Milence Ladepark Lkw

Milence baut europaweit Ladeparks für den Schwerlastverkehr - hier am Hermsdorfer Kreuz. (Bild: Milence)

Milence baut das erste europaweite Netz von Ladeparksstationen für E-Lkw auf. Die Einkäufer des niederländischen Unternehmens müssen dazu alles beschaffen - von Bau- und Reinigungsdienstleistungen bis zu Umspannwerken. Milence-CFO Wolfgang Brand, erklärt wie er und seine Kollegen diese Komplexität bewältigen.

TECHNIK+EINKAUF: Herr Brand, Milence will den Schwerlastverkehr dekarbonisieren. Wie stellen Sie das an?

Wolfgang Brand: Wir tragen dazu bei, dass seine Elektrifizierung gelingt. Noch vor wenigen Jahren tobte eine ideologische Debatte darüber, ob Lkw künftig mit Wasserstoff oder Strom klimaschonend unterwegs sein werden. Das ist inzwischen zu Gunsten der Elektromobilität entschieden. Die drei großen europäischen Lkw-Hersteller, Daimler Truck, Volvo Trucks und die Traton Group haben allerdings erkannt, dass niemand Elektro-Laster kaufen wird, wenn er sie nicht laden kann. Deshalb haben sie Milence als Joint Venture gegründet, mit dem sie europaweit eine Ladeinfrastruktur für E-Lastwagen aufbauen werden.

Also Ladesäulen an Autobahnraststätten und das war’s?

Nein, so einfach ist das nicht. Wir verfolgen die Vision „recharge the truck and the driver“. Wir wollen in unseren Ladeparks also das Fahrzeug, und den Fahrer mit neuer Energie aufladen. Denn bei der Elektrifizierung des Schwerlastverkehrs können wir uns nicht nur auf die Technik konzentrieren. Wir müssen auch die Bedürfnisse der Fahrer ernstnehmen.

Wieso ist das so wichtig?

Brand: Weil die Arbeitsbedingungen für Lkw-Fahrer so schlecht sind, dass niemand mehr diesen Job machen will. Da hilft es dann auch nichts, wenn wir E-Lkw haben, wenn niemand da ist, der sie fährt. Dabei bietet gerade die Elektrifizierung von Lkw eine einzigartige Chance, die Arbeitsbedingungen der Fahrer zu verbessern.

Weshalb?

Brand: Elektrolaster lassen sich anders als Diesel-Lkw angenehm, leise und vibrationsarm fahren. Dieses Plus an Arbeitsqualität während der Fahrt bringt aber wenig, wenn Fahrer in den Pausen mit hygienischen Verhältnissen leben müssen, wie sie sie heute auf Europas Autobahnraststätten und Parkplätzen vorfinden. Deshalb bauen wir Ladeparks, auf denen Fahrer auch saubere Toiletten und Duschen sowie einen gepflegten Aufenthaltsraum vorfinden. Sie können ihre Fahrzeuge dort zudem sicher abstellen. Sie müssen nicht wie heute oft in Ein- und Ausfahrten parken, um ein paar Stunden Schlaf zu finden.

Diese Stationen bauen sie an vorhandenen Raststätten auf?

Brand: Nein. Wir haben in ganz Europa Scouts, die geeignete Grundstücke an den Hauptverkehrsadern, in der Nähe von Logistikzentren, Verkehrsknotenpunkten, Häfen oder Grenzübergängen suchen. Die Flächen mieten oder kaufen wir und errichten darauf unsere Ladestationen.

Wolfgang Brand
Wolfgang Brand, CFO Milence (Bild: Milence)

Vita Wolfgang Brand

Wolfgang Brand ist Chief Financial Officer von Milence. Bevor er die Aufgabe bei dem in Amsterdam ansässigen Joint Venture von Daimler Truck, Volvo Truck und der Traton Group übernahm, war der Betriebswirt 25 Jahre lang in verschiedenen Führungspositionen zahlreicher Unternehmen tätig. Seine Branchenerfahrung reicht von der Sportartikelindustrie bis zum Bau von Anlagen für die Nutzung nachhaltiger Energien.

Für Ihre Einkäufer heißt das sicher, dass sie ein sehr breites Beschaffungsportfolio managen müssen?

Definitiv. Unsere fünf Einkäufer und zwei Supply-Chain-Spezialisten bearbeiten ein Spektrum, das beim Kauf der Gewerbegrundstücke und dem Bau der Gebäude sowie der Ladeinfrastruktur beginnt, bei der Beschaffung von Ladesäulen und Umspannstationen und deren Anschluss an die öffentliche Infrastruktur weitergeht und schließlich bei der Beauftragung der Dienstleistungen endet, die wir für den Betrieb der Ladeparks brauchen. Wir kaufen also von der Technik bis zur Müllabfuhr und der Reinigung der Aufenthalts- und Sanitärräume durch lokale Dienstleister ein sehr breites Spektrum an Kategorien ein.

Wie bekommen Sie diese Komplexität in den Griff?

Zum einen arbeiten unsere Einkäufer sehr eng mit den jeweiligen Fachabteilungen zusammen. Zum anderen versuchen wir, unser Angebot in den Ladeparks so weit wie möglich zu standardisieren. Unsere Sites werden europaweit sowohl in der Anmutung wie bei den verbauten Komponenten weitgehend gleich aussehen.

Warum ist das wichtig?

So können wir unseren Bedarf zu Modulen zusammenfassen und für diese unsere technischen Anforderungen beispielsweise hinsichtlich der Leistungsfähigkeit  im Bereich des intelligenten Netzmanagements festlegen. Die einzelnen Leistungen und Produkte können wir dann von Herstellern und Dienstleistern oft für unsere Ladeparks in vielen europäischen Ländern beziehen. So reduzieren wir die Komplexität und erreichen eine Skalierung, die sich auf der Kostenseite positiv niederschlägt.

Sie sagen, Sie können ihren Bedarf „oft“ für viele europäische Länder einheitlich decken. Das heißt, dass es für Milence in bestimmten Bereichen trotz des europäischen Binnenmarktes nicht möglich ist, die gleichen Produkte überall in der Europäischen Union zu verwenden?

Leider ist das in der Tat manchmal nicht möglich. Lassen Sie mich am Beispiel der Umspannstationen, mit denen wir unsere Ladeparks an das öffentliche Stromnetz anschließen, veranschaulichen, wie weit wir mit der Vereinheitlichung des Binnenmarktes gekommen sind. In Frankreich gibt es vier Netzbetreiber. Wenn Sie einmal verstanden haben, was deren technische Anforderungen und Standards sind, klappt die Zusammenarbeit in der Regel sehr gut. In Deutschland dagegen haben wir über 800 Netzbetreiber, von denen viele auch noch individuelle technische Vorgaben machen. Das ist eine Herausforderung. Auch beim Bau unserer Ladeparks müssen wir in jedem Land andere Gesetze und Normen erfüllen. In Deutschland unterscheidet sich das Baurecht sogar schon von Bundesland zu Bundesland.

Wie hilft ihnen die Digitalisierung, diese Komplexität in den Griff zu bekommen?

Für uns sind digitale Tools überall dort wichtig, wo sie unsere Arbeit erleichtern und unsere Effizienz steigern. Das bedeutet: Wir setzen nicht für jeden kleinen Prozess eine eigene App oder eine Software-as-a-Service-Lösung ein. Aber überall dort, wo wir Abläufe vereinheitlichen und standardisieren können, nutzen wir nach Möglichkeit Plattformen für das Lieferantenmanagement – wie zum Beispiel Ivalua.

Wie profitieren Sie von solchen Tools?

Unser Produkt und seine Spezifikationen sind so komplex, dass das Gute, das ich meinen Kolleginnen und Kollegen tun kann, vor allem darin liegt, ihre tägliche repetitive, administrative Arbeit so weit wie möglich zu vereinfachen. Dann haben sie den Kopf frei, um sich um technische Lösungen zu kümmern. Dazu braucht es einen Backbone, der alle relevanten Daten im Lieferantenkontakt, die Historie von Besprechungen und Treffen, Vereinbarungen und offene Punkte, an denen noch nachgearbeitet werden muss, in einem System abbildet. Vendor-Management-Plattformen leisten das sehr gut.

Lassen Sie uns abschließend über den Einkauf von grünem Strom sprechen. Wie gehen Sie da vor?

Brand: Das ist in der Tat sehr wichtig für uns. Denn es hilft dem Klima wenig, wenn wir einen Lkw mit Strom aufladen, der durch die Verbrennung von Kohle gewonnen wurde. Zu glauben, die E-Mobilität im Schwerlastverkehr diene dann noch dem Klimaschutz, wäre eine gefährlich naive Milchmädchenrechnung. Deshalb versuchen wir wo immer möglich, zu einhundert Prozent grün erzeugten Strom einzukaufen. Das kann aber leider nicht jeder Anbieter garantieren. Deshalb sind wir bisweilen gezwungen, den Strommix zu nehmen, der im Netz des jeweiligen Landes vorhanden ist. Allerdings verlassen wir uns nicht nur auf den Zugang zur öffentlichen Netzinfrastruktur.

Weshalb?

Brand: Zum einen gibt es Gewerbegrundstücke, die perfekt in direkter Nähe einer Hauptverkehrsader oder eines Logistikknotenpunktes gelegen sind, an denen wir aber über das öffentliche Netz nicht genügend Strom bekommen. Zum anderen schauen wir, dort, wo die nationalen Gesetze das erlauben, ob wir in direkter Nachbarschaft zu unseren Ladeparks Erzeuger grünen Stroms wie Solar- oder Windparks finden. Idealerweise können wir mit diesen Power Purchase Agreements abschließen und ihren Strom über eine eigene Verbindung direkt in das Netz unserer jeweiligen Ladeparks einspeisen. Dann haben wir eine Garantie, dass wir wirklich zu 100 Prozent klimaschonend erzeugten Strom bekommen. Das geht aber leider noch nicht überall, weil es die Netzzugangsvorschriften in manchen europäischen Ländern nicht erlauben.

Milence dekarbonisiert den Schwerlastverkehr

Milence CCS-Ladestation Hermsdorfer Kreuz. (Bild: Milence)

Milence wurde im Juli 2022 als Joint Venture von Daimler Truck, der Traton Group und der Volvo Group gegründet. Ziel ist, bis 2027 in Europa 1.700 öffentliche Ladepunkte für batterieelektrische Lkw und Busse, unabhängig von ihrer Marke, zu errichten.

Im März stellte das in Amsterdam ansässige Unternehmen die Ladeinfrastruktur entlang des Korridors Barcelona-Lyon fertig. Insgesamt sind aktuell 20 Ladeparks in Betrieb. An diesen finden Kunden CCS-Ladeparks mit einer Leistung zwischen 300 und 400 Kilowatt (kW).

Künftig will Milence Ladesäulen mit einer Leistung bis zu 1.000 kW installieren. Damit können Fahrer ihre Lkw in 30 bis 45 Minuten vollständig elektrisch laden. Außerdem finden sie in den Ladeparks moderne Aufenthaltsräume sowie zuverlässig gepflegte Toiletten und Duschen.

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