Indien ist auf der Überholspur: Einer Studie des britischen Centre for Business and Economics Research zufolge steigt das Land mit einem Wirtschaftswachstum von 7,4 Prozent 2018 zur fünftgrößten Volkswirtschaft der Welt auf. Damit zieht der Subkontinent, auf dem knapp ein Fünftel der Weltbevölkerung lebt, an Großbritannien und Frankreich vorbei. In Kaufkraftparitäten gerechnet ist die Republik heute schon die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt. Bis 2024 wird die Bevölkerung des Subkontinents außerdem von 1,3 auf gut 1,44 Milliarden Menschen anwachsen und Indien damit zum bevölkerungsreichsten Land vor China machen.
Wo arbeiten die meisten Inder?
Jeder zweite Inder arbeitet in der Landwirtschaft. Allerdings erwirtschaftet diese nur gut 17 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Dienstleistungsunternehmen hingegen tragen zwar 53 Prozent zur Wirtschaftsleistung bei, beschäftigen aber nur 27 Prozent der regulären Arbeitnehmer. Ähnlich unausgewogen sind die Verhältnisse im produzierenden Gewerbe.
Die Industrie erwirtschaftet zwar knapp ein Drittel des BIP, gibt aber offiziell nur jedem fünften Inder Arbeit. Insgesamt ist nur etwa jeder zehnte Inder in einem vertraglich geregelten Arbeitsverhältnis tätig. Der Rest arbeitet im informellen Sektor dessen Wirtschaftsleistung sich statistisch kaum messen lässt.
Die indische Wirtschaft hängt ähnlich stark vom Export ab, wie die der Volksrepublik China. Etwa ein Drittel des BIP erwirtschaften die Unternehmen des Subkontinents im Ausland. Ihr wichtigster Handelspartner ist dabei die EU – noch vor China und den USA. Der größter Teil der Ausfuhren in Höhe von 77 Milliarden US-Dollar, den Indien nach Europa liefert, geht dabei nach Deutschland.
Wirtschaftliche Fakten zur Beschaffung in Indien
Offizieller Name | Bharat Ganarajya / Republic of India |
Hauptstadt | New Delhi |
Amtssprache | Hindi, Englisch, sowie 21 weitere in der Verfassung genannte Sprachen in einzelnen Bundesstaaten |
Bevölkerung | 1.324 Millionen |
Bruttoinlandsprodukt 2017 | 2.439 Mrd. US-Dollar |
Bruttoinlandsprodukt pro Kopf |
1.852 US-Dollar |
Wirtschaftswachstum 2017/2018 | 2,1% /2,2% |
Inflationsrate 2017 / 2018 | 6,7% / 7,4% |
Importe 2016 | 356,7 Mrd. US-Dollar |
Exporte 2016 | 260,3 Mrd. US-Dollar |
Freihandelsabkommen | Afghanistan, Angola, Argentinien, ASEAN (Brunei-Darussalam, Indonesien, Kambodscha, Laos, Malaysia, Myanmar, Philippinen, Singapur, Thailand, Vietnam), Bangladesch, Bhutan, Botswana, Brasilien, Chile, China, Elfenbeinküste, Finnland, Ghana, Japan, Kamerun, Demokratische Republik Kongo, Republik Korea, Liberia, Malediven, Mauritius, Mozambik, Nepal, Nigeria, Pakistan, Paraguay, Ruanda, Sambia, Senegal, Seychellen, Sri Lanka, Südafrika, Swasiland, Tansania, Uganda, Uruguay, Venezuela, Zimbabwe |
Beschaffung in Indien: Die wichtigsten Ausfuhrgüter
Für Einkäufer gibt es kaum etwas, das sich in Indien nicht beschaffen ließe. Neben Textilien und Nahrungsmitteln sind für deutsche Sourcingprofis vor allem die Automobilzulieferer und Maschinenbauunternehmen des Subkontinents wichtige Partner. Indische Lieferanten aus der metallverarbeitenden Industrie etwa stellen Kugellager und Gussteile oft günstiger her als Zulieferer in der Volksrepublik China. So lassen sich vor allem bei Gussteilen, die entweder sehr komplex sind oder eine anspruchsvolle Oberflächenbehandlung erfordern in Indien Kostenvorteile realisieren.
Indische Maschinenbaubetriebe stellen meist Textil-, Bau- und Werkzeugmaschinen sowie deren Komponenten im unteren bis mittleren Preis- und Qualitätssegment her. Allerdings sind auf dem Subkontinent auch 550 Mitgliedsunternehmen des Verbands Deutscher Maschinen und Anlagenbau mit eigenen Niederlassungen vertreten. Sie betreiben ähnlich wie viele Automobilzulieferer in Indien oft Technologie- sowie Softwarentwicklungszentren. Indien hat eine der größten Softwarebranchen der Welt. Sie erwirtschaftet zwei Drittel ihrer Umsätze im Export.
Außerdem haben über 1.000 Konzerne Forschungs- und Entwicklungszentren auf dem Subkontinent aufgebaut – darunter Siemens, Bosch, SAP und ZF. Sie lassen von indischen Ingenieuren Produkte für Kunden aus Schwellenländern entwerfen, denen in Deutschland entwickelte Technologien oft zu anspruchsvoll und zu teuer sind.
Deutsche Importe aus Indien 2016 | 7,7 Milliarden Euro |
Deutsche Exporte nach Indien 2016 | 9,8 Milliarden Euro |
Deutsche Einfuhren aus Indien nach Warengruppen (in Prozent der gesamten Importe aus Indien) |
· Textilien/Bekleidung (25,3%) · Maschinen (9,1%) · Industriechemikalien (8,5%) · Nahrungsmittel (6,4%) · Kfz und -Teile (6,4%) · Sonstige 44,3%) |
Einkauf in Indien: Die wichtigsten Rohstoffe
In Asien fördern nur China und Indonesien mehr Rohstoffe als Indien. Auch gemessen an ihren Rohstoffreserven belegt die Republik in Asien den dritten Platz. Minen fördern auf dem Subkontinent vor allem Basismetalle wie Eisen, Blei und Zink. Außerdem finden sich dort große Lagerstätten von Stahlveredlern wie Mangan, Chromit und Titan.
Außerdem verfügt Indien über fossile Brennstoffe wie Erdöl und –gas sowie Kohle. In Tumalapalli im Bundesstaat Andhra Pradesh befindet sich zudem eines der größten Uranvorkommen der Welt. Mindestens 49.000 Tonnen des radioaktiven Brennstoffs lagern dort.
Rohstoffe: Erdöl, Diamanten, Erdgas, Chromit, Titanerz, Seltene Erden, Bauxit, Mangan, Eisenerz, Kohle, Zink, Blei, Uran
Produktivität, Qualität und Kosten im Beschaffungsland Indien
Indische Lieferanten punkten durch das Preis-/Leistungsverhältnis, das sie anbieten. Allerdings überwiegen dabei die Kostenvorteile. Obwohl Löhne und Gehälter auf dem Subkontinent um durchschnittlich rund zehn Prozent pro Jahr steigen, verdienen Arbeiter in der Industrie nach wie vor sehr wenig. Der Durchschnittslohn für einfachere Tätigkeiten liegt bei nur 160 Euro. Ungelernte Arbeiter verdienen zwischen 3,70 Euro und 4,40 Euro am Tag. Dementsprechend hoch ist der Arbeitseinsatz in vielen indischen Unternehmen.
Allerdings ist das Ausbildungsniveau vieler indischer Arbeiter schlecht. Nur etwa fünf Prozent der Personen im erwerbstätigen Alter verfügen über eine berufliche Qualifikation. Nach Ansicht des Weltwirtschaftsforums bremst deshalb nichts so sehr das Produktivitäts- und Wirtschaftswachstum in Indien wie die miserablen Standards in der beruflichen Ausbildung. Arbeiter werden entweder in staatlichen Trainingscentern ausgebildet – dort jedoch fehlt in der Regel der Praxisbezug – oder die Unternehmen selbst bilden ihre Mitarbeiter aus. Dann vermitteln sie allerdings selten Wissen, das über die Bedürfnisse des Betriebs hinausgeht, wie allgemeine Materialkunde.
Der so verursachte Mangel an qualifizierten Fachkräften ist in Handwerks- und Lehrberufen im technischen Bereich besonders groß. Allerdings fehlen Indien nicht nur Techniker. Auch das Studium von Ingenieuren lässt an den meisten Universitäten zu wünschen übrig. Viele deutsche Unternehmen mit Niederlassungen auf dem Subkontinent klagen darüber, dass sie Ingenieure nach ihrem Universitätsabschluss noch zwei bis drei Jahre im Betrieb ausbilden müssen, bevor sie voll einsatzfähig sind. Im scharfen Kontrast dazu steht die weltweit anerkannte Ausbildung von Ingenieuren und Betriebswirten an den wenigen Indian Institutes of Technology (IITs) und den Indian Institutes of Management (IIMs). Die Absolventen dieser Elitehochschulen reichen jedoch nicht, um den Fachkräftemangel auszugleichen.
Durchschnittlicher Bruttomonatslohn eines Arbeiters |
zwischen 160 und 501 Euro (je nach Aufgabe) |
Gesetzlicher Mindestlohn im Monat (brutto) |
582 Euro |
Analphabetenquote | 27,9% |
Durchschnittliche Dauer des Schulbesuchs | 6,3 Jahre |
Anteil der Bevölkerung mit sekundärer Schulbildung | 48,7% |
Anteil der Bevölkerung, die sich für ein Hochschulstudium einschreibt |
24% |
Human Development Index | Platz 131 von 188 |
Global Competitiveness Index |
Platz 39 von 138 |
Offizielle Arbeitslosenquote 2017 | 5,0% |
Produktivitätswachstum (2016) |
5,4% |
Neben den Problemen am Arbeitsmarkt setzen auch die in vielen Betrieben veraltete Technik und die indische Bürokratie der Produktivität des Landes Grenzen. Vor allem im Bergbau, der Eisen- und Stahlverarbeitung sowie der Bauwirtschaft sind viele Betriebe so hochverschuldet, dass sie sich Investitionen in moderne Anlagen nicht leisten können. Zugleich schützt der Staat als Eigentümer viele Unternehmen in diesen Branchen ebenso wie im Transportwesen und der Schwerindustrie vor dem Wettbewerb.
Legendär ist auch die indische Bürokratie. Allerdings hat die Regierung von Premierminister Narendra Modi im Sommer 2017 eine wegweisende Reform in die Wege geleitet. Durch die Einführung einer allgemeinen Mehrwertsteuer entstand auf dem indischen Subkontinent erstmals ein einheitlicher Binnenmarkt. Da Unternehmen Güter beim Transport von einem Bundesstaat in einen anderen nun nicht mehr deklarieren und verzollen müssen, erwartet die Weltbank, dass die indische Wirtschaft künftig allein durch den Wegfall des mit dem Transport verbundenen bürokratischen Aufwands um bis zu einem Prozentpunkt stärker wachsen wird.
Beschaffung in Indien: Infrastruktur und Logistik
Indien besitzt eines der größten Straßen- und Schienennetze der Welt. Allerdings ist die Transportinfrastruktur des Subkontinents chronisch überlastet. Ganze 14 Prozent der Wirtschaftsleistung müssen indische Unternehmer daher für Transportdienstleistungen aufwenden. Besonders die indischen Straßen können mit dem steigenden Transportaufkommen nicht mithalten. Die zehn Millionen Lkw des Landes kommen auf dem 3,3 Millionen Kilometer langen Straßennetz nur mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 30 Kilometern in der Stunde voran.
Zum Vergleich: In den USA liegt die Durchschnittsgeschwindigkeit doppelt so hoch. Das knapp 64.000 Kilometer lange, schon zur Kolonialzeit errichtete Eisenbahnnetz ist nur unwesentlich schneller. Indiens größter Airport in Neu Delhi ist der zehntgrößte Flughafen Asiens. Mumbais Chhatrapati Shivaji Airport, der zweitgrößte Flughafen des Subkoninents, fertigt mit knapp 45 Millionen Passagieren im Jahr mehr Fluggäste ab als der zehntgrößte Flughafen der USA in Miami. Allerdings sind die Airports in Neu Delhi und Mumbai ebenso wie alle anderen indischen Flughäfen chronisch überlastet.
Die größten Häfen Indiens befinden sich in Kandla im Bundesstaat Gujarat, Visakhapatnam in Andhra Pradesh an der Bucht von Bengalen sowie in Mumbai. Neben der Verkehrsinfrastruktur können auch die Energie- sowie Kommunikationsnetze Indiens nicht mit den Anforderungen von Unternehmen im Zeitalter der Digitalisierung mithalten. Die indische Regierung weiß das und investiert seit 2014 massiv, um die Infrastruktur zu modernisieren. Im Logistics Performance Index der Weltbank hat das Land daher in den vergangenen vier Jahren einen Sprung um 19 Plätze nach vorne gemacht. Derzeit belegt Indien Rang 35 von 160 Staaten.
Wichtigste Seehäfen | Kandla, Visakhapatnam, Mumbai/Jawaharlal Nehru Port, Chennai, Kolkata |
Wichtigste Flughäfen | New Delhi, Mumbai, Chennai, Bangalore |
Straßennetz | 3,3 Millionen Kilometer – 50 % davon asphaltiert und 1455 Kilometer Autobahnen |
Eisenbahnnetz | 63.940 Kilometer |
Risiken bei der Beschaffung in Indien
Die indische Erdplatte hat durch ihren Schub Richtung Norden mit dem Himalaya das höchste Gebirge der Welt entstehen lassen. Ihre seismische Aktivität lässt in Teilen des Subkontinents auch regelmäßig die Erde beben.
In den Sommermonaten von Juli bis September führen heftige Monsunregen vor allem in den gebirgigen Teilen Indiens auch immer wieder zu Überschwemmungen und Erdrutschen. Straßen sind dann oft unpassierbar, der Zugverkehr unterbrochen. Einzelne Orte und Regionen sind dadurch oft über längere Zeit nicht zugänglich. In den an den Monsun anschließenden Monaten von September bis Dezember ziehen zudem Zyklone und Tropenstürme über die Ostküste des Subkontinents. In der Bucht von Bengalen treten die Stürme auch zwischen April und Juni auf.
Neben Naturkatastrophen stellen in Indien auch Terroranschläge ein erhebliches Risiko für Einkäufer dar. Sie sind meist religiös motiviert. Im Umfeld staatlicher und religiöser Feiertage ist die Gefahr besonders groß.
Quellen: gtai, Auswärtiges Amt, UNESCO, UNDP, WEF, Conference Board