Unabhängig und resilient werden

So meistern Unternehmen ihre Eigenstromversorgung

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Fotovoltaikmodule am Dach - Nahaufnahme
Auf dem Weg in die Eigenstromversorgung müssen Unternehmen einiges beachten. Unser Gastbeitrag beleuchtet diese Aspekte.

Worauf müssen Unternehmen achten, wenn Sie ihren Strom selbst produzieren wollen? Welche Lösungen es für die drei wichtigsten Herausforderungen gibt.

Energieautarkie ist längst mehr als eine idealistische Vision. Angesichts dauerhaft hoher Strompreise, wachsender Unsicherheiten auf den Energiemärkten sowie steigender Anforderungen an Nachhaltigkeit und Klimabilanz rückt die eigene Energieerzeugung für viele produzierende Unternehmen in greifbare Nähe – und zugleich ins Zentrum strategischer Überlegungen.

Wer Strom aus Photovoltaikanlagen, Blockheizkraftwerken oder Speichern künftig selbst erzeugen will, sieht sich jedoch mit einem komplexen Geflecht aus rechtlichen Vorgaben, technischen Hürden und organisatorischen Herausforderungen konfrontiert. Worauf also müssen Unternehmen achten, wenn sie in die Eigenstromversorgung einsteigen wollen? Wir beantworten die Frage, warum eine frühzeitige, interdisziplinäre Herangehensweise entscheidend ist.

Energie selbst erzeugen: wirtschaftlich sinnvoll, aber kein Selbstläufer

Die Ausgangslage ist klar: Laut der Strompreisanalyse 2025 des BDEW lagen die Strompreise für kleine bis mittlere Industriebetriebe zuletzt bei durchschnittlich 18,31 Cent pro Kilowattstunde – ein Plus von über sieben Prozent gegenüber dem Vorjahr. Gleichzeitig sind viele energiepolitische Weichenstellungen – etwa rund um die Industriestrompreise oder die Stromsteuer – weiterhin unklar oder in Verhandlung. Das macht langfristige Kalkulationen schwierig und erhöht den Druck auf Unternehmen, nach stabileren Lösungen zu suchen.

Technologisch ist der Weg zur Eigenversorgung heute so realistisch wie nie: Die Preise für Photovoltaikmodule, Wechselrichter und andere Komponenten sind in den vergangenen Jahren gesunken. Zudem lassen sich Planung, Steuerung und Einspeisung durch digitale Lösungen effizienter gestalten. Wer den richtigen Zeitpunkt nutzt, kann nicht nur Kosten sparen, sondern auch seine Resilienz stärken und ESG-Ziele unterstützen.

Doch so attraktiv die Perspektive auch klingt, der Weg zur Eigenstromversorgung ist weit entfernt von einem Standardprojekt.

Die drei zentralen Herausforderungen für Unternehmen

Regulatorik: Die rechtlichen Rahmenbedingungen für Eigenstromprojekte sind vielschichtig und unterliegen häufig Änderungen. Zwar entfällt die EEG-Umlage für selbst erzeugten und verbrauchten Strom mittlerweile, doch zahlreiche andere Abgaben, Meldepflichten und steuerliche Anforderungen bleiben bestehen. Besonders herausfordernd ist die sogenannte Drittmengenabgrenzung: Unternehmen müssen exakt messen, welche Strommengen für den Eigenverbrauch bestimmt sind und welche etwa an Dienstleister oder Mieter auf dem Betriebsgelände weitergegeben werden. Ohne ein rechtssicheres Messkonzept drohen Nachzahlungen oder der Verlust von Förderansprüchen. Zusätzlich gilt es, aktuelle Entwicklungen auf EU-Ebene (z. B. im Rahmen der Strommarkt-Reform) und nationale Gesetzesnovellen im Blick zu behalten. Gerade weil viele Details noch ungeklärt sind, ist eine kontinuierliche regulatorische Begleitung sinnvoll.

Netzanschluss: Auch die technische Integration der Anlagen ist anspruchsvoller als zunächst angenommen. Der Anschluss von PV-Anlagen, Speichern oder Blockheizkraftwerken an das bestehende Firmennetz erfordert eine detaillierte Planung, insbesondere wenn mehrere Gebäude oder Standorte betroffen sind. Ein zentrales Thema ist dabei die Abstimmung mit dem jeweiligen Netzbetreiber. Je nach Netzstruktur und Leistungsdimension der geplanten Anlage können umfangreiche Nachweise, Lastgangprognosen oder Einspeisekonzepte erforderlich sein. Verzögerungen entstehen hierbei oft nicht durch technische Probleme, sondern durch unklare Zuständigkeiten und fehlende Standardprozesse.

Förderungen: Zahlreiche Förderprogramme auf Bundes- und Landesebene unterstützen den Aufbau einer eigenen Energieerzeugung. Dazu zählen Investitionszuschüsse, zinsgünstige Darlehen und steuerliche Vorteile. Doch der Zugang zu diesen Mitteln ist oft mit hohem Aufwand verbunden. Die Anträge sind komplex, die Fristen sind eng und Änderungen in den Richtlinien erfolgen mitunter kurzfristig. Zudem müssen Unternehmen meist nachweisen, dass das Projekt ohne Förderung nicht wirtschaftlich tragfähig wäre – ein Spagat, der gerade im Mittelstand nicht einfach zu bewältigen ist. Wer sich hier allein auf interne Ressourcen verlässt, verliert schnell den Überblick.

Empfehlungen für den erfolgreichen Einstieg

Aus Sicht der Praxis lassen sich einige Handlungsempfehlungen ableiten, die Einkaufs- und Technikverantwortlichen den Einstieg erleichtern:

Interdisziplinär denken und frühzeitig starten: Eigenstromversorgung ist kein reines Technikprojekt. Neben der technischen Planung müssen wirtschaftliche, regulatorische und organisatorische Aspekte berücksichtigt werden. Daher empfiehlt sich eine Projektgruppe mit Vertretern aus Technik, Einkauf, Controlling und – idealerweise – externer Fachberatung.

Lastgänge analysieren und Potenziale identifizieren: Der erste Schritt sollte stets eine fundierte Analyse des Energieverbrauchs sein. Wann wird wie viel Strom benötigt? Wo bestehen Lastspitzen? Welche Lastprofile könnten durch Speicher oder Lastverschiebung optimiert werden? Diese Informationen sind essenziell für die Auswahl geeigneter Technologien und für die spätere Wirtschaftlichkeitsrechnung.

Fördermittel prüfen, aber nicht überbewerten: Zwar können Fördermittel den Einstieg erleichtern, sie sollten aber nicht das alleinige Argument für ein Projekt sein. Oft ist eine Investition auch ohne Zuschüsse wirtschaftlich tragfähig, insbesondere bei steigenden Strompreisen. Entscheidend ist, die Förderoptionen frühzeitig zu prüfen und mit realistischen Zeitplänen zu arbeiten.

Partner mit Erfahrung einbinden: Gerade bei der Umsetzung empfiehlt es sich, auf Dienstleister zurückzugreifen, die neben technischen Lösungen auch regulatorisches Know-how mitbringen, beispielsweise in Bezug auf Messkonzepte, Netzanschlussverfahren oder energiewirtschaftliche Abrechnung. So lassen sich Risiken minimieren und Prozesse beschleunigen.

Regeln, Technik und Wirtschaft unter einen Hut bringen

Die Eigenstromversorgung bietet produzierenden Unternehmen in Deutschland große Chancen: niedrigere Energiekosten, mehr Versorgungssicherheit, eine verbesserte CO₂-Bilanz und ein positiveres Unternehmensimage. Doch der Weg dorthin ist komplex und ohne Vorbereitung riskant. Wer regulatorische Vorgaben, technische Anforderungen und wirtschaftliche Rahmenbedingungen frühzeitig in Einklang bringt, kann die Weichen für eine unabhängige, resilienet und wirtschaftlich sinnvolle Energiezukunft stellen.

Franziska Huber

Die Autorin: Franziska Huber

Franziska Huber ist Geschäftsführerin der Meistro Energie sowie CCO der Meistro Holding. Als Expertin für Energiemanagement und erneuerbare Energien unterstützen sie und die Meistro Gruppe Unternehmen auf ihrem Weg zu maßgeschneiderten Energielösungen.

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