Olga Gebhard und Rohitashwa Pant

Olga Gebhard und Rohitashwa Pant von Schuler: Das Ziel ist der erste digitale Pressenhersteller. (Bild: Rüdiger J. Vogel)

Maschinenbauer neue Partner. Chief Digital Information Officer (CDO) Rohitashwa Pant und Olga Gebhardt, Vice President Supply Chain (CPO), treiben den digitalen Wandel voran. Gesucht: ein neues Lieferantenportfolio.

TECHNIK+EINKAUF: Herr Pant, wie würden Sie als CDO die Digitalisierungsstrategie von Schuler beschreiben? Schließlich reden wir von einem klassischen Maschinenbauunternehmen.

Rohitashwa Pant: Genau aus diesem Grund mussten wir diesen Begriff, unter dem sehr viel subsummiert wird, für Schuler zunächst definieren und entmystifizieren. Digitalisierung ist für Schuler kein Marketing-Gag. Wir meinen es ernst, wenn wir sagen, wir wollen der erste digitale Pressen-Bauer sein. Wir verstehen Umformtechnik seit Jahrhunderten. Zu Umformexpertise kommt nun die Softwareexpertise. Dabei sehen wir uns als Kurator, der digitale Lösungen rund um die Umformtechnik selbst oder durch Partner entwickelt und für die Kunden optimal zusammenführt.

Frau Gebhardt, wie blickt der Einkauf auf das Thema Digitalisierung?

Olga Gebhardt: Für den Einkauf geht es zunächst darum, die Informationslage über analytische Tools wie von Celonis zu verbessern, die Lieferanten noch enger zu integrieren und unsere Supply-Chain-Prozesse zu digitalisieren. Transaktional sind wir gut aufgestellt. Aktuell haben wir 25 Prozent unserer Bestellungen automatisiert. Das ist in unserer Branche ein sehr guter Wert, der uns bereits effektiv dabei geholfen hat, Kosten einzusparen. Im nächsten Schritt wollen wir nun auch die analytischen Erkenntnisse besser nutzen, um unsere Beschaffungsstrategie zu optimieren und proaktiver zu werden. Mit Blick auf das Risikomanagement, die Pandemie und ihre Folgen prüfen wir gerade digitale Lösungen, um möglichst früh Ausfallrisiken in den Lieferketten zu erkennen.

Welche Berührungspunkte haben CDO und CPO im Tagesgeschäft?

Pant: Zum einen über unsere Produkte, mit denen wir Maschinen- und Produktionsdaten für unsere Kunden auswerten. Zum anderen über die Digitalisierung des Einkaufs selbst. Dabei muss man wissen, dass die Entwicklung digitaler Produkte nicht so linear verläuft wie klassisches R&D im Maschinenbau. Mit digitalen Produkten erzielt man, anders als wir das im Maschinenbau gewohnt sind, keine jahrelangen Wettbewerbsvorteile. Das Geschäft ist sehr viel schneller und modularer. Es geht viel intensiver darum, neue Ideen aus der eigenen Domain und von den Partnern zu integrieren, die Risiken zu teilen und den Ablauf zu beschleunigen. Das klappt nur, wenn wir mit dem Einkauf eng zusammenarbeiten. Mit Lieferanten erst über die Technik reden und später den Preis drücken, das funktioniert in diesem Markt überhaupt nicht.

Gebhardt: Der CDO ist unser interner Kunde, genauso wie unsere Divisionen. Für beide ist es wichtig, dass der Einkauf im Dialog vorne mit dabei ist. Hierfür bringen wir Fachwissen und methodische Kompetenz ein und können, wenn wir früh eingebunden sind, hervorragende Ergebnisse erzielen. Deshalb treffen wir uns schon zu Jahresbeginn, gleichen unsere Pläne ab und wissen, welcher Bedarf entsteht. Der CDO ist zudem Sparringspartner des Einkaufs, wenn es um Digitalisierungsthemen in der Beschaffung geht. Wir haben eine Abteilung Digital Procurement, in der die digitale Beschaffungsstrategie definiert wird. Hier tauschen wir uns mit dem CDO zur digitalen Reise des Einkaufs und Supply Chain aus.

Vita Olga Gebhard

Olga Gebhard
(Bild: Rüdiger J. Vogel)

Olga Gebhardt ist seit 2009 für Schuler tätig. Zunächst als Leiterin Supply Chain Schuler China und über weitere Stationen führt sie heute als Vice President Supply Chain Management den internationalen Einkauf des Konzerns. Zuvor hatte die Betriebswirtin Positionen für Siemens und MTU im Vertrieb und Einkauf in und für Deutschland, China und Osteuropa inne.

Gibt es beim Zukauf für Digitalprodukte Unterschiede zu den traditionellen Warengruppen?

Gebhardt: Wir sind ein technologiegetriebenes Unternehmen, sind es also gewohnt, technisch geprägte Produkte einzukaufen. Der IT-Einkauf ist hier ähnlich gelagert. Die Beschleunigung und Komplexität in der Welt der digitalen Produkte setzt voraus, dass wir mit dem CDO vom Start Hand in Hand arbeiten. Um erfolgreich zu sein, ist der eine auf den anderen angewiesen. Nur so kann man die optimale Technik zum besten Preis bekommen.

Pant: Der kritische Punkt für Schuler ist, welchen Anteil der Wertschöpfung machen wir selbst, was geben wir nach außen. Digitalisierung gilt in jedem Unternehmen heute als strategisch extrem relevant. Hier den eigenen Core sauber zu definieren, ist ausschlaggebend, denn aufgrund der geforderten Schnelligkeit ist die Zusammenarbeit mit Partnern unabdingbar. Man muss also erkennen, an welchen Stellen Partner den Prozess strategisch relevant voranbringen, weil man etwa von deren kürzeren Innovationszyklen profitiert. Entscheidend ist der strategische Hebel, der durch eine Partnerschaft entsteht. Hierfür muss man nicht nur den Ist-Zustand betrachten, sondern vor allem künftige Szenarien.

Wie finden Sie die für Ihr Digitalbusiness strategisch relevanten Lieferanten?

Gebhardt: Auch das geschieht in Zusammenarbeit. In unseren Jahresplanungen legen wir die Highlight-Themen fest. Oft hat die Technik bereits Vorstellungen, welche Partner es gibt. Aber auch der Einkauf hat Spezialisten und Spezialistinnen im IT-Umfeld. Außerdem hilft die Anbindung an unsere Muttergesellschaft Andritz, auf deren Expertise wir ebenfalls zugreifen können.

Pant: Lieferantenscouting ist Teamarbeit. Es geht hier niemals um rollenbasierte Verantwortung, sondern immer um eine kompetenzbasierte Zusammenarbeit.

Welche Erfahrungen gibt es mit Start-ups?

Gebhardt: Die Zusammenarbeit empfinde ich als sehr bereichernd. Die Unternehmenskultur ist offen, die Hierarchien flach, die Teamstrukturen agil. Aber natürlich muss es wie überall passen. Gibt es nur wenige Referenzen, geht man natürlich Risiken ein. In solchen Fällen legen wir ein besonderes Augenmerk auf saubere Klärung der technischen Anforderungen. Zusätzlich besuchen wir Referenzkunden solcher Start-ups, virtuell oder persönlich, und verschaffen uns einen Eindruck aus der Praxis. Das hilft enorm und ist etwas ganz anderes, als wenn man sich nur die Vertriebspräsentationen anschaut.

Pant: Geht die Zusammenarbeit mit Start-ups schief, hängt es meiner Erfahrung nach weniger an den Mitarbeitern, sondern an den Erwartungen der Führungskräfte. Bei vielen ist die Brille zu rosig, man glaubt, man könne flugs ein eigenes internes Start-up gründen und es selbst viel besser. Wichtig ist, dass man für externe Partner bereit ist, ihre Expertise respektiert und diese für das eigene Unternehmen gewinnbringend nutzt. Niemand kann Experte für alles sein. Das ist es, was wir im Zuge der Digitalisierung lernen müssen. Es geht darum, offen in langfristige Beziehungen zu investieren.

Vita Rohitashwa Pant

Rohitashwa Pant, Schuler
(Bild: Rüdiger J. Vogel)

Der Ingenieur und Betriebswirt Rohitashwa Pant treibt seit 2020 als Chief Digital Officer die Digitalisierung des Schuler Konzerns voran. Frühere Stationen im Bereich Digitalisierung und Industrie 4.0. waren unter anderem bei Kuka, Accenture, Nokia und Siemens in Deutschland und in den USA.

Wie überwinden Sie diese Hindernisse?

Gebhardt: Digitalisierung ist eine Frage des Invests und einer längeren, manchmal durchaus frustrierenden Phase der Implementierung, bis man die Früchte der Arbeit genießen kann und die Verbesserungen spürt. Hier braucht man einen langen Atem. Es ist allerdings auch eine Frage des Mindsets. Natürlich sind wir vom Mindset erstmal Maschinenbauer, ein traditionelles Haus. Wie digital sich die Mitarbeiter empfinden, ist ein zentrales Thema. Als die digitale Zusammenarbeit durch die Pandemie alternativlos wurde, haben wir unseren Status quo hinterfragt, Neues ausprobiert, und es hat gut funktioniert. Diesen Beweis haben wir jetzt, und das hilft auch an anderer Stelle. Es gilt, auf den Zug aufzuspringen, bevor er weg ist. Hierfür muss manchmal ein Ruck durch die Organisation gehen.

Pant: ‚Walk the talk‘ ist eine unserer Maximen. Das bedeutet, viel darüber reden, moderner werden, Digitalisierung top down über die Führungskräfte leben. Damit haben wir gute Erfahrungen gemacht. Digitalisierung muss zudem jeder für sich selbst denken, überlegen, was er oder sie im eigenen Umfeld anders gestalten kann. Genauso wichtig: Die Mitarbeiter schulen und sie begleiten. Nur wer etwas versteht, kann mitmachen. Einfach ein neues Tool einführen und ansonsten bleibt alles, wie es ist, funktioniert nicht. Digitalisierung geht nicht mehr weg. Das müssen alle verstehen und leben.

Wie gestaltet sich für Sie beide die Zusammenarbeit mit R&D?

Pant: In der Zusammenarbeit ist der gegenseitige Respekt für die Kompetenzen und Probleme des anderen ausschlaggebend. Deshalb haben wir Mitarbeiter, die selbst aus der Konstruktion kommen. Wichtig ist, dass man die gleiche Sprache spricht. Diese Schnittstelle hat sehr viel mit Kommunikation und Verständnis zu tun. Man braucht eine gemeinsame Basis.

Gebhardt: In der Beschaffung suchen wir nach einem optimalen Weg zwischen gebündelter Marktausrichtung, mit einer starken Position gegenüber den Lieferanten und der Divisionsorientierung mit dem spezifischen Projektfokus. Deshalb gibt es bei uns Category Management und Projekteinkauf. Unsere Divisionen sind unterschiedlich, dementsprechend muss die Beschaffung individueller arbeiten. In den letzten Jahren haben wir Early Involvement sowie die Produktausrichtung ausgebaut und sind heute auf dem Weg, in jeder Division noch pro­jekt­orientierter zu werden. Unsere Projekteinkäufer sind bei jedem Projektgespräch in der Vertriebsphase dabei und kaufen die A-Bedarfe selbst ein. Das heißt, wir optimieren live mit dem Kunden. Zudem gibt es mehr Abgleich zwischen dem Category Management und den Divisionen. Da definieren wir nicht mehr im Alleingang, sondern starten gemeinsam jährlich projektunabhängige, strategische Optimierungsinitiativen zu Kosten-, Qualitäts- und Supply-Chain-Themen und verfolgen deren Umsetzung.   

Das Unternehmen: Schuler AG

Die Schuler AG, ein Unternehmen der österreichischen Andritz AG, ist Technologie- und Weltmarktführer in der Umformtechnik (Pressen, Automatisierungslösungen, Werkzeuge, Prozess-Know-how, Services). Zum Portfolio gehören virtuelle Produktplattformen zur Reduktion von Stückkosten, Erhöhung der Effektivität und Fehlerbehebung. Stammsitz des Unternehmens ist Göppingen.

Inwiefern verändert der digitale Wandel Ihre Wertschöpfungsketten?

Gebhardt: Mit Blick auf unsere Digitalstrategie stellen wir uns die Frage: Wo wollen wir wachsen und mit welchen Lieferanten Partnerschaften eingehen? Wo liegen unsere Stärken, wo die Stärken der Partner? Welches Portfolio bauen wir auf? In der Zusammenarbeit mit unseren traditionellen Lieferanten weltweit geht es zudem um eine engere digitale Integration in die Lieferkette.

Je nach Portfolio bauen aber auch unsere Bestandslieferanten etwa aus dem Elektronik­umfeld Softwarekompetenzen auf. Dadurch kommen von dort Ideen aus der Software für konstruktive Veränderungen, wodurch die Zusammenarbeit plötzlich stärker in Richtung Innovation geht.

Was sind Ihre nächsten Ziele? Welche Zukunftsprojekte treiben Sie an?

Pant: Für die weitere Digitalisierung unserer Produktwelten liegt der Fokus aktuell auf der Umsetzung. Die Themen sind gesetzt. Die Umsetzung wird uns eine Weile beschäftigen. Hier gilt es, weiter Fahrt aufzunehmen. Hinzu kommt die weitere Digitalisierung des Gesamtunternehmens, das heißt die Gestaltung des Arbeitsplatzes der Zukunft, die Virtualisierung über die private Cloud sowie der ERP-Umstieg als zentralen Hebel und strategischen Vorteil für unser Unternehmen.

Gebhardt: Wir haben uns erfolgreich von einem zuvor rein taktischen in einen strategischen Einkauf, mit dem Fokus auf Materialkostensenkung, gewandelt. Das Thema Kostenreduktion wird bleiben – auch für unsere Projekteinkäufer in den Divisionen. Jetzt geht es darum, holistischer zu gestalten und den Projekterfolg mit KPIs wie Qualität, Zeit und Performance noch stärker in den Fokus nehmen.

Es geht darum, Materialkosten zu sparen und dann das Ersparte nicht anderswo in internen Prozessen zu verlieren. Zusätzlich arbeiten wir daran, die Schnittstellen in der Beschaffung projektorientierter zu gestalten.

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