Um teure Fehler beim Verhandeln zu vermeiden, muss man wissen, wie Generalunternehmer kalkulieren und taktieren.

Um teure Fehler beim Verhandeln zu vermeiden, muss man wissen, wie Generalunternehmer kalkulieren und taktieren. (Bild: amnaj-stock.adobe.com)

Der erste folgenschwere Fehler geschieht häufig schon vor der Auftragsvergabe. Beim Bau einer neuen Fabrik oder Produktionsanlage fragen manche Unternehmen in der Ausschreibung (RfQ) erst einmal nur lose Preisindikationen bei den in Frage kommenden Generalunternehmern (GU) ab. Bis zur Auftragsvergabe vergehen in der Regel aber noch einige Monate. Dann jedoch können die Preise schon erheblich höher liegen, so dass die Kalkulation des Großprojektes nicht mehr aufgeht. Um nicht schon bei der Auftragsvergabe unliebsame Kostenüberraschungen zu erleben, sollte man auf ein Preis-Commitment der GU achten.

Dies ist jedoch nicht der einzige und nicht einmal wichtigste Grund, warum Unternehmen bei komplexen, sich über Monate hinwegziehenden Großprojekten in der Kostenfalle landen können. Dagegen steuern lässt sich durch drei Maßnahmen: erstens die detaillierte Vorbereitung des Vertrags, zweitens eine anreizgesteuerte Lenkung des Generalunternehmens und drittens das systematische Monitoring des Projekts.

Die Kalkulation und Verhandlungstaktik der Generalunternehmen

Zu einer professionellen Vorbereitung gehört auch, die Angebote der Generalunternehmen wirklich vergleichbar zu machen. Wir nutzen dazu ein Bonus-Malus-System, um auch qualitative Unterschiede in den Angeboten, etwa bessere technische Lösungen, in Euro zu bewerten – welche zahlen sich aus und welche sind nur „nice to have“.

Um teure Fehler zu vermeiden, muss man wissen, wie Generalunternehmer kalkulieren und taktieren. Um an den Auftrag zu kommen, berechnen sie den Preis sehr knapp. Ihren Gewinn realisieren sie dann durch das Nachtragsmanagement. Denn bei einem komplexen Großprojekt kommt es zwangsläufig zu technischen Veränderungen gegenüber der ursprünglichen Planung. Fallen beispielsweise die Maße von einzelnen Teilen aufgrund von Planänderungen gegenüber der Auftragsvergabe etwas anders aus, geht das richtig ins Geld.

Diese Verteuerungen machen unserer Erfahrung nach in der Summe zwischen 30 und 60 Prozent des ursprünglichen Preises aus. Dabei ist der Hebelfaktor für Mehrpreisforderungen des Generalunternehmers nach der Vergabe umso größer, je weniger der Auftrag ursprünglich spezifiziert wurde. Nach der Auftragsvergabe haben die Unternehmen kaum mehr Verhandlungsmacht, der GU ist dann in der Position eines Quasimonopolisten. Unter dem Zeitdruck, den Termin einzuhalten, geben die meisten Unternehmen nach, damit die Arbeit auf der Baustelle nicht ruht.

To-do-Liste bei Großinvestitionen

  1. Beim RfQ rechtzeitig auf Preis-Commitment achten
  2. Bonus-Malus-Bewertung, um Angebote vergleichbar zu machen
  3. Change-Management-Katalog im Vertrag, um nachträgliche Mehrpreisforderungen auszuschließen
  4. Positive und negative Anreize für den Generalunternehmer bei Problemen mit dem Zeitplan und bei Rohmaterialverteuerung
  5. Identifizierung von preissenkenden Forderungen (Claims)
  6. Kontinuierliches Monitoring der Schnittstellen zwischen Bauleiter, Fachabteilungen und Einkauf

Mit Change-Management-Katalog Nachtragsforderungen verhindern

Meist leiten die Unternehmen den Bau der neuen Produktionsstätten nicht selbst, sondern beauftragen Architekten und Bauingenieure, die dann auch die Ausschreibung durchführen. Diesen fehlt aber die Kenntnis, welche Veränderungen im Projektverlauf noch auftreten können. Deshalb sollte man schon beim RfQ alle möglichen Szenarien für technische Modifikationen bei den Gewerken durchspielen, die nach Vertragsabschluss noch vorkommen können und diese in den Vertrag aufnehmen. Wir nennen das den Change-Management-Katalog. Zwar lassen sich damit nicht alle Fälle abdecken, aber doch die meisten. Hier stoßen zwei Interessen aufeinander: Dem Bauherrn helfen genaue Spezifikationen, um unliebsame Überraschungen zu vermeiden, der Generalunternehmer hat es lieber weniger spezifisch, damit er später bei Veränderungen mehr herausholen kann.

Wichtig ist auch, den Generalunternehmer durch positive und negative Anreize so zu steuern, dass er den Auftrag bestmöglich erfüllt. Unser Ansatz besteht darin, die Preis- und Zeitrisiken zu identifizieren, sie entsprechend zu incentivieren und diese in den Verträgen zu verankern. Etwa durch Abschlagszahlungen oder Pönalen, damit der Auftragnehmer möglichst viel Eigenmotivation entwickelt, den Zeitplan zu erfüllen.

Anreize sind auch das beste Instrument im Fall einer Rohmaterialverteuerung. Eine Fixpreisklausel hätte den Nachteil, dem Generalunternehmer das volle Preisrisiko zu übertragen, das dieser entweder auf den Gesamtpreis aufschlagen oder aber durch geringere Qualität und Pünktlichkeit kompensieren würde. Eine Preisgleitklausel dagegen würde dem GU keinen Anreiz bieten, bei einer Verteuerung nach kostengünstigeren Lösungen zu suchen. Besser ist deshalb die Kombination mit dem Open-Book-Verfahren: Der GU erhält einen Bonus, wenn er höhere Preise durch eigene Initiative kompensieren kann, etwa durch geringeren Materialverbrauch, so dass beide Seiten etwas davon haben.

Berechtigte Claims erkennen und verhandeln

Zudem gilt es, berechtigte Ansprüche auf Preissenkung gegenüber dem Generalunternehmer zu erkennen, etwa weil aufgrund von technischen oder anderen Änderungen weniger Material oder Teile verbraucht werden als ursprünglich geplant. Nach unserer Erfahrung verfolgen Unternehmen zwei Drittel dieser Claims nicht, weil sie sie nicht sehen. Und aus eigener Initiative verrechnet der GU diesen geringeren Aufwand in der Regel nicht. So hatten wir bei einer Großanlage den Fall, dass etliche Stützen inklusive Fundamente nicht mehr benötigt wurden, weil die Anlage technisch verändert wurde, aber dies dem Kunden nicht angerechnet wurde und erst durch eine Revision auffiel.

Dass ein Unternehmen diese Claims gegenüber dem Generalunternehmer nicht erkennt, liegt nicht nur an der hohen Komplexität eines Großprojekts, sondern auch an dem Principal-Agenten-Problem bei gleichzeitiger Informationsasymmetrie. Soll heißen: Die Projektbeteiligten haben unterschiedlich ausgeprägte Prioritäten und sind nicht darauf ausgerichtet, solche Ansprüche zu erkennen. Die Architekten und Bauingenieure fühlen sich für die technische Realisierung verantwortlich, der Bauleiter fürchtet um den Zeitplan, wenn er solche Claims verfolgt. Der Einkauf sieht sie nicht, da er weder die technische Kompetenz hat noch vor Ort ist. Und die Zielsteuerung des Projektleiters ist auf den Zeitplan, die Qualität und die Einhaltung des vereinbarten Budgets fokussiert.

Deshalb ist es das kontinuierliche Monitoring der Großinvestitionen wichtig, also jemanden auf der Baustelle zu haben, der die Schnittstellen zwischen Bauleiter, Fachabteilungen und Einkauf richtig managt, der vom Bauleiter laufend über technische Änderungen des Projekts informiert wird, diese monetär bewertet und daraus Forderungen gegenüber dem GU ableitet, die er dem Einkauf übermittelt. Unternehmen, die das ignorieren, laufen in die Kostenfalle.

Die Autoren

René Schumann ist Gründer und Geschäftsführer, Yurda Burghardt Partnerin der Negotiation Advisory Group (NAG), eine Unternehmensberatung, die Unternehmen auf Basis von Spieltheorie und Verhaltensökonomie bei Verhandlungen mit Lieferanten und Kunden unterstützt.

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