Industrielle Fertigungsbetriebe stehen vor Herausforderungen in bislang unbekannten Dimensionen: Nach einem Konjunktureinbruch durch gestörte globale Lieferketten und einem Labyrinth von Infektionsschutzregeln durch die Corona-Pandemie droht vielleicht bereits der nächste: Denn Deutschland ist wieder Weltmeister – diesmal bei den Energiepreisen. Eine Prognose, wie hoch diese tatsächlich steigen werden, ist kaum möglich.
Die Preisentwicklung ist hochdynamisch und es stehen politische Entscheidungen im Raum wie die Gasumlage und eventuelle Entlastungen. Bereits im Rahmen der bundesweiten DIHK-Konjunkturumfrage zum Jahresbeginn 2022 nannten zwei Drittel der insgesamt 28.000 befragten Unternehmen die Energie- und Rohstoffpreise als ihr aktuell größtes Geschäftsrisiko. Mit 84 Prozent meldeten noch mehr Unternehmen zusätzlich mittlere bis erhebliche Lieferschwierigkeiten. Und seitdem sind immer neue Probleme hinzugekommen, etwa die dürrebedingten niedrigen Pegelstände der wichtigsten europäischen Wasserstraßen sowie der Krieg in der Ukraine und die Sanktionen gegen Russland.
Auswirkungen des Krieges treffen Unternehmen
Als direkte Folge von Russlands Angriff auf die Ukraine im Februar meldeten rund 60 Prozent der Produktionsbetriebe zusätzliche Störungen in den Lieferketten und der Logistik. Steigende Kosten, Ertragseinbußen, gestiegener Planungsaufwand, Produktionsstopps, Kontingentierung bis hin zu abgelehnten Aufträgen: Die Auswirkungen der aktuellen Multikrisenlage sind für produzierende Unternehmen deutlich spürbar.
Die Versorger müssen zum Beispiel Gas teuer auf den Spotmärkten zukaufen, was den Gaspreis für Endverbraucher um mehrere hundert Prozent steigen lässt. Die Folgen in den Unternehmen zeigen sich in Form von Produktionsrückgang, Preiserhöhungen oder Personalmaßnahmen. Vor allem energieintensive Betriebe erwarten für die kommenden Monate deutliche Einschränkungen oder gar einen Stopp der Produktion. Und nicht nur die Energiekosten machen den Betrieben zu schaffen.
Die mittelständische Industrie muss beispielsweise dringend benötigte Vorprodukte zu drastisch gestiegenen Preisen einkaufen, die sie nur begrenzt an ihre Kunden weitergeben kann. Eine Umfrage des DIHK aus dem Juli 2022 zeigt, dass 42 Prozent der Betriebe die Fertigung drosseln oder gar stoppen mussten. Und für den Herbst und Winter droht eine weitere Infektionswelle, die erneute Einschränkungen und Störungen in den Wertschöpfungsketten durch Kurzarbeit, Quarantäne und hohe Krankenstände mit sich bringen könnte.
Die Kosten müssen runter
Für eine derart komplexe Multikrisenlage kann es kein Allheilmittel geben. Weil die Situation so außergewöhnlich ist, können die Betriebe auch nicht auf Erfahrungswerte zurückgreifen. Es gibt aber sehr wohl Stellschrauben, an denen sie ansetzen können – für interne und externe Kostenfaktoren im betrieblichen Ablauf, sowohl in den Produktionshallen als auch in den Büro-Etagen. Wer sie identifiziert und justiert, kann zum Beispiel interne Prozesse effizienter gestalten oder Konditionen mit Vertragspartnern optimieren. Denn auch wenn vieles hinsichtlich der zukünftigen Entwicklungen im Unklaren liegt, ist eines klar: Die Kosten müssen sinken. Großes Einsparpotenzial bieten papierbasierte und manuell ausgeführte Prozesse. Betriebe, die geeignete Arbeitsbereiche digitalisieren und automatisieren, können viel Geld sparen.
Der Hebel ist dort besonders groß, wo viel Papier per Hand bearbeitet und bewegt wird: in den Büros. Viele Abteilungen profitieren bereits von der Digitalisierung, allen voran die Buchhaltung und das Marketing. In den Beschaffungsabteilungen dagegen sucht man digitale Tools oft noch vergeblich. In unserer sich rasant verändernden Geschäftswelt kann dies die Wettbewerbsfähigkeit erheblich schwächen. Denn analog arbeitende Betriebe sind im Einkauf schlicht nicht schnell und flexibel genug, um auf die dynamischen Marktbewegungen rechtzeitig und zum eigenen Vorteil zu reagieren.
Weltweit verwalten heute noch 60 Prozent aller Unternehmen ihre Beschaffungsabteilungen mit Stift, Papier und Standardprogrammen für Tabellenkalkulation und Textverarbeitung. Gleichzeitig äußern 61 Prozent der Verantwortlichen im Beschaffungswesen, dass sie ihre höchste Priorität darauf legen, die Kosten in ihrem Arbeitsbereich zu senken. Mit 24 Prozent hat die strategische Beschaffung die zweithöchste Priorität, so die Ergebnisse der PwC Global digital Procurement Survey 2022. An welchen Stellschrauben können Verantwortliche also ansetzen, um bei der Beschaffung Kosten zu sparen?
15 Spar-Tipps für das Beschaffungswesen
Die Kosten sinken, wenn unnötige Ausgaben so weit wie möglich vermieden werden. Es gibt bewährte Strategien, um dieses Ziel zu erreichen: Beschaffungsabteilungen können ihre Lieferanten konsolidieren, Einzelausgaben verringern, ihr Kategorien- und Ausschreibungsmanagement optimieren, die Risikobewertung verbessern und ungeplante Ausgaben reduzieren. Allein durch unkontrollierte Ausgaben, die nicht im Rahmen der vereinbarten Verträge getätigt werden – sogenannte Maverick Spendings – gehen Unternehmen Schätzungen zufolge 10 bis 20 Prozent ihrer Mittel verloren. Nach Angaben des Chartered Institute of Procurement & Supply (CIPS) generieren unkontrollierte Einkäufe bis zu 80 Prozent aller Rechnungen – und zwar selbst in großen Unternehmen mit professionellen Beschaffungsabteilungen.
Besonders in Zeiten wie diesen, in denen die schlechten Nachrichten Schlag auf Schlag kommen, muss es oft schnell gehen. Dafür eignen sich acht kurzfristige Strategien für die Kostenreduzierung: Spezifikationen hinterfragen, Betriebskosten hinterfragen, aktuelle Vertragsbedingungen überprüfen, Zulieferer bewerten, Daten nutzen, unkontrollierte Ausgaben vermeiden, Notwendigkeiten neu bewerten und vorausschauend planen.
Um den Betrieb für die Zukunft gut aufzustellen, sollten die folgenden sieben mittel- und langfristigen Strategien nicht fehlen: Auslagerung prüfen, Technologie nutzen, Category Management einführen, Beschaffung zentralisieren, Beschaffungsrisiko senken, Verbräuche reduzieren und Mitarbeitende weiterbilden
Sechs Wege zu einem besseren Betriebsergebnis
Viele dieser Strategien lassen sich mithilfe einer digitalen Beschaffungslösung umsetzen. Sie zentralisiert und automatisiert die Interaktionen zwischen einem Betrieb, seinen Kunden und anderen Akteuren entlang der Lieferkette. Eine entsprechende Lösung spart viel Zeit und Geld im Beschaffungswesen, indem sie die zentralen Prozesse beschleunigt und effizienter macht.
- Betriebskosten hinterfragen und realistische Ziele setzen
Bis zu 40 Prozent der durchschnittlichen Kosten entfallen auf Ausgaben, die für den Betrieb nicht notwendig sind. Ohne professionelle Analysen ist es schwierig, die Betriebsausgaben vollständig zu durchdringen, Sparpotenzial zu erkennen und geeignete Strategien gezielt umzusetzen. Ein digitales Beschaffungssystem sorgt für Transparenz, analysiert in Echtzeit alle Ausgaben und gibt Einblick in Ausgabentrends bei Lieferanten, Abteilungen und Mitarbeitern. - Unkontrollierte Ausgaben vermeiden
Eine der größten Herausforderungen für die Beschaffung sind unkontrollierte Ausgaben, also Käufe, die nicht vom zentralen Beschaffungsteam oder vom Budgetverantwortlichen genehmigt wurden. Ist die Beschaffung digitalisiert, lassen sich Integration und Freigabe von Lieferanten im Managementprozess verfolgen. Mehrstufige Arbeitsabläufe garantieren die richtige Freigabestufe für jede einzelne Bestellanforderung und sorgen so für mehr Sicherheit im Einkaufsprozess. - Die besten Angebote erhalten
Vollständige Transparenz und der Zugriff auf Daten zu den Ausgaben erleichtern Verhandlungen über günstigere Zahlungsbedingungen. Dies ist der Bereich, in dem der digitalisierte Beschaffungsprozess seine Stärken ausspielt. Spezialisierte Marktplätze sind die entscheidende Komponente im Source-to-Contract-Lebenszyklus. Sie erleichtern Einkäufern den Zugang zu Online-Ausschreibungen und damit zu einer größeren Anzahl von Lieferanten. Interessante Lieferanten lassen sich per Mausklick zur Teilnahme an einer Ausschreibung einladen. Wichtige Daten zu den Ausgaben sind jederzeit transparent abrufbar. Einkäufer können so in Echtzeit günstigere Zahlungsbedingungen verhandeln und die bestmöglichen Preise für hochwertige Produkte und Materialien erzielen. - Das Budget im Auge behalten
Sind die Ausgaben transparent, kann das Beschaffungsteam fundierte und gezielte Entscheidungen treffen. Die Software gibt befugten Mitarbeitern Zugang zu Echtzeitdaten, Einblicke ins Budget sowie die Möglichkeit, Berichte über Budget und Ist-Zustand zu erstellen. Die Nachverfolgung sämtlicher Ausgaben und Projekte im Vergleich zu den Budgets verbessert die Budgetkontrolle und stellt sicher, dass die Ausgaben im Rahmen der festgelegten Parameter bleiben. - Betrug vermeiden
Fehlen Transparenz und ein interner Kontrollrahmen, ist es schwer, Betrug im Beschaffungsprozess aufzudecken. Mit einer starken, technologiegestützten Beschaffungsstrategie können Unternehmen das Risiko proaktiv verringern. Eine Rechenschaftspflicht verbessert das Kostenmanagement. Prüfprotokolle für jede Transaktion und Warnmeldungen bei Verstößen gegen die Richtlinien und bei nicht genehmigten Ausgaben reduzieren Betrugsfälle. - Die Effizienz steigern
In Unternehmen, die manuelle, papierbasierte Beschaffungsprozesse verwenden, dauern Genehmigungen oft Wochen. Mit einem professionellen digitalen Beschaffungssystem können Bestellanforderungen in wenigen Tagen genehmigt werden. Das steigert Effizienz und Produktivität.
86 Milliarden Dollar Einsparpotenzial
Ein digitales Beschaffungssystem, das Standardprozesse automatisiert und sämtliche relevanten Daten verlässlich zusammenführt und analysiert, spart unmittelbar Geld: Es vermeidet doppelte Ausgaben, identifiziert innerhalb von Sekunden die besten Angebote und spart den Mitarbeitenden in der Beschaffung viel Zeit, indem es manuelle und papierbasierte Vorgänge minimiert.
Laut Supply Chain Digital lassen sich die Kosten um fünf bis zehn Prozent senken, während die Effizienz um 30 bis 50 Prozent steigen kann. Die weltweit größten 5.000 Unternehmen könnten durch eine vollständig automatisierte Beschaffung jährlich bis zu 86 Milliarden Dollar einsparen, so das Ergebnis einer Studie von Procurement Leaders.
Für Unternehmen mit einer Investitionsbasis von 1 bis 3 Milliarden Dollar bedeutet dies eine jährliche Einsparung von 12 Millionen Dollar an Personal im Beschaffungsbereich. Unternehmen, die drei Milliarden Dollar oder mehr ausgeben, könnten im Durchschnitt 27 Millionen Dollar einsparen.
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