Dirk Schäfer, Geschäftsführer von Crowdfox, über die Ergebnisse der Studie und die Folgen für CPOs.
Fast die Hälfte der Unternehmen arbeitet bereits an KI-Projekten im Einkauf. Trotzdem sehen sich nur zwölf Prozent als echte Vorreiter. Warum ist der Unterschied so groß?
Weil viele Unternehmen noch im Experimentiermodus sind. Es gibt Pilotprojekte, Proof-of-Concepts, kleine Tests. Aber nur wenige trauen sich, die Technologie wirklich im Alltag breiter auszurollen. Das hat zwei Gründe: zum einen die Angst, Prozesse zu stören, zum anderen die fehlende Erfahrung mit KI-Systemen. Aber das Warten kostet wertvolle Zeit. Unsere Studie zeigt klar: Die Vorreiter verschaffen sich gerade jetzt einen strategischen Vorsprung. In einem Jahr werden wir eine völlig andere Landschaft sehen, in der KI im Einkauf Standard ist. Und wer bis dahin nicht gestartet ist, wird deutlich schwerer aufholen können.
Warum nennen über die Hälfte der CPOs ausgerechnet Freitextbestellungen als größten Schmerzpunkt?
Weil sie der Inbegriff von Ineffizienz sind. Ein Mitarbeiter tippt einen beliebigen Text ins Bestellfeld, und schon beginnt das Chaos: Rückfragen, manuelle Korrekturen, Nachbuchungen. Das Ganze zieht sich durch den gesamten Prozess und bindet Ressourcen, die eigentlich für strategische Arbeit gebraucht würden. 52 Prozent der CPOs sehen darin ein gravierendes Problem, 68 Prozent kritisieren den immensen Zeitaufwand bei Individualbestellungen. Mit KI können wir diese Vorgänge heute automatisch erfassen, richtig zuordnen und systemkonform abwickeln. Das ist ein Quantensprung: Bestellungen, die früher Stunden oder gar Tage beansprucht haben, laufen in Sekunden durch. Gleichzeitig sinkt die Fehlerquote massiv.
61 Prozent glauben, dass der gesamte Bestellprozess bald weitgehend automatisiert sein wird. Viele halten das für überzogen.
Auf den ersten Blick klingt das radikal, aber wenn man die technologische Entwicklung betrachtet, ist es absolut realistisch. Vor drei Jahren war ChatGPT ein Experiment, heute nutzen Millionen Menschen es täglich. Genau diese Geschwindigkeit sehen wir jetzt auch im Einkauf. Preisvergleiche, Lieferantenchecks, Artikelauswahl: Tätigkeiten, die bisher endlose Excel-Listen, Mails und Abstimmungen erfordert haben können durch KI in Echtzeit erledigt werden. Wir erleben bereits heute, dass Unternehmen erste Teilprozesse so umstellen und enorme Effizienzgewinne erzielen. Das bedeutet: die Zukunft ist nicht in fünf Jahren, sie ist schon da, nur noch nicht überall gleich sichtbar.
Kritiker sagen: Datenschutz, IT-Integration, fehlendes Know-how – dafür ist der Einkauf gar nicht bereit. Ist das nicht berechtigt?
Natürlich sind das relevante Hürden, und unsere Studie bestätigt das auch: 74 Prozent sehen die Integration in bestehende Systeme als größte Herausforderung, 68 Prozent den Datenschutz, 58 Prozent den Mangel an Know-how. Aber all das ist lösbar. Kosten sind dagegen nur für 35 Prozent ein Thema. Und genau hier liegt der entscheidende Punkt: Wer sich hinter diesen Argumenten versteckt, verliert wertvolle Zeit. In der Praxis zeigt sich, dass die Unternehmen, die früh anfangen, schnell Lösungen finden und Routine aufbauen. Wer zögert, steht irgendwann mit leeren Händen da, während Wettbewerber längst Standards gesetzt haben. Rückstand aufzuholen, ist in der Regel deutlich teurer und schmerzhafter als frühzeitig einzusteigen.
ESG-Reporting gilt bislang als lästige Pflicht. Warum glauben Sie, dass KI das ändern kann?
Weil KI aus einer mühsamen Pflichtübung ein strategisches Werkzeug macht. Heute sitzen Teams oft wochenlang an der Sammlung und Auswertung von ESG-Daten. Am Ende gibt es Tabellen, die weder aktuell noch wirklich belastbar sind. Mit KI lassen sich CO₂-Werte, Lieferantendaten und Compliance-Standards automatisch konsolidieren und in Echtzeit zur Verfügung stellen. Das bedeutet, dass ein Einkäufer nicht mehr zwischen Nachhaltigkeit und Effizienz wählen muss, sondern beides gleichzeitig im Blick hat. Statt rückwärtsgewandter Reports entstehen handlungsfähige Informationen, die in Sekunden abrufbar sind. Damit wird ESG vom Bürde-Thema zur echten Chance, Wettbewerbsvorteile aufzubauen. Sowohl bei Compliance als auch beim Image gegenüber Kunden und Investoren.
Einige meinen: KI im Einkauf sei ein Hype, der wieder abebbt. Wie sicher sind Sie, dass es diesmal anders ist?
Da kenne ich aber kaum noch jemanden. Wir reden nicht über abstrakte Zukunftsvisionen, sondern über ganz konkrete Effekte: weniger Freitextbestellungen, weniger manuelle Arbeit, schnellere Preisvergleiche, transparente Daten. Genau diese Schmerzpunkte haben wir in der Studie abgefragt, und die Mehrheit sieht dort das größte Potenzial. Wer einmal erlebt hat, dass ein Report in Sekunden fertig ist oder eine Bestellung ohne manuelles Eingreifen durchläuft, will nicht mehr zurück zu Excel und E-Mail. Das ist der Unterschied zu einem Hype: KI liefert hier und heute greifbare Ergebnisse – und wird deshalb nicht nur bleiben, sondern künftig auch aus dem Einkauf nicht mehr wegzudenken sein.