In keinem anderen Land waren deutsche Einkäufer 2016 aktiver als in China. Dabei folgt das Geschäftsleben dort Regeln, die deutsche Einkäufer oft nur schwer durchschauen. TECHNIK+EINKAUF hat in einem Business-Knigge China für Einkäufer alles zusammengestellt, was Sie über Einkaufsverhandlungen im Reich der Mitte wissen müssen.
Auf die Hierarchie kommt es an!
Erfolgreiche Verhandlungen sind in China nur unter Partnern möglich, die in ihren Unternehmen auf der gleichen hierarchischen Ebene stehen. Vielleicht erreichen Sie als Einkaufsleiter also ein zufriedenstellendes Ergebnis, wenn Sie mit dem Verkaufsleiter des chinesischen Lieferanten sprechen. Wenn Sie über eine langfristige Kooperation verhandeln wollen und dabei der Geschäftsführer des chinesischen Zulieferers mit am Tisch sitzt, muss auch auf deutscher Seite ein Vertreter der Unternehmensspitze nach China reisen. Andernfalls beleidigen Sie die ranghohen Vertreter des chinesischen Unternehmens.
Während der Verhandlung erkennen Sie in der Regel an der Sitzordnung, wer das ranghöchste Mitglied der chinesischen Delegation ist. Dieses sitzt an der Längsseite des Tisches in der Mitte. Sollte die Hierarchie bei einem Geschäftsessen oder informellen Treffen nicht klar sein, verbeugen Sie sich mit betont hilflosem Blick leicht in die Runde. Der ranghöchste Chinese wird sich Ihnen sofort zu erkennen geben.
Bei den Gesprächen werden die höhergestellten Vertreter der chinesischen Seite eventuell nicht viel sagen. Dennoch sollten Sie auch diesen immer wieder respektvoll Ihre Aufmerksamkeit zuteil werden lassen. Sollten Sie im Verlauf der Verhandlung immer wieder ausweichende Antworten auf schwierige Fragen erhalten, adressieren Sie diese irgendwann direkt an den Delegationsleiter.
Verhandlungen konzentrisch führen!
Wie strukturieren Sie Verhandlungen mit Lieferanten in Deutschland? Anhand einer vorbereiteten Tagesordnung, auf die Sie sich mit ihrem Gesprächspartner geeinigt haben? Im Land des Lächelns kommen Sie mit dieser Herangehensweise nicht weit. Denn Chinesen bewegen sich nicht linear auf ein Verhandlungsziel zu. Vielmehr nähern sie sich ihm spiralförmig. Sie bringen ohne erkennbaren Zusammenhang unterschiedliche Punkte zur Sprache, springen dabei von einem zum anderen, nur um dann wieder eine Frage aufzugreifen, die sie bereits zuvor mit Ihnen besprochen haben. Das wirkt chaotisch, hat für Chinesen aber durchaus Struktur. Denn sie betrachten nicht einen Punkt nach dem anderen, sondern den Zusammenhang, der zwischen allen Aspekten eines Themas besteht.
Versuchen Sie nicht, diese Verhandlungsweise durch Zugeständnisse abzukürzen, die Sie eigentlich nicht machen wollen. Sondern halten Sie geduldig und ausdauernd durch und machen Sie sich die chinesische Art zu verhandeln selbst zu nutze. Wenn die Gespräche beispielsweise an einem schwierigen Punkt nicht vorankommen, können auch Sie zu einem Thema wechseln, das weniger strittig erscheint.
Anders als das Gespräch selbst, ist die gesamte Verhandlung nach einem erkennbaren Muster aufgebaut. Nach einer Eingangsphase, in der sich die Verhandlundgspartner kennenlernen und eine angenehme Gesprächsatmosphäre aufbauen, treffen sie die grundsätzliche Entscheidung, gemeinsam über ein bestimmtes Vorhaben sprechen zu wollen. In dieser Phase führen die in der Hierarchie am höchsten stehenden Mitglieder der beiden Delegationen das Wort. Danach beginnen die Verhandlungen über Detailfragen. Dabei haben die jeweiligen Fachleute das Wort. In der Regel werden zunächst die technischen Aspekte und erst zum Schluss Kosten und Preise besprochen. Wann eine Verhandlung endgültig abgeschlossen ist, folgt keiner erkennbaren Logik. Oft versuchen chinesische Geschäftspartner auch nach dem Abschluss eines Vertrags nochmals über Details oder den Preis zu verhandeln.
Seien Sie listig!
Chinesen verhandeln nicht nach dem Harvard-Konzept. Vielmehr betrachten Sie einer jahrhundertealten Tradition folgend Verhandlungen wie einen Feldzug, den Sie umso einfacher gewinnen können, je listiger sie vorgehen. Allerdings wollen sie ihre Gesprächspartner dabei nicht vernichten, sondern versuchen, diese durch den klugen Einsatz von Verhandlungsstrategemen so zu manipulieren, dass sie ihre eigenen Ziele möglichst umfassend erreichen. Die Listen oder Strategeme nutzen sie dabei sowohl destruktiv wie konstruktiv.
Da Sie Listen erkennen müssen, um sie parieren zu können, sollten Sie sich vor einer Verhandlung mit chinesischen Verkäufern wenigstens mit der Sammlung der 36 Strategeme des 436 gestorbenen Generals Tan Daoji beschäftigen. Diese wichtigste Sammlung von Listen lesen chinesische Schüler bereits in der Schule. Es gibt sie sogar als Comic.
Freude am Feilschen – Schachern Sie!
Chinesen haben großen Spaß am Feilschen. Darauf sollten Sie sich vorbereiten und sowohl eine klare und unverrückbare Preisvorstellung in die Verhandlung mitnehmen wie eine Vielzahl von Konzessionen, die sie ihrem Gesprächspartner machen können, ohne dabei selbst wirklich etwas aufgeben zu müssen.
In Verhandlungen kann es über weite Strecken ausschließlich darum gehen, sich gegenseitig Zugeständnisse abzuringen. Seien Sie auch darauf vorbereitet und haben Sie genug Munition in der Hinterhand, um auf jede Forderung ihres Gesprächspartners mit einer Gegenforderung antworten zu können.
Lassen Sie die Gegenseite auch wissen, dass Sie mit mehreren Anbietern verhandeln und seine Produkte nicht um jeden Preis kaufen, sondern die Verhandlungen im Zweifelsfall abbrechen werden. Denn wenn der chinesische Lieferant herausfindet, dass Sie auf ihn angewiesen sind, wird er Ihnen beim Preis keinen Yuan weit entgegenkommen. Unter Umständen erhöht er diesen in solch einer Situation sogar.
Wahren Sie Ihr „Gesicht“ und stören Sie nie die Harmonie!
Wer in China die Harmonie der Gruppe stört, zu der er gehört, verliert sein Gesicht. Das gilt auch für Verhandlungen. Meinungsverschiedenheiten tragen Chinesen deshalb unter keinen Umständen offen aus. Ein direktes „Nein“ empfinden sie als äußerst rüde. Es könnte ihr Gegenüber verletzen. Damit es dazu nicht kommt, verhalten sich Chinesen in Verhandlungen bisweilen regelrecht devot und bringen ihrem Gesprächspartner ein großes Maß an Hochachtung entgegen. Verwechseln Sie dies nicht mit Schwäche. Chinesen tun dies in der Hoffnung, dass Sie als starker Ausländer dann eher geneigt sind, ihrem vermeintlich schwachem und verwundbarem Gesprächspartner Konzessionen zu machen.
Zugeständnisse sind eines der wichtigsten Mittel, um im Land des Lächelns Respekt für sein Gegenüber auszudrücken, die Harmonie der Verhandlung und damit das eigene Gesicht zu wahren. Seien Sie auf diese in jeder chinesischen Verhandlung geltende Regel vorbereitet und überlegen Sie sich im Vorfeld, welche Konzessionen Sie machen können. Vermitteln Sie Kompromisse immer als einen Gewinn für beiden Seiten.
Zwischentöne – Lernen Sie, indirekt zu kommunizieren
Da ein direktes „Nein“ in China die Harmonie stört, können Sie sich auch auf ein klares „Ja“ nicht unbedingt verlassen. Ihr Gesprächspartner erklärt dies eventuell nur, um Ihnen gegenüber nicht unhöflich zu sein. Im besten Fall drückt er damit aus, dass er Ihre Äußerung zur Kenntnis genommen hat. Stimmt Ihnen ein Chinese in einem Punkt wirklich zu, wird er diesen vielmehr mehrmals betonen. Seine Ablehnung drückt er hingegen eher mit Sätzen wie „Wir werden sehen“ aus oder lässt bei seiner Wiederholung Ihrer Ausführungen den Teil weg, mit dem er nicht einverstanden ist. Auch das ist eine Aussage. Hören Sie also sehr genau zu.
Grundsätzlich gilt in Verhandlungen in der Volksrepublik: Versuchen Sie aus den indirekten Äußerungen herauszuhören, was Ihr Geschäftspartner Ihnen sagen möchte und äußern Sie sich selbst immer höflich und in einem angenehmen Ton. Dann können Sie sogar Kritik anbringen. Denn um die Harmonie zu wahren, sind Chinesen bestrebt, es ihrem Gegenüber recht zu machen – solange, dieses sie nicht brüskiert und sie ihres Gesichts beraubt.
Meistern Sie die Kunst des Schweigens!
Schweigen ist fester Bestandteil des chinesischen Stils, zu verhandeln. Dabei wissen Geschäftspartner im Reich des Lächelns genau, wie leicht sie manchen westlichen Einkäufer durch ausgiebiges Schweigen verwirren können. Lassen Sie sich also durch lange Gesprächspausen nicht aus der Ruhe bringen. Nutzen Sie diese vielmehr um kurz abzuschalten und neue Konzentration aufzubauen oder drehen Sie den Spieß einfach um und schweigen selbst immer dann, wenn ihre Gesprächspartner übermäßige Forderungen stellen oder Details in einem Sinn regeln wollen, dem Sie nicht zustimmen.
Seien Sie bescheiden!
Eines geht in der Volksrepublik gar nicht: ein Überschuss an Emotionen. Verhandlungen führen Chinesen ruhig, langsam und geduldig. Selbst wenn sie etwas verärgert oder frustriert, werden sie dies nie zeigen. Denn damit würden sie ihrem Gesprächspartner signalisieren, dass er sich nicht so verhalten hat, wie es die Harmonie des Zusammentreffens erfordert. Der Partner würde damit sein Gesicht verlieren. Als deutscher Einkäufer sollten auch Sie Ihre wahren Gefühle bei einer Verhandlung im Reich der Mitte hinter viel Ruhe und Geduld verbergen. Bleiben Sie außerdem bei informellen Treffen bescheiden. Die eigene Person wird in China herabgesetzt. Bescheidenheit ist hier eine besonders geschätzte Tugend.
Bereiten Sie sich akribisch vor!
Wenn Sie den Verhandlungsraum betreten, kennt Ihr chinesischer Gesprächspartner unter Umständen bereits Ihre Privatadresse und hat sich Ihr Haus und Ihren Garten schon mal auf Google Earth angesehen. Chinesen bereiten sich auf Verhandlungen ausgezeichnet vor. Dabei informieren sie sich auch akribisch über ihre Gesprächspartner. Denn sie wissen, dass sie harte Verhandlungen nur auf Grundlage einer erstklassigen Vorbereitung führen können.
Schieben also auch Sie Ihre Vorbereitung nicht bis zum letzten Moment auf. Sie sollten genau wissen, mit wem Sie sprechen und welche Stellung er oder sie in seinem oder ihrem Unternehmen innehat. Um auf die chinesische Art, zu verhandeln, effizient reagieren zu können, sollten Sie zudem exakt festlegen, was Ihre minimalen und maximalen Verhandlungsziele sind, in welchen Punkten Sie bereit sind Zugeständnisse zu machen und was Sie dafür im Gegenzug bekommen möchten. Überlegen Sie sich auch, welche Zugeständnisse Sie ohne Gegenleistung machen können.
Stellen Sie sich zudem darauf ein, dass die sprachliche Verständigung schwierig sein könnte und bringen Sie Bilder, Grafiken sowie Muster mit, um Sachverhalte so anschaulich wie möglich darstellen zu können.
Bringen Sie viel Zeit mit!
Schnell verläuft im Reich der Mitte nur das Wachstum der Städte. Verhandlungen können dagegen ewig dauern. Oft besteht ein und dieselbe Verhandlung aus zahlreichen kürzeren Besprechungen, die sich über einen Zeitraum von mehreren Tagen bis hin zu zwei Wochen erstrecken. Protokollieren Sie nach Möglichkeit jede Besprechung oder fertigen Sie danach ein Gedächtnisprotokoll an, damit Sie in der nächsten Begegnung darauf verweisen können, was bereits Gesprächsstand war. Nicht selten versuchen chinesische Geschäftspartner sogar nach Abschluss der Verhandlung nochmals über den Preis, Liefermengen oder –zeiten zu sprechen.
Suchen Sie sich einen kompetenten und zuverlässigen Dolmetscher!
Verhandeln sie nie ohne einen Dolmetscher. Zwar sprechen viele junge Chinesen gut Englisch. Ihre meist älteren Vorgesetzten beherrschen hingegen oft nur Chinesisch. Sie jedoch treffen die Entscheidungen.
Lassen Sie sich deshalb von im Chinageschäft erfahrenen Geschäftspartnern einen Dolmetscher empfehlen, dem sie wirklich vertrauen können. Um Interessenkonflikte zu vermeiden, schadet es nicht, wenn sowohl Sie wie die chinesische Seite einen eigenen Übersetzer haben. Ihr Dolmetscher sollte idealerweise auf Wirtschaftsthemen und technische Übersetzungen spezialisiert sein.
Damit Sie Ihr Übersetzer korrekt widergeben kann, sollten Sie sich bemühen, während der Verhandlung auch auf Deutsch knapp und klar zu formulieren und Umgangssprache zu vermeiden. So beugen Sie Übersetzungsfehlern vor.
Ihren Dolmetscher werden Sie übrigens spätestens dann dringend brauchen, wenn Sie mit Chinesen über große Zahlen sprechen. Denn Chinesen wenden das Dezimalsystem nur bis zur Zahl 10.000 an. Danach multiplizieren sie die 10.000, um den entsprechenden Betrag auszudrücken. Hunderttausend sind im Reich der Mitte also zehn mal 10.000, eine Million 100 Mal 10.000, eine Milliarde aber zehn Mal 100 Millionen. Dabei kommen selbst Chinesen ins Schwitzen.
Behandeln Sie Visitenkarten respektvoll!
Bringen Sie viele Visitenkarten mit. Denn diese verteilen chinesische Geschäftspartner bei jeder Gelegenheit. Lassen Sie Ihre Karte zweisprachig auf Englisch und Chinesisch und auf sehr hochwertigem Papier drucken. Denn Visitenkarten sind in China ein Statussymbol und das wichtigste Medium, um einem Geschäftspartner die eigene Stellung in der Unternehmenshierarchie mitzuteilen.
Angaben wie „Manager“, „Salesmanager“, „Technical Support“ oder „Ingenieur FH“ können Chinesen allerdings nicht einordnen. Auf ihren Visitenkarten finden sich Angaben wie „President“, „General Manager“ oder „Head of…“, die helfen jemanden in der Hierarchie einzuordnen.
Überreichen Sie Ihre Visitenkarte immer mit zwei Händen. Achten Sie darauf, dass die Schrift ihrem Gesprächspartner zugewandt ist.
Auch wenn Sie selbst eine Visitenkarte überreicht bekommen, nehmen Sie diese mit beiden Händen entgegen. Studieren Sie die Karte mit angemessener Aufmerksamkeit. Lassen Sie sie auf gar keinen Fall sofort in einer Tasche verschwinden oder notieren Sie etwas auf der Visitenkarte. Chinesen könnten dies für respektlos halten. Legen Sie die Karten, die Sie erhalten haben, während der Verhandlung vor sich auf den Tisch.
Business-Knigge China: Diese Fettnäpfchen sollten Sie im Reich der Mitte vermeiden
- Ob am Verhandlungstisch, beim Geschäftsessen oder abends beim Besuch einer Karaokebar, in China werden Sie auch in Situationen, die anscheinend nichts mit dem Geschäft zu tun haben, als Vertreter Ihres Unternehmens wahrgenommen. Verhalten Sie sich daher immer angemessen.
- Chinesen legen großen Wert auf persönliche Beziehungen und werden sich deshalb bemühen, Sie durch Gespräche kennenzulernen, die nichts mit dem Geschäft zu tun haben.
- Bringen Sie Ihren Gesprächspartner dabei nicht in Verlegenheit, indem Sie über persönliche und eher intime Themen sprechen.
- Seien Sie nicht verärgert, wenn Chinesen sie nach Ihrem Einkommen, Alter oder dem Preis fragen, den Sie für Ihren Anzug oder Ihr Haus bezahlt haben. Das ist in China üblich, um den Partner besser einschätzen zu können.
- Ebenfalls Tabu ist es, den Sprechenden zu unterbrechen, zu berühren oder über Themen wie Tibet, Taiwan, die Menschenrechtslage oder die Studentenbewegung von 1989 zu sprechen.
- Äußern Sie sich niemals negativ über Deutschland oder die deutsche Politik. Damit stoßen Sie in China auf absolutes Unverständnis.
- Geeignete Gesprächsthemen sind dagegen Chinas Geschichte, das Wetter, Sport, Urlaube oder aktuelle Ereignisse wie Messen, die im Reich der Mitte gerade stattfinden oder stattfinden werden.