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(Bild: yoko-ken-chan/AdobeStock)

“Dem sind keine Grenzen gesetzt, der sie nicht hinnimmt”, heißt es in Japan. Das hat sich die Regierung des Inselstaates zu Herzen genommen. Im Juli 2018 unterzeichneten Japans Premierminister Shinzo Abe und die Handelskommissarin der Europäischen Union, Cecilia Malmström, das Japan EU Free Trade Agreement, kurz JEFTA.

Seit dieses am 1. Februar 2019 in Kraft getreten ist, lassen sich die drittstärkste Industrienation und die EU als der größte Binnenmarkt der Welt nicht mehr durch Zollgrenzen trennen.

Freier Handel zwischen EU und japanischem Markt

Entstanden ist die weltweit größte Freihandelszone mit 640 Millionen Verbrauchern und einem gemeinsamen Bruttoinlandsprodukt von 22.150 Milliarden US-Dollar.

Diese Wertschöpfung wird durch das Freihandelsabkommen nicht nur in Europa weiter wachsen. Allein in Deutschland nimmt der Handel und damit das volkswirtschaftliche Vermögen dank JEFTA jedes Jahr um elf Milliarden Euro zu, erwartet das ifo-Institut.

Einkauf in Japan profitiert von JEFTA

Der Gewinn entsteht dabei nicht so sehr beim Export nach Japan, als bei der Beschaffung in dem Inselstaat. Dieser erhob schon bislang Importzölle für Waren aus der EU von im Schnitt nur 2,5 Prozent. Damit zählte die japanische Einfuhrsteuer zu den niedrigsten der Welt. Nur Hongkong und die Schweiz kassieren an ihren Grenzen weniger.

„Zu großen Profiteuren von JEFTA könnten vielmehr deutsche und europäische Unternehmen avancieren, die in Japan einkaufen“, erklärt Michael Sauermost, Japan-Experte bei Germany Trade and Invest (GTAI). Schließlich entfallen seit Inkrafttreten des Abkommens die Zölle auf 92 Prozent der Einfuhren japanischer Kfz-Teile in die EU.

Die Einfuhrsteuern auf Pkw bauen die sowohl die EU als auch Japan binnen sieben, jene auf Maschinen und Elektrotechnik in drei beziehungsweise fünf Jahren ab.

Einkauf von Hightech aus Japan

Das Land der aufgehenden Sonne wird dadurch für Einkäufer vor allem bei der Beschaffung von Hochtechnologie interessant. „Japaner sind besessen von technischer Präzision und haben eine alte Handwerkstradition, die Genauigkeit und Zuverlässigkeit als Tugenden pflegt“, erklärt Dr. Hanns-Günther Hilpert, Leiter der Forschungsgruppe Asien und Japan-Fachmann bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).

Das Kaiserreich ist deshalb nicht nur führender Exporteur von Kfz-Teilen. Auch bei der Beschaffung von Laser- und LED-Technik, Displays, hochwertigen Maschinen und Robotern führt kaum ein Weg an ihm vorbei. Japan ist mit einem Weltmarktanteil von knapp zehn Prozent der viertgrößte Maschinenbaustandort der Welt, nach China, den USA und Deutschland.

In der Robotik führt es das internationale Feld sogar an. Mehr als jeder zweite weltweit verkaufte Automat stammt aus dem Inselreich.

Japanische Mittelständler als schwierige Partner

Auch japanische Anbieter neuer Werkstoffe sowie von Batterietechnologie haben eine marktbeherrschende Stellung. Panasonic ist führender Hersteller von Akkus für die Elektromobilität.

Die Chemiekonzerne Toray, Teijin und Mitsubishi Chemical kontrollieren Zahlen der GTAI zufolge zwei Drittel des Weltmarktes für Karbonfasern. Diese Erfolge kommen nicht von ungefähr. Japanische Unternehmen gaben 2018 rund 175 Milliarden US-Dollar für Forschung und Entwicklung (F&E) aus.

Wer mit den innovativen japanischen Zulieferern ins Geschäft kommen will, stößt bei ihnen jedoch trotz JEFTA nicht immer auf offene Türen. Denn mit den Zollgrenzen öffnen sich nicht automatisch auch die Herzen japanischer Unternehmen. „Für Japans mittelständische Unternehmen, die traditionell Teil einer starren Lieferkette waren, ist bisweilen der direkte Kontakt zu ausländischen Kunden Neuland“, erklärt Michael Sauermost von der GTAI.

„Besonders Mittelständler konzentrieren sich auf die Vertragsbeziehungen, die sie mit Konzernen in ihrem Heimatmarkt haben“, bestätigt SWP-Fachmann Hilpert. Kleinere Unternehmen hätten oft Angst davor, Kontakt zu ausländischen Käufern aufzunehmen.

Vertrauen erarbeiten

Wer sich jedoch auf die Vorbehalte japanischer Unternehmen einlässt, Zeit mitbringt und bereit ist, neben geschäftlichen auch menschliche Beziehungen aufzubauen, gewinnt im Reich der aufgehenden Sonne wertvolle Partner für seine Lieferkette.

Vertrauen japanische Zulieferer Kunden aus dem Ausland erst einmal, arbeiten sie extrem zuverlässig, präzise und pünktlich. „Wenn sie erkennen, dass dem deutschen Einkäufer die zwischenmenschliche Beziehung wichtig ist, kommen ihm japanische Lieferanten auch bei technischen Anpassungen oder Lieferfristen weit entgegen“, ergänzt Hilpert von der SWP.

Kapazitätsgrenzen durch demografischen Wandel

Allerdings stoßen sie dabei mitunter an Kapazitätsgrenzen – ein weiteres Problem, das das EU-Japan-Abkommen nicht lösen kann. Da die japanische Gesellschaft schneller altert als die vieler anderer Industrienationen, leiden Unternehmen dort auch stärker unter dem Fachkräftemangel. Auf 100 gemeldete Arbeitslose kommen derzeit 150 offene Stellen.

Zwar arbeiten Japaner im Schnitt 1.724 Stunden im Jahr und damit ein Drittel mehr als deutsche Arbeitnehmer. Doch liegt ihre Produktivität, Zahlen der EU-Kommission zufolge, 16 Prozent unter der deutscher Beschäftigter.

Um den Fachkräftemangel und die hohen Lohnkosten in ihrer Heimat auszugleichen, hat die japanische Industrie in den vergangenen Jahrzehnten große Teile ihrer Fertigung nach Vietnam, Thailand, Indonesien, China oder Indien verlagert. „Bei Autobauern wie Toyota oder großen Elektronikkonzernen betrifft das bis zu 45 Prozent der Produktion“, erklärt GTAI-Experte Sauermost.

Wertschöpfung muss in Japan stattfinden

Im asiatischen Ausland gefertigte Teile und Komponenten befreit das Handelsabkommen JEFTA bei der Einfuhr in die EU allerdings nicht vom Zoll. Das Abkommen stellt strenge Anforderungen an den in Japan beziehungsweise der EU erbrachten Wertschöpfungsanteil eines Produkts.

Zu große Sorgen sollten sich Einkäufer deshalb aber nicht machen. Zwar können auch in Hightech-Produkten so viele im Ausland gefertigte Teile und Komponenten verbaut sein, dass sie die Local-Content-Anforderungen nicht erfüllen, die JEFTA stellt. „Da sie Angst haben, Know-how zu verlieren, stellen japanische Unternehmen Hightech-Produkte wie Roboter jedoch nach wie vor überwiegend zuhause her“, beruhigt Sauermost.

Den Wertschöpfungsanteil aus der lokalen Entwicklung und Montage berücksichtigt JEFTA.

Risiken beim Einkauf in Japan

Etwas genauer hinsehen sollten Einkäufer aus deutschen Unternehmen bei der Lage der Fertigungsstätten ihrer Lieferpartner. Denn die Erde bebt in Japan mehr als 5.000 Mal im Jahr. Dies führt ebenso wie die pazifischen Wirbelstürme im Sommer oft zu schweren Überschwemmungen.

Allerdings zählt das Kaiserreich im Weltrisikobericht der Ruhr-Universität Bochum auch zu den zehn Nationen mit der größten Resilienz gegenüber Naturkatastrophen. Denn da Stürme und Erdbeben Japan selbst am schwersten treffen, ergreifen Regierung und Unternehmen weitreichende Vorsichtsmaßnahmen. So müssen alle neuen Gebäude erdbebensicher sein.

„Industriekunden legen großen Wert darauf, dass Lieferanten das Produkt, das sie von ihnen beziehen, an wenigstens zwei Standorten fertigen“, erklärt Hilpert von der SWP.

Einkäufer, die diesen Rat beherzigen, können sich auf die Zuverlässigkeit, hohen Standards und Qualität ihrer japanischen Partner so sehr verlassen.

Abkommen als Botschaft an die USA

Das Freihandelsabkommen ist nebenbei auch eine Botschaft an US-Präsident Donald Trump, der sich offen gegen Freihandel ausspricht. Sowohl die USA als auch die EU hatten sich um ein Handelsabkommen mit Japan bemüht, Trump hatte die Verhandlungen jedoch gestoppt.

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