
TSMC baut Halbleiterwerk in Dresden. (Bild: ryanking999 - stock.adobe.com)
2027 will das taiwanesische Unternehmen TSMC mit drei Partnern im Norden von Dresden Chips vor allem für die Automobilindustrie produzieren. Der weltweit größte Auftragsproduzent von Silizium-Mikroelektronik kommt damit definitiv nach Europa. Die Chipfabrik wird ESMC heißen und ist ein Gemeinschaftsunternehmen von TSMC und weiteren Chipherstellern.
Wer ist Teil von ESMC?
TSMC baut gemeinsam mit den drei Unternehmen Bosch, Infineon und NXP Semiconductor die Halbleiterfabrik. Die Partner, die allesamt eigene Fertigungsstätten in Dresden unterhalten, sollen jeweils zehn Prozent am Gemeinschaftsunternehmen European Semiconductor Manufacturing Company (ESMC) halten, TSMC 70 Prozent.
Das Unternehmen erwartet, dass die Investitionssumme zehn Milliarden Euro übersteigen wird. Die Hälfte der Investitionskosten wird von den Steuerzahlern in Deutschland aufgebracht, denn der Deal umfasst ein staatliches Subventionspaket.
Welche Halbleiter werden in Dresden hergestellt?
Im Gegensatz zu den Chips für Hochleistungs-Smartphones sollen die Halbleiter aus dem neuen Werk in Dresden nicht in den neuesten 3- oder 4-Nanometer-Verfahren hergestellt werden, sondern mit größeren Strukturbreiten. Solche Chips sind in der Automobilindustrie gefragt. Mit der Ausbreitung vernetzter Fahrzeuge und Elektroautos benötigt die Branche immer mehr davon.
Wie viele Fachkräfte braucht das neue Werk?
Bei ESMC sollen 2.000 Arbeitsplätze entstehen. Für den Fachkräftebedarf wird schon vorgesorgt. Dieser Tage kehrten die ersten 30 Studenten sächsischer Hochschulen aus Taiwan zurück. Sie hatten dort sechs Monate studiert und Praktika bei TSMC absolviert. Im kommenden Jahr soll eine duale Ausbildung in den Berufen Mikrotechnologe und Mechatroniker beginnen. Im Januar 2025 will das Unternehmen auf der Ausbildungsmesse "Karrierestart" in Dresden präsent sein. Auch Fachkräfte aus Taiwan sollen die Arbeit in Dresden unterstützen.
Kurze Vorlaufzeit
Die ersten Gerüchte über die Ansiedlung der Chipfabrik kamen vor Weihnachten 2022 auf: Eine Delegation des Chip-Riesen TSMC besucht Dresden. Möglicherweise würde das Unternehmen nach einem Standort für einen deutschen Fertigungsstandort suchen. Mitglieder der TSMC-Chefetage trafen sich mit Politikern um ein eventuelles Investment zu sondieren. Damals berichtete Nikkei Asia darüber. Die Zeitung spekulierte bereits sehr konkret über einen möglichen Baubeginn in 2024. Man befinde sich in "fortgeschrittenen Gesprächen", so Nikkei Asia.
Das ist umso erstaunlicher, da TSMC im Sommer 2021 - zum Höhepunkt der Chipkrise - von zahlreichen Kunden gefragt wurde, ob eine Produktion in Deutschland in Frage käme. Aus Taiwan kamen jedoch nur ausweichende Antworten wie "Wir schließen keine Möglichkeit aus". Konkrete Pläne für eine Halbleiter- bzw. Wafer-Fabrik in Deutschland gab es zu dem Zeitpunkt jedoch nicht.
Nach einem zweiten Besuch in Dresden gab es zwar keine Bestätigung für konkrete Pläne, allerdings verdichtetn sich die Hinweise auf einen deutschen Standort des Halbleiter-Riesen. Dass das "Silicon Saxony" dabei ein heißer Kandidat ist, wundert nicht, haben sich hier immerhin , und Globalfoundries mit ihren Fabs angesiedelt. Intels neues Werk soll im nicht weit entfernten Magdeburg entstehen.
Welche Chips könnte TSMC in Dresden produzieren?
TSMC ist eigentlich dafür bekannt, Halbleiter mit sehr kleinen Strukturgrößen zu produzieren. So ist die Chip-Produktion mit drei Nanometern im Jahr 2022 gestartet. für 2025 peilen die Taiwaner die zwei Nanometer an. Zwei Jahre später sollen es 1,4 Nanometer sein. Ihr Vorteil: Bei gleicher Leistung ziehen die kleinen Chips etwa 30 Prozent weniger Energie. Benötigt werden diese Halbleiter vor allem in High-End-Geräten, etwa Smartphones, PCs oder Laptops.
Im Gegensatz dazu setzt die Automobilindustrie bislang noch auf Halbleiter mit größeren Strukturbreiten. Aber auch hier geht zumindest der Trend in Richtung "kleiner". Denn TSMC produziert seit 2018 7-nm-Chips für Automobilhersteller. Diese kommen etwa in Fahrerassistenzsystemen oder für autonomes Fahren zum Einsatz.
Genau solche Chips könnten sollen ab 2027 im Dresdner Werk produziert werden. Zielkunden für die deutschen TSMC-Prozessoren wären ausdrücklich nicht Desktop- oder Handy-Hersteller. Vielmehr will der Konzern den Bedarf der hiesigen Automobil-OEMs und Zulieferer vor Ort decken und in Europa die Versorgungssicherheit zu stabilisieren.
Warum weicht TSMC von seiner Taiwan-Only-Strategie ab?
Im Windschatten des Ukraine-Kriegs und der strengen Null-Covid-Politik Chinas hat sich die wirtschaftspoltitische Lage 2022 radikal geändert. Lieferketten blieben instabil und es zeigte sich, dass eine zu hohe regionale Abhängigkeit langfristig zu Problemen führen kann. Und das liegt im Fall Taiwans direkt vor der Haustür: China. Das Wiedervereinigungstrommeln des chinesischen Präsidenten Xi Jinping wird lauter und eine Invasion Chinas würde zu nicht absehbaren Folgen (nicht nur) für den weltweiten Chiphandel führen.
Bislang setzte TSMC auf rein taiwanische Produktion mit zusätzlichen Werken in China. Der Hauptsitz befindet sich in Hsinchu, Fertigungsstätten gibt es daneben in Tainan, Taoyuan, Zhunan, und Taichung (alle Taiwan) sowie in Nanjing und Songjiang (beide China). Aber auch in Kumanoto (Japan) sowie Camas (USA) und Singapur gibt es Fertigungsstrecken. In den USA entsteht zudem in Phoenix ein Neubau, der 2024 in Betrieb gehen soll, deren Hauptabnehmer Apple sein wird. Eine Fab in Europa, speziell Dresden, würde in dieses Bild der globalen Diversifizierung des Chip-Konzerns passen.

Die Autorin: Dörte Neitzel
Dörte Neitzel ist Wissens- und Infografik-Junkie vom Dienst. Dinge und Zusammenhänge zu erklären ist ihr Ding, daher beschreibt sie sich selbst auch gern als Erklärbärin mit Hang zur Wirtschaft – was einem lange zurückliegenden VWL-Studium geschuldet ist. Nach einigen Stationen im Fachjournalismus lebt sie dieses Faible bevorzugt auf der Webseite der TECHNIK+EINKAUF aus und taucht besonders gern ab in die Themen Rohstoffe und erneuerbare Energien.
Privat ist Südfrankreich für sie zur zweiten Heimat geworden, alternativ ist sie in der heimischen Werkstatt beim Schleifen, Ölen und Malern alter Möbel zu finden oder in südbayerischen Berg-und-See-Gefilden mit Hund im Gepäck unterwegs.
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