Close up water

Wasser ist für Unternehmen überlebenswichtig. Immer häufiger wird ein Zuviel aber zur Gefahr und damit zum Risikofaktor. (Bild: andrei armyagov - stock.adobe.com)

Ohne Wasser gibt es kein Leben. Doch gibt es zu viel davon, wird das vitale Nass zum existenziellen Risiko. Im vergangenen Jahr verursachten Naturkatastrophen in Deutschland einen Schaden in Höhe von 5,7 Milliarden Euro. Das waren fast 30 Prozent mehr als 2022, meldet der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Meist entstanden die Schäden, weil es zu viel oder zu heftig regnete. Die Folgen von Überschwemmungen nach Starkregenereignissen schlugen mit einer Milliarde Euro zu Buche. Weitere 1,5 Milliarden Euro Schaden richteten heftige Unwetter allein im August 2023 an.

Hochwasser verursachen immer öfter Milliarden-Schäden

Im Juni 2024 maß der Deutsche Wetterdienst (DWD) an 30 Stationen binnen weniger Tage erneut so viel Regen, wie er in einer Schlechtwetterperiode bislang nur alle 50 bis 100 Jahre gefallen ist. Das durch diesen Starkregen im Zusammenspiel mit der Schneeschmelze in den Alpen verursachte Hochwasser an Lech und Iller sowie entlang der Donau, in Regensburg und Passau, wird Versicherer wenigstens zwei Milliarden Euro kosten. Da nicht alle Schäden versichert sind, zahlen die Betroffenen selbst noch viel mehr, um Häuser, Fabriken, Straßen, Brücken und Bahntrassen wieder aufzubauen.

Verglichen mit der Flutkatastrophe an Ahr und Erft im Juli 2021 nimmt sich selbst das jedoch bescheiden aus. Damals summierten sich die Schäden auf über 40 Milliarden Euro, 136 Menschen starben.

Klimawandel führt zu mehr Starkregen und Hochwasser

„Die Klimakrise verursacht inzwischen bei uns in Deutschland enorme Schäden und Kosten“, fasst Bundesumweltministerin Steffi Lemke zusammen. Diese werden, wie der Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), der zwischenstaatliche Ausschuss der Vereinten Nationen für Klimaänderungen, in seinem aktuellen, sechsten Bericht zum Klimawandel zeigt, künftig sogar noch größer und teurer werden. Denn die Durchschnittstemperatur der Erde wird schon bis 2030 um 1,5 Grad Celsius steigen. Noch 2018 gingen Klimawissenschaftler, Geophysiker und Meteorologen davon aus, dass dieser Punkt erst 2040 erreicht würde.

Der Temperaturanstieg wird dazu führen, dass auch durch Wasser ausgelöste Katastrophen schon viel früher zu einem erheblich größeren Risiko für Unternehmen werden, als bislang angenommen. Denn eine um ein Grad Celsius wärmere Luft kann sieben Prozent mehr Feuchtigkeit aufnehmen. Zugleich enthält sie mehr Energie. Beides zusammen entlädt sich in Form von Starkregen, Gewittern, Hagel, Schneestürmen, immer verheerenderen Hurrikanen und Taifunen sowie immer größeren Fluten.

Kommt der Jetstream zum Erliegen?

Gleichzeitig wirkt sich der Klimawandel auch auf den Jetstream aus. Dieses Starkwindband in acht bis zwölftausend Metern Höhe schob Hoch- und Tiefdruckgebiete bislang ununterbrochen rund um die Nordhalbkugel. Durch die Erderwärmung schwächt es sich nun aber ab. Tiefdruckgebiete verharren deshalb länger über einer Region und bereiten dieser durch ihre Niederschläge größere Probleme. „Unsere Hauptgefahr sind daher Überschwemmungen und lokale Schwergewitter mit Hagel und Sturzfluten“, fasst Erich Rauch, Chef-Klimatologe des Rückversicherers Munich Re, im Interview mit der ZEIT die Situation zusammen.

Zuviel Wasser wird weltweit zum Problem

Davon sind nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa sowie Nordamerika betroffen. In den USA, Kanada und Mexiko verursachten Unwetter 2023 größere Schäden als jemals zuvor. Diese beliefen sich in Nordamerika auf 66 Milliarden US-Dollar, meldet Munich Re. Staaten in Asien dagegen erlebten 2023 zwanzig so schwere tropische Stürme, dass Meteorologen ihnen eigene Namen gaben. Allein die Beseitigung der Folgen von Zyklon Doksuri im Juli 2023 kostete China über 20 Milliarden Euro. Derart viele solcher Stürme gab es davor zuletzt 1950, berichtet die Allianz.

Dieses Schadensbild weicht vom bislang bekannten ab. Denn besonders verheerend wirken sich eben nicht mehr wie lange Zeit einzelne Naturkatastrophen aus. Der Überschuss an Wasser in der Atmosphäre ist vielmehr zu einer allgegenwärtigen und dauerhaften Gefahr geworden.

Stürme stören Lieferketten aus Asien künftig häufiger

Ändern wird sich das nicht mehr. Durch den Klimawandel ist ein Starkregenereignis, wie es 2021 zur Katastrophe im Ahrtal geführt hat, heute neunmal wahrscheinlicher als vor 100 Jahren, hat der DWD berechnet. Von der Unternehmensberatung McKinsey befragte Fachleute gingen schon 2020, davon aus, dass es auch in Asien künftig zwei bis viermal so häufig wie bisher zu tropischen Stürmen kommt, die die Produktion der dortigen Elektronik- und Halbleiterindustrie, von Automobilzulieferern, Chemiewerken oder Betrieben für die Rohstoffraffination so heftig treffen, dass Lieferketten für mehrere Monate gestört sein könnten.

Prominentes und aktuelles Beispiel ist der Zyklon Megan, der im März 2024 auf die Mangan-Produktionstätte von Gemco in Nordaustralien traf. Auch wichtige Hafen- und Transportinfrastrukturen wurden beschädigt und der Export von Mangan kam zum Erliegen. Schätzungen zufolge könnten die Lieferungen bis voraussichtlich 2025 unterbrochen bleiben. Die Jahreskapazität von Gemco beträgt sechs Millionen Tonnen Manganerz. Als Folge davon schnellte der Manganpreis in bislang ungeahnte Höhen.

Groote Eylandt Mining Company in Nordaustralien
Zyklon-Opfer: GEMCO, Groote Eylandt Mining Company, wurde im März 2024 von einem Wirbelsturm getroffen. Die Produktion und die Lieferung von Mangan zu Abnehmern in aller Welt ist dadurch voraussichtlich bis 2025 unterbrochen. (Bild: GEMCO)

So schützen Sie Ihr Unternehmen vor dem nächsten Hochwasser

Regionen, die vor Überschwemmungen gefeit sind, gibt es praktisch nicht mehr, warnen Versicherer. Unternehmen sollten sich deshalb auf die Folgen von Starkregen-, Hagelschlag- oder Hochwasserereignissen vorbereiten.

  • Ermitteln Sie dazu mit Hilfe der Hochwassergefahrenkarten der Wasserwirtschaftsämter wie groß die spezifische Gefahr für ihren Betrieb ist. Das hilft Ihnen, Schutzmaßnahmen zu priorisieren und einen Plan für deren Umsetzung aufzustellen.
  • Erarbeiten Sie mit Experten für Gebäudeschutz, mit welchen baulichen Maßnahmen Sie Werkshalle, Lager und Büros vor eindringendem Wasser schützen können. Setzen Sie diese Bauarbeiten um.
  • Überprüfen Sie, wie Sie gegen Elementarrisiken, Betriebsunterbrechungen und Ertragsausfälle versichert sind. Falls Lücken bestehen, bringen Sie Ihren Schutz auf das erforderliche Niveau.
  • Erarbeiten Sie einen Notfallplan, nachdem bei einem drohenden Hochwasser Mitarbeiter, Maschinen, Lagerbestände und Geschäftsunterlagen evakuiert und geschützt werden. Benennen Sie darin für jede Maßnahme einen verantwortlichen Mitarbeiter. Kommunizieren Sie diesen Plan – regelmäßig.
  • Ermitteln Sie auch, wie groß das Risiko ist, dass Ihre Zulieferer von Überschwemmungen betroffen werden. Lassen Sie diese Erkenntnisse in die Notfallpläne Ihrer Einkaufsabteilung einfließen. Überprüfen Sie zudem, inwieweit sich Stürme und Hochwasser auf Transportketten auswirken können, auf die Sie angewiesen sind. Finden Sie gegebenenfalls alternative Lieferwege und/oder Lieferanten.

Naturkatastrophen - Aufsteiger des Jahres unter den größten Risiken für Unternehmen

Unternehmen sind sich dieses Risikos bewusst. Im alljährlich erstellten Risk Barometer der Allianz benannten 26 Prozent der Befragten aus aller Welt Naturkatastrophen 2024 als größtes Risiko für ihren Betrieb. Nur Cyberangriffe und Betriebsunterbrechungen waren für noch mehr Unternehmen die größte Gefahr. In der vorangegangenen Umfrage hatten Naturkatastrophen 2023 noch den sechsten Platz eingenommen.

In Deutschland selbst ist das Bild nicht viel anders: In einer Umfrage des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) sagten sechs von zehn mittelständischen Betrieben und drei Viertel der Konzerne 2022, sie seien vom Klimawandel betroffen. Das größte Problem sind für sie dabei nicht, die Wiederaufbau-, Reparatur- oder Ersatzkosten für Gebäude, Maschinen und Lagerbestände nach einem Extremwetterereignis. „Die größten Gefahren sehen sie in Unterbrechungen durch Produktionsausfälle bei Zulieferern im In- und Ausland wie auch in logistischen Problemen ihrer Zulieferer“, berichten die Autoren der Studie, Dr. Susanne Schlepphorst und Dr. Markus Rieger-Fels. Jeweils zwischen 42 und 47 Prozent der von ihnen befragten Unternehmen erwarten negative Folgen für ihr Geschäft, wenn Lieferanten im In- oder Ausland ihre Produktion unterbrechen müssen, oder die Transportkette vom Zulieferer zu ihnen abreißt.

Das zeigt ebenso wie die Tatsache, dass jeder dritte von der Allianz für das aktuelle Risk Barometer 2024 Befragte in einer Betriebsunterbrechung die größte Gefahr für sein Unternehmen sieht, wie eng internationale Supply Chains ineinander greifen und wie abhängig Betriebe von kritischen Vorleistungen aus dem In- und Ausland sind.

Wasser ist Gleitmittel und größte Gefahr für den globalen Gütertransport

90 Prozent des Welthandels und damit dessen Lieferketten werden laut dem World Economic Forum auf dem Seeweg abgewickelt. Wasser ist mithin auch das Lebenselixier der Weltwirtschaft. Werden Meere durch Stürme unpassierbar, lässt zu viel Wasser Transportketten allerdings stocken, wenn nicht still stehen. In Häfen kommt der Verkehr dann oft tagelang zum Erliegen, Schiffe auf betroffenen Routen verspäten sich, Container stapeln sich, wo sie nicht gebraucht werden, und fehlen dort, wo sie dringend nötig wären.

Auch die Binnenschifffahrt fällt aus, wenn Pegel am Rhein, der Donau, Rhône, dem Po oder der Loire zu hoch oder zu niedrig stehen. Europa hängt beim Transport von 80 Prozent seiner Fracht von seinen 41.800 Kilometer langen Wasserstraßen ab, so das Naval Institute der USA. In Deutschland sind Flüsse und Kanäle die wichtigste Anbindung der Industriezentren in Süddeutschland an die Überseehäfen in Rotterdam und Antwerpen. Von dort erreichen sie über Rhein, Main, und Neckar Chemikalien, Stahl und Diesel. Daher sinkt die Industrieproduktion um ein Prozent oder neun Milliarden Euro, wenn Binnenschiffer auf dem Rhein ihre Ladung 30 Tage wegen niedriger Wasserstände reduzieren müssen, hat das Kiel Institut für Weltwirtschaft errechnet. Bei Hochwasser können Schubverbände sogar oft gar nicht fahren.

Hoch- wie Niedrigwasser behindern weltweit immer häufiger die Flussschiffahrt

Zuletzt fiel der Rhein 2022 längere Zeit als Wasserstraße aus. Ein Jahr später waren auch die Rhône sowie der Po in Norditalien und die wichtigste Binnenschifffahrtsstraße der USA, der Mississippi, betroffen. Dort folgte auf einen langanhaltenden Niedrigwasserstand im Mai 2023 direkt ein Hochwasser. Insgesamt verlor die US-Wirtschaft durch den Ausfall der Schifffahrt auf dem „Old Man River“, wie die Amerikaner den Fluss nennen, 20 Milliarden Dollar. Am Po war auf einen seit Sommer 2022 anhaltenden Wassermangel schon im März 2023 ein Hochwasser gefolgt.

Wasser ist somit zwar auch für Unternehmen und ihre Lieferketten ein Lebenselixier. Zu viel davon wird für sie aber schnell zu einem teuren Risiko.

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