Silicon-Wafer in Hand eines Labormitarbeiters

Die Hersteller von Halbleitern, Speicherchips und Prozessoren stecken in einer Krise. Doch nicht alle Unternehmen sind gleich betroffen. (Bild: naka/Adobestock)

Chiphersteller kennen rasante Talfahrten. Doch so schnell wie 2019 ging es für Intel, Samsung & Co. in den zehn Jahren davor nicht mehr bergab. Zwischen Januar und Juni 2019 sanken die weltweiten Umsätze der Halbleiterlieferanten um fast 14 Prozent auf 203 Milliarden US-Dollar.

Im gleichen Zeitraum des Vorjahres erlöste die Zulieferbranche noch 236 Milliarden Dollar, berichtet das britische Marktforschungsunternehmen IHS Markit. Besonders das Geschäft mit Prozessoren und Speicherchips brach im ersten Halbjahr ein.

Die Umsätze mit DRAM-Speichern lagen 35,7 Prozent unter den Erlösen des Vorjahreszeitraums, die mit NAND-Flash-Speichern sanken um 26,9 Prozent. Der Absatz von Prozessoren ging um 19,5 Prozent zurück.

Hohe Lagerbestände lassen Umsätze einbrechen

„IT-Dienstleister bauen ihr Angebot in der Cloud und ihre Datenzentren nicht mehr so schnell aus wie in den Vorjahren. Unternehmen bestellen weniger neue Server. Außerdem lässt die Nachfrage nach Smartphones nach“, erklärt IHS-Analyst Ron Ellwanger die Lage in der Halbleiterindustrie. Chiphersteller hätten daher große Lagerbestände, die sie kaum verkaufen können.

Das war 2019. Dann kam Corona. Mittlerweile können die Halbleiter-Produzenten die Nachfrage aus China, den USA und Europa nicht mehr bedienen, sodass die Bänder einiger Automobilhersteller und Zulieferer still stehen. Trotz Pandemie kommen Samsung & Co mit der Fertigung der Bauteile nicht mehr hinterher - die Talfahrt ist zu einer Bergetappe geworden.

Doch es gibt einige Probleme, die eine reibungslose Produktion und Versorgung mit den wichtigen Zuliefererteilen gefährdet:

Exportverbote schaden der eigenen US-Chipindustrie

Zugleich schaden die vom damaligen US-Präsident Donald Trump gegen China verhängten Strafzölle der Chipindustrie in den USA. Bislang erwirtschaftete diese ein Drittel ihrer Umsätze im Reich der Mitte. Dort aber sinkt durch den Handelskrieg das Wirtschaftswachstum und damit die Nachfrage nach Halbleitern.

Im Mai 2019 setzte Trump Chinas Telekomkonzerne Huawei und die Tochtergesellschaften des Konzerns wie Hisilicon auf die sogenannte Entity List des US-Handelsministeriums. Die Folge: Unternehmen, die dort aufgeführte Firmen beliefern wollen, benötigen eine Exportgenehmigung der US-Behörden.

Im Mai 2020 verschärfte die Trump-Regierung die Regelung und verbot, Huawei mit Halbleitern zu beliefern, die mit US-Software oder -Maschinen hergestellt werden. Das betrifft auch außerhalb der Vereinigten Staaten ansässige Unternehmen. Sie müssen die Exportkontrollmaßnahmen nun ebenfalls befolgen. So hat das US-Handelsministerium direkten Einfluss auf das Chinageschäft jedes Technologieunternehmens in jedem Land der Welt. Wer sich nicht daran hält, muss strafrechtliche Konsequenzen in den USA befürchten.

Und auch die neue Regierung unter Joe Biden macht derzeit keine Anstalten, diese Regelungen zu ändern oder zurückzunehmen.

Die 5 größten Ausrüster für die Halbleiterindustrie

Die Produzenten von Halbleitern benötigen eine umfangreiche Ausstattung für ihre Fertigung von unterschiedlichen Unternehmen. Diese spezialisieren sich nicht selten auf Anlagen für unterschiedliche Produktionsschritte im Herstellungsprozess. Daher sind diese Zulieferer auch nicht unbedingt Konkurrenten untereinander. (Zahlen aus 2020)

Platz 1: Applied Materials (AMAT) aus den USA mit 17,2 Milliarden US-Dollar (zum Beispiel Sputterdepositionsanlagen)

Platz 2: ASML aus den Niederlanden mit 13,98 Milliarden Euro (Lithographiesysteme)

Platz 3: Tokyo Electron aus Japan mit 1.127 Milliarden Yen (Anlagen für die Fertigung von Halbleitern und Flachbildschirmen)

Platz 4: Lam Research aus den USA mit 10,04 Milliarden US-Dollar (Anlagen für das Trockenätzen unterschiedlicher Materialien)

Platz 5: KLA-Tencor aus den USA mit 5,8 Milliarden US-Dollar (Geräte zur Waferinspektion und Produktionsüberwachung)

Peking investiert Milliarden in die Halbleiterproduktion

Zugleich reagiert Peking auf die von Washington verhängten Handelsbeschränkungen mit dem massiven Ausbau der Chipfertigung in der Volksrepublik.

Zwar produzieren chinesische Halbleiterwerke schon heute 18 Prozent der weltweit verkauften Chips, so der Zentralverband der Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) in einem Marktbericht. Doch fertigen sie die Bauteile überwiegend im Auftrag ausländischer Konzerne. Den eigenen Markt bedienen sie laut einer Studie der Unternehmensberatung Boston Consulting Group nur zu 14 Prozent.

Damit sich das bis Mitte des Jahrzehnts ändert, fördert die Kommunistische Partei die Chipindustrie im Rahmen der „Made in China 2025“-Technologiepolitik mit 30 Milliarden Dollar. Das Ziel: 70 Prozent der in China benötigten Halbleiter sollen im Land selbst produziert werden. Allerdings laufen die chinesischen Fertiger dem neuesten Stand der Technik noch hinterher. Erst Ende 2021 soll die Produktion von Halbleitern mit Nodes von 7 Nanometern starten.

Asien macht USA die Führung streitig

Der vom Handelskrieger im Weißen Haus angezettelte Konflikt dürfte somit dazu führen, dass sich die Wertschöpfung in der weltweiten Chipindustrie künftig noch schneller von den USA nach Asien verlagert als bislang.

In vier Jahren werden China, Südkorea, Taiwan, Vietnam und Japan fast zwei Drittel der weltweiten Halbleiterproduktion stemmen, erwartet der ZVEI. Aus Produktionsstätten in den USA stammt dann nur noch ein Zehntel der globalen Chip-Produktion.

US-Chiphersteller verlieren Marktanteile

Der Verlust dieser Marktanteile wird für die amerikanischen Vorzeigeunternehmen schmerzlich. Denn die langfristigen Wachstumstreiber auf dem Halbleitermarkt sind intakt.

Das Geschäft mit Prozessoren und Speichern legt schon 2020 wieder zu, prognostiziert die Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers (PwC). Ihr zufolge steigen die globalen Umsätze der Zulieferbranche bis 2022 jedes Jahr um 4,6 Prozent auf dann 575 Milliarden Dollar. Der ZVEI geht bis 2023 zwar nur von 2,7 Prozent Wachstum pro Jahr aus.

Nach seinen Berechnungen wachsen die Umsätze asiatischer Halbleiterproduzenten mit jährlich plus 4,6 Prozent jedoch deutlich schneller als die der US-amerikanischen Konkurrenz. Die kann ihre Erlöse nur um 1,6 Prozent und damit schwächer als der Marktdurchschnitt steigern.

Wachstumstreiber - Industrie 4.0 und Neue Mobilität

Auch einzelne Segmente des Chipmarktes werden stärker zulegen als andere. So steigen die Erlöse aus dem Geschäft mit Speichern und Prozessoren für die Fabrikautomation laut der PwC-Studie bis 2022 um 10,8 Prozent.

„Die Umsätze mit Halbleitern für den Automobilbereich wachsen unserer Studie zufolge mit durchschnittlich 11,9 Prozent pro Jahr sogar noch schneller“, erklärt Werner Ballhaus, Partner und Leiter des Bereichs Technologie, Medien und Telekommunikation bei PwC.

Elektromobile brauchen bis zu 20.000 Halbleiter

Diese Dynamik entsteht vor allem durch die zunehmende Produktion von Elektro- sowie vernetzten und autonomen Fahrzeugen. Schon heute verbauen Hersteller in einem Wagen der Oberklasse bis zu 10.000 Halbleiter.

Elektro- und Hybridfahrzeuge benötigen jedoch rund doppelt so viele Prozessoren und Speicher wie fossil betriebene Autos. Dazu kommt der steigende Bedarf an mikroelektronischen Komponenten in autonomen und vernetzten Fahrzeugen.

Der Wert der in einem Auto verbauten Halbleiter wird sich daher bis 2030 gegenüber heute auf durchschnittlich knapp 2.000 Dollar versechsfachen.

Künstliche Intelligenz stellt hohe Anforderungen an Prozessoren und Speicher

Noch stärker wächst in den kommenden Jahren der Markt für Speicher und Prozessoren, die mit den Anforderungen Künstlicher Intelligenz (KI) klarkommen.

Da Entwickler beim Training von KI-Algorithmen auf riesige Datenmengen zugreifen, müssen die genutzten Chips mehr Informationen schneller speichern und verarbeiten als heutige Systeme. Ein Beispiel: Beim Training einer Bilderkennungssoftware müssen alle wahrgenommenen Merkmale eines Gegenstandes – etwa seine Farbe und Form oder die Textur seiner Oberfläche – im Arbeitsspeicher verbleiben, während die Software den Algorithmus verfeinert.

Schriebe das Programm die Daten in die Cloud oder auf Festplatte, wäre der Trainingsprozess viel zu langsam. KI-Speicherchips arbeiten daher mit einer um das 4,5-fachen größeren Bandbreite als superschnelle Komponenten für andere Anwendungen. Sie kosten mit 25 Dollar pro Gigabyte auch dreimal so viel wie herkömmliche Arbeitsspeicher.

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Umsätze mit KI-Chips steigen um 50 Prozent pro Jahr

Kunden sind bereit, diesen Preis zu bezahlen. Zugleich halten smarte Algorithmen vom autonomen Fahren über den Aufbau intelligenter Fabriken bis zur Sicherheitstechnik an Flughäfen und Bahnhöfen in jedem Lebensbereich Einzug.

Der Markt für KI-Chips, -Arbeitsspeicher und -Prozessoren wächst der PwC-Studie zufolge daher bis 2022 um 50 Prozent pro Jahr. Insgesamt setzen Chiphersteller in drei Jahren weltweit 30 Milliarden Dollar mit den hochleistungsfähigen Komponenten um.

Mobilfunkstandard 5G – Neuer Markt für Chiphersteller

Der Markt für Arbeitsspeicher und Prozessoren für den neuen Mobilfunkstandard 5G  legt laut einer Untersuchung des Londoner Marktforschungsunternehmens Technavio bis 2023 sogar um 71 Prozent pro Jahr zu.

 Allerdings setzen Chiphersteller mit Komponenten für den Mobilfunk 2023 mit 16 Milliarden Dollar nur halb soviel um wie mit Produkten für die Künstliche Intelligenz. Dabei sind die technischen Anforderungen nicht geringer. Schließlich kann 5G über zehn Mal mehr Daten verarbeiten wie sein Vorgänger – und das mit nie dagewesenen Latenzen.

Megatrends verändern den Halbleitereinkauf

Gelingt es Chipherstellern, die Chancen zu nutzen, die ihnen diese Megatrends bieten, verändert sich auch der Einkauf von Halbleitern. Denn bislang schlugen die Zulieferer nur sehr begrenzt Kapital aus ihrem Know-how. Oft entwickelten und produzierten sie Prozessoren und Speicher nach Vorgaben ihrer Kunden. Von der mit Laptops, Servern und PCs erzielten Marge bekamen sie daher nur maximal 30 Prozent ab. Vom Verkaufspreis von Mobiltelefonen entfielen höchstens zehn Prozent auf sie.

Da Endprodukte künftig höhere Anforderungen an die Leistungsfähigkeit der in ihnen verbauten Halbleiter stellen, könnte jedoch bald bis zur Hälfte des mit Techprodukten erzielten Gewinns in den Taschen der Chipproduzenten landen, erwartet die Unternehmensberatung McKinsey.

Chiplieferanten werden zu Entwicklungspartnern

Denn Kunden sind künftig immer mehr auf das Know-how und die Beratung durch ihre Halbleiterlieferanten angewiesen. Diese und nicht die eigene Entwicklungsabteilung wissen am besten, mit welchen Chiparchitekturen und –technologien sich gewünschte Funktionalitäten eines Produkts optimal darstellen lassen.

Einkäufer und Entwickler müssen daher immer früher und enger mit ihren Chiplieferanten zusammenarbeiten. Gleichzeitig entstehen für diese neue Geschäftsmodelle.

So könnten sie KI-Chips künftig nur noch verkaufen, wenn der Kunde zugleich eine Lizenz für das darin enthaltene geistige Eigentum erwirbt. Der aktuellen Talfahrt der Halbleiterlieferanten könnte dann schnell ein neuer Höhenflug folgen.

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