Zwei Figuren mit dem Anstrich einer britischen und einer EU-Flagge stehen sich auf einem Schachbrett gegenüber

Brexit-Schach: Kommt der harte Brexit? (Bild: Pixelbliss/Adobestock)

Der Brexit scheint wie eine unendliche Geschichte. Doch nun soll es zum Jahresende soweit sein.

Dabei liegt die Wahrscheinlichkeit eines Ausscheidens der Briten aus der Europäischen Union (EU) ohne Handelsabkommen bei mittlerweile gut 45 Prozent. Davon geht der Kreditversicherer Euler Hermes in seiner aktuellen Studie aus.

Allerdings rechnen die Experten auch damit, dass sich beide Parteien in letzter Sekunde einigen. Das scheint ihnen zufolge das wahrscheinlichste Szenario zu sein.

Es drohen Einbußen von fast 14 Milliarden Euro

„Ein harter Ausstieg zusätzlich zur Covid-19-Pandemie und der sowieso schon schwierigen wirtschaftlichen Lage würde vor allem Großbritannien selbst sehr hart treffen“, sagt Ana Boata, Leiterin Makroökonomie bei der Euler Hermes Gruppe.

„Für die Briten stehen bis zu 15 Prozent der Exporte in die EU (gemessen am Volumen) und damit 13,7 Milliarden Euro auf dem Spiel. Zudem stünde bei einem harten Brexit 2021 ein weiterer Einbruch der britischen Wirtschaft ins Haus.“

Die Volkswirte von Euler Hermes gehen bei einem harten Ausstieg für 2021 von einer erneuten Rezession von minus fünf Prozent beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) aus. Auch die Inflation sehen sie oberhalb von fünf Prozent.

Die Preissteigerungen sind vor allem bedingt durch

  • höhere durchschnittliche Importsteuern (bis 2,6 Prozent) sowie
  • eine signifikante Steigerung der nicht-tarifären Hürden, wie zum Beispiel höhere Transportkosten oder Lieferkettenunterbrechungen. Sie können bis zu zehn Prozent ausmachen.
  • Zudem wertet in einem solchen Szenario das britische Pfund gegenüber dem Euro um voraussichtlich rund zehn Prozent in 2021 ab.

Auch die Pleiten dürften in Großbritannien drastisch steigen. Bis zu 53 Prozent mehr Insolvenzen könnte es 2021 geben, so Euler Hermes.

Harter Ausstieg, harte Folgen: Rezession, Inflation und Insolvenzen

„Wir sehen mit plus vier Prozent schon 2020 einen Anstieg bei den Pleiten in Großbritannien, dessen Wirtschaft durch die Covid-19-Pandemie schon sehr gebeutelt ist“, sagt Ron van het Hof, CEO von Euler Hermes in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

„Mit einem harten Ausstieg käme es 2021 allerdings zu einem regelrechten Tsunami bei den Insel-Insolvenzen: Ein Zuwachs von voraussichtlich 53 Prozent wäre die traurige Folge im kommenden Jahr.“

Aber auch ein Handelsabkommen würde die Zahl der Insolvenzen 2021 in die Höhe treiben. Allerdings würde die Steigerung mit "nur" 31 Prozent etwas geringer ausfallen. Das Gute: Im Sezanrio mit Abkommen würd sich das BIP mit einem Wachstum um 2,5 Prozent etwas erholen.

Deutsche Unternehmen wären größte Verlierer in der EU vor Niederlande und Frankreich

Die steigenden Preise für importierte Waren träfen bei einem Ausstieg ohne Abkommen allerdings auch zahlreiche EU-Länder hart. Allen voran Deutschland.

„In der EU stehen insgesamt Exporte in Höhe von rund 33 Milliarden Euro auf dem Spiel, davon drohen mit 8,2 Milliarden Euro die größten Einbußen in Deutschland“, sagt Van het Hof. „Das entspricht 11,2 Prozent der Ausfuhren ins Vereinte Königreich und 0,6 Prozent der gesamten deutschen Ausfuhren."

Aus Deutschland würden die Briten bei einem harten Brexit vor allem aus den folgenden Bereichen weniger einkaufen:

  • Transportmittel und -ausrüstungen (2,9 Mrd. Euro),
  • Maschinenbau (1,4 Mrd. Euro),
  • Chemie (752 Mio. Euro),
  • Kunststoffe und Gummi (603 Mio. Euro) sowie
  • Metalle (540 Mio. Euro)

Bei einem Brexit mit Abkommen wären es immerhin noch geschätzte 4,2 Milliarden Euro Einbußen.

Niederlande und Frankreich ebenfalls in der Bredouille

Mit etwas Abstand folgen die Niederlande und Frankreich. Aus den Niederlanden würden britische Unternehmen geschätzte 4,8 Milliarden Euro weniger beschaffen, in Frankreich wären es Waren und Dienstleistungen im Wert von 3,6 Milliarden Euro, die nicht über den Kanal gehen.

Betroffen sind in den beiden Ländern vor allem der Maschinenbau, die chemische Industrie, Ausrüster für Transportunternehmen sowie Textilien (Niederlande) und Nahrungsmittel und Schmuck (Frankreich). 

Ebenfalls stark betroffen wären Belgien (-3,16 Mrd. Euro), Italien (-2,6 Mrd. Euro) und Spanien (-2 Mrd. Euro).

Briten müssen mehr für Schuhe und Regenschirme zahlen

Deutlich mehr Geld müssten die Briten künftig unter anderem für Schuhe, Hüte oder die auf der Insel praktisch unverzichtbaren Regenschirme auf den Tisch legen. Euler Hermes rechnet damit, dass die Preise für diese Waren um rund 20 Prozent anziehen.

Ebenfalls betroffen wären Textilwaren, Dekorationsprodukte wie Federn oder künstliche Blumen sowie für lebendige Tiere und Tierprodukte. Auch für Speisen und Getränke, Alkohol, Tabak oder Essig müssen die Verbraucher im Vereinten Königreich deutlich tiefer in die Tasche greifen.

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