Blick auf den Container Terminal Tollerort im Hamburger Hafen mit einem angelegten COSCO-Schiff

Der Container Terminal Tollerort (CTT) im Hamburger Hafen könnte teilweise chinesisch werden. (Bild: HHLA/Thies Rätzke)

Cosco Shipping Ports (CSPL) darf eine 24,9-prozentige Minderheitsbeteiligung am Container Terminal Tellerort (CTT) kaufen. Dafür hat die Bundesregierung jetzt ihr OK gegeben. Im September 2021 teilte die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) mit, dass "Verhandlungen über eine strategische Beteiligung von CSPL an CTT" abgeschlossen seien. Der Anteil betrug damals noch 35 Prozent.

CSPL ist eine Tochtergesellschaft der chinesischen Staatsreederei China Ocean Shipping (Group) Company, kurz Cosco. CTT gehört zu den vier großen Containerterminals im Hamburger Hafen. Drei davon werden von der HHLA betrieben. Über den Preis hielten sich die Parteien bedeckt, lediglich von den Kartellbehörden brauchte es noch das finale OK.

Politik bekam Bedenken

Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine wird die Frage lauter, wie viel Abhängigkeiten sich Deutschland leisten kann. Insbesondere der Besuch von Nancy Pelosi in Taiwan und dem darauf folgenden Säbelrasseln Chinas befeuerte die Notwendigkeit von Antworten. Denn China verfolgt weltweit eine stark politisch orientierte strategische Investitionspolitik, die auf Abhängigkeiten abzielt.

Ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums bestätigte, dass ein Investitionsprüfverfahren für den Cosco-Einstieg am Hamburger Hafen laufe, weil es sich bei Häfen um kritische Infrastruktur handle. Er dementierte jedoch, dass Wirtschaftsminister Robert Habeck ein Veto eingelegt habe.

Wie der Tagesspiegel unter Berufung auf die Nachrichtenagentur Reuters schrieb, sei man sich in der Bundesregierung aber uneins, ob der Einstieg genehmigt oder abgelehnt werden soll. In den von den Grünen geführten Außen- und Wirtschaftsministerien gebe es eine klare Tendenz zu einer Ablehnung, im Kanzleramt dagegen Vorbehalte, hieß es übereinstimmend. Weil es sich bei dem Hafen um sogenannte "Kritische Infrastruktur" handelt, hat das Wirtschaftsministerium ein Investitionsprüfverfahren gestartet.

Erst im Mai hatte das Wirtschaftsministerium vier Anträge von Volkswagen auf Verlängerung staatlicher Investitionsgarantien in der muslimisch geprägten chinesischen Region Xinjiang abgelehnt. Die Behörde verwies auf die Unterdrückung der Minderheit der Uiguren.

Nun scheint es so, dass das Kanzleramt den Einstieg der Chinesen ermöglichen will, berichtet der NDR. Nach Informationen von NDR und WDR hätten alle sechs Ministerien, die an der Investitionsprüfung fachlich beteiligt gewesen sind, das Geschäft abgelehnt. Das sind: Wirtschafts- und Innenministerium, das Verteidigungsministerium, Auswärtiges Amt, Verkehrs- und Finanzministerium. Außerdem haben sich sowohl der Verfassungsschutz, der Bundesnachrichtendienst und die EU-Kommission gegen den Verkauf ausgesprochen. Das Kanzleramt drängt der Recherche zufolge jedoch darauf, dass der Deal dennoch zustande kommt.

Und die Zeit läuft: Fasst das Bundeskabinett bis Ende Oktober keinen Entschluss oder vereinbart eine Fristverlängerung, kommt das Geschäft automatisch zustande. "Ergeht bis zum Ende der Frist keine Entscheidung, gilt die Freigabe als erteilt", zitiert der NDR den Spezialisten für Investitionsprüfungen der Wirtschaftskanzlei CMS, Kai Neuhaus. Das Kanzleramt hatte das Prüfverfahren jedoch seit längerem nicht mehr auf der Tagesordnung, stattdessen sollten die Ressorts einen Kompromiss ausarbeiten, damit der Kauf zustande kommen könne.

Gründe für ein mögliches Verbot

Laut NDR und WDR führen die beteiligten Ministerien für die Ablehnung drei Punkte an:

  1. die veränderte geopolitische Lage,
  2. Cosco solle nicht nur eine rein finanzielle Beteiligung erhalten, sondern auch einen Geschäftsführer stellen und Mitspracherechte bei Entscheidungen bekommen.
  3. ein mögliches "Erpressungspotenzial", da China heute bereits wichtigster Kunde des Hafens sei.

Hamburger Hafen und Wirtschaft wollen den Deal

Der Hamburger Hafen hat die Bundesregierung indes davor gewarnt, die geplante CTT-Beteiligung Coscos zu untersagen. "Ein Einstieg der Chinesen in die Betriebsgesellschaft wäre ein Riesengewinn für den Hafen und keine Gefahr, zumal Cosco bald die weltgrößte Reederei sein wird", sagte der Vorstand der Hafen Hamburg Marketing, Axel Mattern. "Eine Absage an die Chinesen wäre eine Katastrophe nicht nur für den Hafen, sondern für Deutschland", fügte er mit Hinweis auf mögliche chinesische Reaktionen hinzu.

Auch beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) warnte man vor negativen Konsequenzen im Falle einer Ablehnung: "Wenn keine klaren Sicherheitskriterien nachvollziehbar sind, hat die Untersagung von Investitionen des für unsere Wirtschaft so wichtigen Handelspartners China negative Auswirkungen auf die Investitionsattraktivität unserer Standorte", so DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier.

Wer schlägt am meisten um im Hamburger Hafen?

Nach eigenen Angaben war im vergangenen Jahr China der größte Handelspartner des Hamburger Hafens. In absoluten Zahlen gingen im Jahr 2021 rund 2,56 Millionen TEU über Kaianlagen der Hamburger Terminals von und auf chinesische Frachter. Das machte einen satten Anteil von 29,4 Prozent am Gesamtumschlag des größten deutschen Hafens. Erst mit großem Abstand folgen die USA, Singapur und Russland.

Mit dem Kauf des 24,9-prozentigen Anteils am Terminal Tollerort ist der chinesische Staatskonzern COSCO jetzt an den fünf größten Häfen weltweit beteiligt: Rotterdam, Antwerpen, Hamburg, Valencia und Piräus.

Tollerort mit Anbindung ans Hinterland

Der CTT ist einer der drei Containerterminals der HHLA im Hamburger Hafen. Die Anlage verfügt über vier Liegeplätze und 14 Containerbrücken. Hier werden unter anderem die größten Containerschiffe von Cosco mit einer Stellplatzkapazität von 20.000 TEU (20-Fuß-Standardcontainer) und mehr abgefertigt. Der Terminal-eigene Bahnhof bindet das Hinterland über fünf Gleise an den Hafen an.

Mit der Beteiligung würde CTT zum bevorzugten Umschlagspunkt von Cosco in Europa, einem sogenannten Preferred Hub. Bereits heute werden über den Terminal viele Cosco-Schiffe abgewickelt. Am CTT werden heute unter anderem zwei Fernost-Dienste, ein Mittelmeer-Verkehr und ein Ostsee-Feeder-Dienst von Cosco abgefertigt, heißt es in der Meldung der HHLA. Ungeachtet der Minderheitsbeteiligung von CSP soll der CTT auch weiterhin für andere Reedereien offen bleiben, versichert die Hafengesellschaft.

Negativ-Beispiel Piräus

Als warnendes Beispiel wird oftmals der griechische Hafen Piräus genannt. Im Jahr 2009 hatte China mitten in der griechischen Wirtschaftskrise die Hälfte des dortigen Containerhafens für 35 Jahre gepachtet. Nur sieben Jahre später kaufte sich Cosco die Aktienmehrheit (51 Prozent) am gesamten Hafen für 368,5 Millionen Euro vom Staat, mittlerweile halten die Chinesen 67 Prozent

Zwar wurde der Hafen unter COSCO-Ägide zum zweitgrößten Mittelmeerhafen (nach Valencia), für China hat Piräus darüberhinaus eine große strategische Bedeutung. Er ist ein wichtiger Knotenpunkt der neuen Seidenstraße, dem Prestige-Projekt "One Belt, One Road-Projekt". Piräus sei der „Kopf des Drachen in Europa“ – so beschreiben chinesische Analysten die Bedeutung des Hafenprojekts.

In welche Häfen hat China investiert?

Warum der Verkauf?

Nach Angaben des Think Tanks MERICS (Mercator Institut for China Studies) reagiert die HHLA damit auf wirtschaftliche Zwänge. Den Ausschlag könnten die sinkenden Containerumschläge im ersten Quartal 2021 gegeben haben. Zwischen Januar und März 2021 fertigten die Hamburger Terminals insgesamt rund 7,2 Prozent weniger Container ab.

Laut HHLA-Vorstandschefin Angela Titzrath werde durch die chinesische Beteiligung die Zukunft von Tollerort gesichert. Bislang waren Beteiligungen von Reedereien an Terminals keine Strategie des Hamburger Hafens. Lediglich an Altenwerder hält Hapag-Lloyd einige Anteile. Diese Vorgehensweise hat die HHLA nun offensichtlich über Bord geworfen. CSPL-Geschäftsführer Zhang Dayu nannte das Terminal eine wichtige Säule der Logistik in Europa. Dabei ist die aktuelle Beteiligung bei weitem nicht die erste von chinesischen Reedereien in Europa.

Seit der weltweiten Finanzkrise investieren chinesische Unternehmen verstärkt in europäische Häfen. Allerdings gehören sie zur kritischen Infrastruktur, daher werden entsprechende Beteiligungen besonders geprüft. Der Einfluss, den sich China mit den Zukäufen sichert, ist immens. Laut MERICS seien diese Deals zwar wirtschaftlich getrieben, allerdings ließen sich die politischen Konsequenzen nicht wegdiskutieren.

Denn als Eigner haben Unternehmen wie Cosco mindestens einen indirekten Einfluss auf die Logistik und damit Versorgung eines Landes. So hatte Peking im August Güterzüge gestoppt, die üblicherweise von China nach Litauen fahren. Es gab dazu zwar keine offizielle Stellungnahme aus China, doch chinesische Staatsmedien drohten, dass es bald zu "solch einer Wirtschaftsstrafe kommen könnte". Und warum das Ganze?

Litauen hatte sich bei Chinas KP unbeliebt gemacht, weil man immer wieder Menschenrechtsverletzungen ansprach und in letzter Zeit vermehrt Kontakte nach Taiwan geknüpft hatte. Anfang August hatte Vilnius angekündigt, eine Handelsvertretung in Taiwan zu eröffnen.

Gewerkschaft Verdi hat Bedenken

Besonders die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi sieht den Einstieg der Chinesen beim Hamburger Hafen kritisch. Sie fürchtet, dass sich die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten mittelfristig verschlechtern könnten. „Die Fusionsgespräche gehen zulasten der Arbeitnehmer“, sagt Felix Pospiech, Betriebsrat des Gesamthafenbetriebs (GHB) in der Hamburger Morgenpost. „Ich habe es noch nie erlebt, dass bei einer Fusion alle Arbeitsplätze erhalten geblieben sind.“ Auch der Betriebsratsvorsitzende bei der HHLA, Norbert Paulsen, ist besorgt, dass zum Beispiel Tarifverträge abgeschafft werden könnten.

Dass diese Bedenken nicht weit hergeholt sind, zeigt das Beispiel Piräus, auch dort hält Cosco seit 2016 eine 67-prozentige Mehrheitsbeteiligung. Seitdem wurden Gehälter und Sozialleistungen gekürzt und bei Entscheidungen die Gewerkschaften umgangen. Doris Heinemann-Brooks von Verdi besucht den griechischen Hafen regelmäßig. Ihrer persönlichen Beobachtung zufolge bringen die Chinesen ihre eigenen Leute mit und versuchen, Einfluss auf die Arbeitsorganisation zu nehmen.

Die Einschätzung der China-Experten von MERICS ist klar: Der Trend bei der Containerschifffahrt gehe hin zu einer immer größeren vertikalen Integration und Konsolidierung. Wenn sich Häfen wie Hamburg Marktgrößen wie COSCO annäherten, reagierten sie damit lediglich auf den unausweichlichen Druck des Marktes. Doch würden solche Beteiligungsentscheidungen meist auch mit einem limitierten Bewusstsein für die größeren Zusammenhänge und strategischen Konsequenzen getroffen. Cosco habe gegenüber seinen Konkurrenten den Vorteil der staatlichen Unterstützung. Und für Peking ist die Marktdominanz ein klares geopolitisches Tool - etwas, dem die EU nur gemeinsam entgegentreten kann.

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