Welche Unternehmenspleiten waren die größten in den letzten 30 Jahren? Wir haben sie zusammengestellt.(Bild: Markus Bormann - stock.adobe.com)
Insolvent und weg vom Markt? Wir haben die größten Firmenpleiten der vergangenen Jahre zusammengestellt, gerankt nach Zahl der betroffenen Arbeitsplätze.
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2024 sind so viele Firmen pleite gegangen wie seit fast zehn Jahren nicht mehr. Laut Statistischem Bundesamt stieg die Zahl der Insolvenzen um 16,8 Prozent. Allein im Dezember verzeichnete die Wiesbadener Statistikbehörde 13,8 Prozent mehr angemeldete Insolvenzverfahren als im Vorjahreszeitraum. Bereits 2023 mussten 18.100 Unternehmen Insolvenz anmelden, ein historischer Anstieg von mehr als 23 Prozent.
Insolvenzen sind – leider – normal und gehören zum täglichen wirtschaftlichen Geschäft. Doch nicht immer heißt Insolvenz gleich Pleite. Beantragt ein Unternehmen Insolvenz, bezeichnet das zunächst erstmal eine Situation, in der der Schuldner seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber seinen Gläubigern nicht mehr nachkommen kann. Das heißt aber eben nicht automatisch, dass es das Unternehmen künftig nicht mehr gibt, auch wenn das häufig der Fall ist. Oft findet der Insolvenzverwalter aber auch neue Investoren oder Eigner oder ein Sanierungsplan wird erstellt, der den Geschäftsbetrieb am Laufen halten soll.
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Große Namen, große Pleiten
Doch auch das klappt nicht immer. Und wenn es dann noch ein besonders großes oder prominentes Unternehmen ist, sind die Folgen verheerend. Solche Pleiten wirbeln dann mehr Staub auf als andere, etwa 2024 die Insolvenz des Reiseveranstalters FTI oder vor einigen Jahren die der Fluggesellschaften Germania und Air Berlin. Findet sich dann kein Investor, der der Überschuldung mit einer neuen Strategie zu Leibe rückt, sind oft Tausende Mitarbeiter betroffen.
Im Jahr 2019 waren beispielsweise große Namen betroffen: Gerry Weber, Thomas Cook, die Fluglinie Germania oder das Windanlagenunternehmen Senvion mussten Insolvenz anmelden. Auch der Automobilzulieferer Eisenmann, Loewe und Kettler waren überschuldet. 2024 machte die Insolvenz von Tupperware Schlagzeilen - zwar traf es "nur" 60 Mitarbeiter, doch die 12.000 Berater, die mit den sogenannten Tupper-Partys für Umsatz sorgten, bangen weiterhin um ihre Tätigkeiten.
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"Das wirklich Dramatische an diesen großen Insolvenzen ist der Dominoeffekt auf viele Unternehmen in der gesamten Lieferkette", sagte Ron van het Hof, Chef von Euler Hermes in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Andere Unternehmen würden mitgerissen und könnten selbst in einer Pleite enden.
Wir haben die bekanntesten Insolvenzen herausgesucht, das Ranking erfolgt nach der Zahl der betroffenen Mitarbeiter.
Das waren die größten Insolvenzen in Deutschland
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20. LiliumDoch 2024 ging der bayerischen E-Flugtaxi-Firma das Geld aus. Ein kurzfristiger Rettungsversuch durch ein Investorenkonsortium misslang, sodass Lilium Ende Februar 2025 erneut Insolvenz anmeldete. Die nach dem Luftfahrtpionier Otto Lilienthal benannte Firma wurde 2015 von Ingenieuren der TU München gegründet. Betroffen sind rund 1.000 Mitarbeiter.(Bild: Lilium)
19. AlnoDer Küchenhersteller Alno beantragte im Juli 2017 – 90 Jahre nach seiner Ghttps://mi-contao.cia-network.net/system/themes/flexible/icons/drag.svgründung – Sanierung in Eigenverwaltung. Das Unternehmen beschäftigte zu dem Zeitpunkt nach eigenen Angaben an vier Produktionsstandorten weltweit insgesamt rund 1.900 Mitarbeiter. Ende 2017 übernahm der britische Finanzinvestor Riverrock große Teile der Alno für 20 Millionen Euro und baute das Geschäft neu auf. 2021 meldetet Alno zum zweiten Mal Insolvenz an - mit einem juristischen Nachspiel.(Bild: Screenshot Alno Katalog 2024)
18. SolarWorldIm Jahr vor seiner Insolvenz 2017 zählte der PV-Hersteller Solarworld 3.034 Mitarbeiter. Es war eine der spektakulärsten Pleiten, da sie symbolisch für den Niedergang der Photovoltaikindustrie in Deutschland war. Das Unternehmen war an drei Standorten in drei Ländern. Produziert wurde im sächsischen Freiberg und im thüringischen Arnstadt.(Bild: SweetBunFactory - stock.adobe.com)
17. HertieIn den 1990ern wurde die Warenhauskette von Karstadt für 1,652 Milliarden D-Mark aufgekauft. Zuvor war Hertie das zweitgrößte Kaufhaus in Deutschland. Finanzielle Probleme ihres britischen Hauptinvestors Dawney, Day and Hilco Ltd. brechen im Juli 2008 der 1882 gegründeten Kaufhauskette jedoch endgültig das Genick. Die 3.200 Beschäftigten der 55 Warenhäuser stehen auf der Straße. Eine Rettung war aussichtslos, nachdem potenzielle Investoren ihre Angebote zurückgezogen hatten.(Bild: Pixabay)
16. KarmannAls Karmann 2007 seine wichtigsten Kunden, Daimler und Audi, verliert, hat der Auftragsfertiger Probleme, Anschlussaufträge zu gewinnen. Im April 2009 meldet das Osnabrücker Traditionsunternehmen Insolvenz an. Bis dahin hatte Karmann Cabrio für Mercedes und Audi gefertigt. Volkswagen und Automobilzulieferer wie Magna International und Webasto übernehmen nach der Insolvenz große Teile von Karmann. Viele der betroffenen 3.500 Mitarbeiter können weiterbeschäftigt werden.(Bild: Pixabay)
15. QimondaDer Münchner Konzern Infineon hatte 2004 seine Speicherchip-Sparte in die spätere Qimonda AG ausgegliedert. Diese verschläft den Umstieg auf neue sparsame Produktionsverfahren in der Branche und gerät in die Verlustzone. Im Januar 2009 ordnet das Amtsgericht München die Insolvenz der Qimonda AG an, nachdem ein Rettungsversuch mit staatlicher Unterstützung gescheitert war. Fabriken in München, den USA und Portugal mussten schließen. Betroffen von der ersten Welle waren rund 3.000 von den 13.500 Arbeitsplätzen weltweit. Lediglich am Standort Dresden setzte Infineon die Fertigung ab Mai 2011 fort.(Bild: Irina Burakova - stock.adobe.com)
14. WirecardIm Jahr 2020 erwischte es das DAX-Unternehmen Wirecard: Der Bezahldienstleister wickelte bargeldlose Zahlungen an Ladenkassen und im Internet ab - ist also eine Schnittstelle zwischen Händlern und Banken bzw. Kreditkartenfirmen. Was führte zur Insolvenz von Wirecard? Einen Teil seines Geschäfts hatte das Unternehmen in Asien und im Mittleren Osten an Drittfirmen ausgelagert, die Zahlungen - angeblich - im Auftrag von Wirecard abwickeln sollten. Ein großer Teil dieses Drittgeschäfts bestand allerdings wohl aus Luftbuchungen. Nach Stand Juni 2020 soll es sich um rund 1,9 Milliarden Euro handeln. Den Skandal aufgedeckt hatte die britische Zeitung Financial Times (FT). Erste Verdachtsmomente gab es bereits 2019. Erst danach fand die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG heraus, dass ein Milliardenbetrag nicht nachgewiesen werden konnte und es sich wahrscheinlich um kriminelle Manipulation handelt. Die FT-Journalisten hatten es mit ihren Recherchen jedoch nicht leicht: Die deutsche Finanzaufsicht BaFin stellte sich zunächst schützend vor Wirecard und bezichtigte die Rechercheure der möglichen Marktmanipulation. Man hätte einen Kursrutsch auslösen wollen und sich anschließend durch Wetten auf einen fallenden Kurs bereichern wollen. BaFin-Chef Felix Hufeld hat mittlerweile eingestanden, dass es sich dabei um ein "komplettes Desaster" gehandelt habe. Im Ranking der größten Pleiten Deutschlands landet Wirecard trotzdem nur auf dem zwölften Platz, betroffen waren mehr als 5.000 Mitarbeiter (Stand 2018: 5.154 Mitarbeiter).(Bild: Wirecard)
13. TemptonDer Personaldienstleister Tempton musste im Juni 2017 Insolvenz anmelden. Das Unternehmen wollte sich dadurch von Finanzverbindlichkeiten aus der Vergangenheit befreien. Es war ein Schutzschirmverfahren in Eigenverwaltung. Rund 6.000 Mitarbeiter hatte das Unternehmen zu dem Zeitpunkt. Bereits im September 2017 war das Verfahren abgeschlossen und Tempton bietet weiterhin Personaldienstleistungen an. Seit Oktober 2019 ist Tempton an der Frankfurter Börse.(Bild: Tempton)
12. EdschaDer Automobilzulieferer Edscha aus Remscheid meldete 2009 Insolvenz für die europäischen Standorte an. Wie Konkurrent Karmann war es - unter anderem - von der Finanzkrise und der folgenden Absatzkrise betroffen. Wie das Handelsblatt berichtet, hatte zudem aber auch der Investor Carlyle das Unternehmen durch zu viele Entnahmen geschwächt. 6.500 Mitarbeiter waren weltweit betroffen, in Europa waren es 4.200. Die Sparte Cabrio-Dächer übernahm Webasto (2010), die Karosserieprodukte übernahm der spanische Automobilzulieferer Gestamp. Die Marke selbst ist bis heute erhalten.(Bild: HERRNDORFF_ images - adobe.stock.com)
11. Peek und CloppenburgP und C meldetet 2023 Insolvenz an. Betroffen waren 6.300 Mitarbeiter. Ein Insolvenzplan rettete die Düsseldorfer Modekette.(Bild: Markus Mainka - stock.adobe.com)
10. Walter BauDie Krise der deutschen Bauwirtschaft in den neunziger Jahren bricht der Walter Bau AG im Februar 2005 das Genick. Das Unternehmen hatte zu lange an verlustreichen Projekten festgehalten, sein profitables Auslandsgeschäft vernachlässigt und fehlerhaft bilanziert. Die Deutsche Bank weigert sich schließlich, weiter für die Geschäfte des Unternehmens zu bürgen. Weitere Banken kündigen ihre Kredite. Walter kann keine Aufträge mehr annehmen. 6.900 Mitarbeiter verlieren ihren Job.(Bild: Pixabay)
9. Air BerlinAls sich Großaktionär Etihad Airways weigert, Air Berlin weiter finanziell zu unterstützen, meldet die Airline am 15. August 2017 Insolvenz an. Bereits am 25. September landete dann der letzte Flieger der Airline in Berlin Tegel. Nach jahrelanger Misswirtschaft ist das Unternehmen mit über 1,14 Milliarden Euro verschuldet. Betroffen von der Insolvenz waren 8.400 Beschäftigten. Ein Teil konnte weiter bei Easyjet arbeiten, die einen Teil aus der Insolvenzmasse aufkauften. Die Lufthansa zog ein Kaufangebot zurück.(Bild: Pixabay)
8. WoolworthIm April 2009 macht die Warenhauskette Woolworth mit einem Insolvenzantrag beim Amtsgericht Frankfurt am Main Schlagzeilen. Gut 9.300 Arbeitsplätze stehen zur Disposition. Das Unternehmen kann aber umstrukturiert werden. Die neu gegründete Woolworth Deutschland GmbH führt 160 der 310 Filialen fort. Im Mai 2010 übernimmt die Holding von KiK-Gründer, Stefan Heinig, die Gesellschaft. Die Modekette NKD übernimmt weitere 71 Woolworth-Filialen.(Bild: Woolworth)
7. Kirch GruppeDie Kirch-Gruppe war bis zu ihrer Insolvenz und der nachfolgenden Zerschlagung im Jahr 2002 einer der größten deutschen Medienkonzerne. 2002 brach das Film- und Fernsehimperium von Leo Kirch zusammen. Dazu gehörten beispielsweise Deutschlands erster Bezahlsender Premiere (heute Sky), aber auch der TV-Konzern ProSieben Sat1. Auch am Axel Springer Verlag war Kirch beteiligt - mit der Insolvenz gab es also ein Beben in der Medienlandschaft. 10.000 Arbeitsplätze standen auf dem Spiel, die letztendlich aber gerettet werden konnten. Die Gläubigerforderungen summierten sich auf mehr als fünf Milliarden Euro. Als Auslöser für den Crash galt damals ein Interview des damaligen Chefs der Deutschen Bank, Rolf Breuer, der öffentlich an der Kreditwürdigkeit von Firmenpatriarch Leo Kirch gezweifelt hatte: „Was alles man darüber lesen und hören kann, ist ja, dass der Finanzsektor nicht bereit ist, auf unveränderter Basis noch weitere Fremd- oder gar Eigenmittel zur Verfügung zu stellen“, so Breuer zum TV-Sender Bloomberg im Februar 2002. Zwei Monate später meldete Kirch Insolvenz an.)(Bild: Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons))
6. FTIIm Mai 2024 meldetet FTI Insolvenz an, betroffen sind weltweit 12.000 Mitarbeiter. Noch einige Monate zuvor stieg US-Investor Certares in das Münchner Reiseunternehmen ein. FTI ist Europas drittgrößter Reisekonzern. Bereits in der Corona-Pandemie schoss der Bund rund 600 Millionen Euro zum Geschäft hinzu. Diese hat FTI nur zu einem sehr geringen Teil zurückgezahlt. Weitere Bundeshilfen lehnten Wirtschafts- und Finanzministerium ab - aus haushälterischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Gründen.(Bild: FTI)
5. PraktikerAm 10. Juli 2013 erklärt sich die Baumarktkette Praktiker für überschuldet und zahlungsunfähig. Tags darauf stellt sie Insolvenzantrag. Eine Umstrukturierung sowie die Übernahme der profitablen Baumarkttochter Max Bahr durch Konkurrent Globus scheitern. In Deutschland gehen rund 20.000 Arbeitsplätze verloren. Die Praktiker-Filialen in Polen, Ungarn, der Ukraine und Griechenland übernehmen verschiedene Investoren.(Bild: A.Savin, Wikimedia Commons · WikiPhotoSpace)
4. Philipp HolzmannDer Baukonzern geriet bereits 1999 ins Schlingern. Zu der Zeit setzte sich der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder medienwirksam für die Rettung ein. Es half nichts, drei Jahre später war Philipp Holzmann endgültig insolvent. Das Unternehmen wurde zerschlagen. 24.000 Mitarbeiter waren von der Pleite betroffen.)(Bild: Wikipedia /Epizentrum (CC BY 3.0))
3. Galeria KaufhofEine der wohl kürzesten, wenn auch spektakulärsten Insolvenzen war die von Galeria Kaufhof im Sommer 2020. Betroffen waren rund 28.000 Mitarbeiter. Doch schon ein halbes Jahr später war das Schutzschirmverfahren vorbei und das Kaufhaus agierte wieder in Eigenverantwortung. Allerdings schlitterte der Konzern mit der Coronakrise 2021 wieder in finanzielle Schwierigkeiten, Insgesamt floss viel Geld ins Unternehmen: Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds bezuschusste die Weiterführung des Geschäftsbetriebs 2021 und 2022 mit insgesamt rund 680 Millionen Euro. Zudem hatte der neue Eigentümer, die Signa-Gruppe, rund 200 Millionen Euro für die Sanierung zugesagt. Erst 2023 stimmte die Gläubigerversammlung dem Insolvenzplan zu. Im Januar 2024 meldete der Warenhauskonzern zum dritten Mal Insolvenz an, da der Mutterkonzern Signa selbst insolvent ist - weniger, weil die Geschäfte schlecht laufen würden. Mittlerweile sind aber nur noch rund 15.000 Mitarbeiter betroffen. Weitere Staatsmittel sollen nun nicht mehr fließen.(Bild: Tobias Arhelger - stock.adobe.com)
2. SchleckerIm Februar 2012 kann Schlecker Forderungen in Höhe von 655 Millionen Euro nicht mehr bedienen. Im Juni beschließen die Gläubiger, die Drogeriekette zu zerschlagen. Sie sehen keine Möglichkeit, das Familienunternehmen an einen Investor zu verkaufen. Knapp 35.000 Mitarbeiter verlieren ihren Arbeitsplatz. Seit März 2017 müssen sich Firmengründer Anton Schlecker und seine Familie wegen Untreue, Bankrott und Insolvenzverschleppung vor Gericht verantworten.(Bild: Wikimedia – Echtner,Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0)
1. ArcandorArcandor ist die größte Pleite Deutschlands und gleichzeitig einer der größten Compliance-Skandale der letzten Jahre. Mitte 2009 kann der Handelskonzern seine 650 Millionen Euro Schulden nicht mehr bedienen. Die AG und die Töchter Karstadt, Primondo und Quelle waren insolvent, nicht aber die Reisesparte, Thomas Cook. Besonders belastend waren die Monatsmieten der Kaufhäuser in Höhe von 23 Millionen Euro. Sie flossen zum Teil an einen Fonds, an dem Ex-CEO Thomas Middelhoff beteiligt ist. Er wurde später wegen Untreue verurteilt. Die Sanierung des Konzerns scheitert, Karstadt wird jedoch weitergeführt. Nur die Thomas Cook Group lässt sich veräußern. Betroffen von der Insolvenz waren insgesamt mehr als 86.000 Mitarbeiter.(Bild: dpa Picture Alliance)
„Drei Jahre Stagnation und wirtschaftliche Flaute haben nicht nur Deutschland im Griff. Europa leidet insgesamt unter einer schwachen konjunkturellen Entwicklung. Der deutlich verschärfte Wettbewerb hat zu einem signifikanten Anstieg der Insolvenzen geführt. Die Pleiten sind auch mitnichten ein reine Nachholeffekte aus der Coronazeit. Seit dem bisherigen Tiefpunkt im Jahr 2021 ist die Zahl der Firmenpleiten in Westeuropa um fast 70 Prozent gestiegen – und ein weiterer Anstieg zeichnet sich ab“, erklärt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung in Neuss.
„Hohe Zinsen, steigende Energiepreise, eine insgesamt schwache Nachfrage sowie geopolitische Unsicherheiten belasteten die Stabilität vieler Unternehmen. Besonders betroffen waren kleine und mittlere Betriebe, die oft nur über geringe finanzielle Rücklagen verfügen“, ergänzt Gerhard Weinhofer, Geschäftsführer von Creditreform Österreich.
Breiter Anstieg in nahezu allen Ländern
In 15 der 17 untersuchten westeuropäischen Staaten nahmen die Insolvenzzahlen zu. Lediglich in Dänemark und Großbritannien wurden Rückgänge verzeichnet. Besonders stark fiel der Anstieg in Griechenland (plus 42,5 Prozent), Irland (plus 32,0 Prozent) und den Niederlanden (plus 31,7 Prozent) aus. Auch in den großen Volkswirtschaften Deutschland (plus 22,5 Prozent), Frankreich (plus 17,4 Prozent) und Italien (plus 8,9 Prozent) wurde ein deutlicher Zuwachs registriert. In fast allen untersuchten Ländern liegen die aktuellen Fallzahlen inzwischen klar über dem Niveau von 2019, das als Vergleichsgröße aus der Zeit vor der Corona-Pandemie dient.
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„Mit dem Auslaufen der pandemiebedingten Sonderregelungen hat sich der erwartete Nachholeffekt eingestellt. Dass die Zahl der Insolvenzen inzwischen deutlich über dem Vor-Corona-Niveau liegt, hängt jedoch auch mit einer Reihe anhaltender Krisen und struktureller Versäumnisse der Vergangenheit zusammen. Die Unternehmen haben kaum Gelegenheit sich zu erholen und weiterzuentwickeln“, erklärt Hantzsch.
Am stärksten betroffen war 2024 das Baugewerbe, das einen Zuwachs von 15,4 Prozent verzeichnete. Steigende Baukosten, hohe Finanzierungskosten und eine schwächelnde Nachfrage erhöhten den wirtschaftlichen Druck auf die Branche. Auch im Dienstleistungssektor nahm die Zahl der Insolvenzen mit plus 14,2 Prozent überdurchschnittlich zu. Im Verarbeitenden Gewerbe schwächte sich der Anstieg gegenüber dem Vorjahr auf plus 9,3 Prozent ab (Handel plus 8,1 Prozent).
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„Das Baugewerbe zählt zu den Hauptleidtragenden der aktuellen Wirtschaftsschwäche. Bereits in den vergangenen Jahren ist der Anteil dieses Sektors am Insolvenzgeschehen gestiegen. Inzwischen entfällt nahezu jede fünfte Unternehmensinsolvenz in Westeuropa auf diesen Bereich“, so Weinhofer. Der Anteil des Handels hingegen sei leicht auf 30,0 Prozent zurückgegangen – ein Hinweis auf eine beginnende Konsolidierung in dieser Branche.
Laut Allianz Trade könnte im Jahr 2025 die Zahl der Insolvenzen in Deutschland um zehn Prozent steigen. Zuvor war der Kreditversicherer von fünf Prozent ausgegangen. Für 2026 liegt die Schätzung bei einer nochmaligen Steigerung um drei Prozent. Das wäre der fünfte Anstieg in Folge (2022 bis 2026).
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Weltweit erhöhte sich der prognostizierte Anstieg von drei auf sechs Prozent. Das größte Aufwärtsrisiko für Insolvenzen ist dabei der drohende Handelskrieg.
Was heißt, in die Insolvenz gehen?
Insolvenz bedeutet, dass ein Unternehmen nicht mehr in der Lage ist, seine Zahlungsverpflichtungen gegenüber Gläubigern zu erfüllen. Bei juristischen Person ist auch die rechnerische Überschuldung ein Eröffnungsgrund. Wenn ein Unternehmen zahlungsunfähig wird, müssen sie Insolvenz anmelden. Dies muss spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit geschehen.
Mit der Insolvenzanmeldung wird ein gerichtliches Insolvenzverfahren eingeleitet. Dabei wird ein Insolvenzverwalter eingesetzt, der das Vermögen des Schuldners verwaltet und an die Gläubiger verteilt. Während des Insolvenzverfahrens verliert der Schuldner die Kontrolle über sein Vermögen. Stattdessen wird es vom Insolvenzverwalter verwaltet und an die Gläubiger verteilt.
Insolvenz ist keine Katastrophe, sondern kann eine Chance sein, nach dem Verfahren schuldenfrei neu anzufangen. Zusammengefasst bedeutet "in die Insolvenz gehen", dass ein Unternehmen oder eine Privatperson aufgrund von Zahlungsunfähigkeit ein gerichtliches Insolvenzverfahren einleitet, um die Schulden zu regeln und am Ende schuldenfrei zu werden.
Was ist ein Schutzschirmverfahren?
Ein Schutzschirmverfahren ist eine besondere Form des Insolvenzrechts in Deutschland, die es Unternehmen ermöglicht, sich unter Insolvenzschutz zu stellen, um eine Sanierung durchzuführen. Die wichtigsten Merkmale des Schutzschirmverfahrens sind:
Es ist eine Sonderform der vorläufigen Eigenverwaltung, bei der das Unternehmen unter Aufsicht eines vorläufigen Sachwalters selbst die Sanierung durchführt.
Während des maximal 3-monatigen Verfahrens ist das Unternehmen vor Vollstreckungsmaßnahmen der Gläubiger geschützt.
Das Unternehmen kann in dieser Zeit weiter wirtschaften und Sanierungsmaßnahmen einleiten, um die drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung abzuwenden.
Am Ende des Verfahrens soll ein Insolvenzplan stehen, der die Sanierung des Unternehmens regelt.
Ziel ist es, das Unternehmen zu erhalten und wieder wirtschaftlich leistungsfähig zu machen.
Zusammengefasst bietet das Schutzschirmverfahren Unternehmen in Schwierigkeiten die Möglichkeit, unter gerichtlicher Aufsicht eine Sanierung durchzuführen und so eine Insolvenz abzuwenden.
Wenn ein Unternehmen zahlungsunfähig wird, muss es Insolvenz anmelden.
1. Insolvenzantrag und Eröffnungsverfahren: Mit der Insolvenzanmeldung wird ein gerichtliches Insolvenzverfahren eingeleitet, bei dem ein Insolvenzverwalter eingesetzt wird, der das Vermögen des Schuldners verwaltet und an die Gläubiger verteilt. In dieser Phase wird die Insolvenzmasse geschützt. Der Insolvenzantrag muss bei dem Insolvenzgericht gestellt werden, in dessen Bezirk der Schuldner (also das insolvente Unternehmen) seinen Gerichtsstand hat ( 3 InsO).
2. Insolvenzverfahren: Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, übernimmt ein Insolvenzverwalter die Verwaltung und Verwertung des Vermögens des Schuldners. Der Insolvenzverwalter erstellt eine Insolvenztabelle mit den Forderungen der Gläubiger und regelt deren Befriedigung nach einer gesetzlichen Rangfolge. Zunächst werden Verfahrenskosten und Masseverbindlichkeiten beglichen, dann die Insolvenzgläubiger.
3. Abschluss des Verfahrens: Nach Verwertung der Insolvenzmasse und Befriedigung der Gläubiger legt der Insolvenzverwalter einen Schlussbericht vor. Das Gericht bewilligt dann die Verteilung der Insolvenzmasse. Danach kann der Schuldner einen Neuanfang machen, gegebenenfalls nach einer Restschuldbefreiung.
Das Insolvenzgericht eröffnet das Insolvenzverfahren übrigens nur dann, wenn das Vermögen des Schuldners voraussichtlich ausreichen wird, um mindestens die Verfahrenskosten zu decken. Das umfasst beispielsweise Gerichtskosten, Auslagen sowie die Kosten des Insolvenzverwalters.
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Insolvent heißt zahlungsunfähig. Ein Unternehmen ist zahlungsunfähig, wenn es nicht in der Lage ist, seine Zahlungspflichten zu erfüllen. Davon ist in der Regel auszugehen, wenn der Unternehmer seine Zahlungen eingestellt hat. Maßgeblich für die Frage der Zahlungsunfähigkeit ist die Fälligkeit von Verbindlichkeiten.
Von der Zahlungsunfähigkeit zu unterscheiden ist die bloße Zahlungsstockung. Geringfügige Liquiditätslücken führen noch nicht zur Insolvenz. Eine Zahlungsstockung liegt dann vor, wenn der Unternehmer erwartet, dass er die Forderungen der Gläubiger innerhalb eines Zeitraums erfüllen kann. Der Unternehmer muss also binnen zwei bis drei Wochen) seine Verbindlichkeiten begleichen können. Zudem sollte der Umfang der offenen Verbindlichkeiten weniger als zehn Prozent der fälligen Gesamtverbindlichkeiten betragen.
Typische Anzeichen für eine Zahlungsunfähigkeit sind:
Nichtzahlung von Lieferanten,
Nichtzahlung von Löhnen, Gehältern und Sozialversicherungsbeiträgen
ungedeckte Schecks,
Zwangsvollstreckungen / Vorliegen von Vollstreckungsanträgen,
Anträge zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung.
Die größten Insolvenzen in Deutschland
Arcandor
Schlecker
Galeria Kaufhof
Philipp Holzmann
Praktiker
Woolworth
Air Berlin
Walter Bau
Edscha
Tempton
Mehr zu den einzelnen Insolvenzen finden Sie in unserer Bildergalerie. Dort finden Sie auch die Plätze 11 bis 17.
Quelle: eigene Recherche
FAQ
Was war die größte Unternehmenspleite in Deutschland?
Die Insolvenz von Arcandor im Jahr 2009 gilt als die größte Pleite Deutschlands. Der Konzern konnte seine Schulden von 650 Millionen Euro nicht mehr bedienen – betroffen waren Karstadt, Quelle und Primondo.
Was ist der Unterschied zwischen Insolvenz und Pleite?
Eine Insolvenz bedeutet, dass ein Unternehmen seine Zahlungsverpflichtungen nicht mehr erfüllen kann. Eine „Pleite“ ist meist das endgültige Scheitern, während eine Insolvenz auch Sanierung oder Verkauf ermöglichen kann.
Welche bekannten Firmen gingen in den letzten Jahren insolvent?
Zu den prominenten Fällen zählen Air Berlin, Germania, Thomas Cook, Gerry Weber, Senvion, Eisenmann, Loewe und Kettler. Viele dieser Insolvenzen hatten Dominoeffekte auf Zulieferer und Partner.
Wie viele Unternehmen meldeten 2023 Insolvenz an?
Im Jahr 2023 mussten rund 18.100 Unternehmen Insolvenz anmelden – ein Anstieg von über 23 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das Jahr markiert auch das Ende der ungewöhnlich niedrigen Insolvenzrate während der Corona-Jahre.
Was sind die Folgen großer Insolvenzen?
Große Pleiten betreffen oft Tausende Mitarbeiter und können ganze Lieferketten destabilisieren. Laut Experten wie Ron van het Hof (Euler Hermes) ziehen sie oft weitere Unternehmen mit in die Krise.