, der sein Geschäft mangels Hefe schließen muss? Der Schlüssel zu einer stabilen Versorgung mit kritischen Elementen liegt in Abnahmeverträgen auf Augenhöhe, die einerseits die bestehende Produktion sichern und Potenziale für zusätzliche Kapazitäten eröffnen. Almonty Industries ist es gelungen, derartige Abnahmebedingungen zu fixieren und so aus einer stabilen Jurisdiktion heraus ein verlässlicher Partner für Abnehmer zu sein.
Die Zeit des Preiskampfs ist nicht nur auf dem Markt für Wolfram vorbei – Abnehmer müssen verstehen, dass das „race the bottom“ langfristig mehr Risiken birgt, als es kurzfristig Vorteile bringt. Genau so hat das auch der koreanische Stahlkonzern SAeH Holdings gesehen, der sich 100% des Molybdäns der zukünftigen koreanischer Produktion, welche potentiell 60 Jahre betragen könnte, gesichert hat. Für SAeH Holdings war entscheidend, verlässlich und unabhängig mit Molybdän versorgt zu sein - unsere Produktionsstätte in Südkorea garantiert genau das.
Ein bewährtes Mittel, um sich gegen kurzfristige Knappheit von Rohstoffen oder Vorprodukten zu wappnen, ist seit jeher die Lagerhaltung. Während kritische Rohstoffe in anderen Teilen der Welt, wie etwa Japan, USA, China und Südkorea stärker bevorratet werden, hat sich die Europäische Union (EU) mit dem Critical Raw Materials Act erst spät für mehr Lagerhaltung eingesetzt und regelt bislang nur, dass Vorräte kritischer Elemente besser als bislang dokumentiert werden müssen – weitere Details stehen noch aus.
Ob die EU ihre bislang eher schleppenden Prozesse rund um die Versorgung mit kritischen Rohstoffen optimieren kann und wann das gelingt, bleibt offen. Bis dahin sind Unternehmen selbst in der Verantwortung. Da es mitunter kostspielig werden kann, Rohstoffe zu bevorraten, sind die Herausforderungen für europäische Industrieunternehmen groß.
Geopolitisch volatile Zeiten erfordern Weitsicht
Um die langfristige Versorgung mit wichtigen Roh- und Grundstoffen zu sichern, sollten Einkäufer von Industrieunternehmen die für sie relevanten Märkte genau analysieren. Ist das Angebot stark auf Seiten weniger Volkswirtschaften konzentriert, besteht Handlungsbedarf. Gerade in geopolitisch volatilen Zeiten besteht immer das Risiko, dass Ausfuhren reguliert oder Zölle Waren deutlich verteuern.
Auch aus diesem Grund tun Industrieunternehmen gut daran, auf Partner aus sicheren Jurisdiktionen zu setzen und beim Verhandeln von Abnahmeverträgen eine sichere Versorgung zu priorisieren. Das Beispiel von Wolfram zeigt, wie schnell sich auch die Nachfrage nach bestimmten Elementen verändern kann – neue Konflikte, aber auch innovative Technologien, die heute immer schneller marktreif werden, können selbst ein über Jahre bestehendes Gleichgewicht aus Angebot und Nachfrage binnen weniger Wochen zerstören.
Immer informiert mit den Newsletter von TECHNIK+EINKAUF
Hat Ihnen gefallen, was Sie gerade gelesen haben? Dann abonnieren Sie unseren Newsletter. Zwei Mal pro Woche halten wir Sie auf dem Laufenden über Neuigkeiten, Trends und Wissen rund um den technischen Einkauf - kostenlos!