Ende 2022 wurde der Schalter in Berlin umgelegt. Seitdem produziert eine Hochtemperatur-Wärmepumpe am Potsdamer Platz in Berlin Wärme für das Fernwärmenetz der Stadt. Das Gemeinschaftsprojekt heißt Qwark3, das ist die Abkürzung für „Kopplung von Fernwärme, Strom und Kälte, und wurde bereits 2020 auf den Weg gebracht. Das Ziel: herauszufinden, ob Industriewärmepumpen funktionieren und ob der Betrieb wirtschaftlich ist.
Die Voraussetzungen
Am Potsdamer Platz versteckt sich unter den dortigen Hochhäusern, Einkaufszentren und Straßen ein unterirdisches Rohrsystem, das bis zum Leipziger Platz reicht. Es ist ein Kältenetz, dass mehr als 12.000 Büros, 1.000 Wohnungen sowie viele Kultureinrichtungen, Hotels, das Berliner Abgeordnetenhaus, den Bundesrat sowie das Bundesumweltministerium in der Mitte Berlins mit lokal erzeugter Kälte versorgt. Das tut es bereits seit 1997.
Das Fernkältewasser wird in der die Kältezentrale in der Stresemannstraße auf eine Temperatur von 6 Grad Celsius abgekühlt. Auf dem Weg durch die Leitungen in den Räumen der angeschlossenen Nutzer erwärmt sich das Wasser auf rund 12 Grad Celsius. Anschließend wird zurück zur Kältezentrale gepumpt und erneut gekühlt. Zur Kühlung nutzt Vattenfall Absorption und der Kompression. Die Absorptionskältemaschinen nutzen Fernwärme aus dem Heizkraftwerk Mitte, um die Kälte zu erzeugen, die Kompressionskälteanlagen nutzen Strom dafür. In Spitzenzeiten fließen pro Stunde bis zu 5.300 Kubikmeter 6°C kaltes Wasser durch das Fernkältenetz zu den Abnehmern.
Bei der Produktion dieser Kälte entsteht Abwärme - ähnlich wie es bei einem Kühlschrank der Fall ist. Diese wurde bislang ungenutzt über Kühltürme in die Umwelt abgegeben. Mit der Hochtemperatur-Wärmepumpe (HT-Wärmepumpe) wird diese Abwärme nun klimafreundlich in Fernwärme umgewandelt werden - ein Wärme-Kälte-Wärme-Kreislauf entsteht. Der Vorteil: Diese Abwärme besitzt eine höhere Temperatur als Umweltwärme, was den Betrieb der Großwärmepumpe effizienter macht.
Diese wurde bislang aus Erdgas erzeugt. Rund 3,2 Millionen Kubikmeter des fossilen Brennstoffs waren dafür pro Jahr nötig. Mit dem Austausch durch die Hochtemperatur-Wärmepumpe sollen auf diese Weise bis zu 6.500 Tonnen CO₂ eingespart werden.
Was leistet die Industriewärmepumpe?
Die Wärmepumpe liefert rund 8 Megawatt thermische Leistung für das Fernwärmenetz bereitstellen und kann das Wasser auf Temperaturen zwischen 85 und 120 Grad Celsius erwärmen. Das soll auch unter kalten Bedingungen funktionieren, denn die Leistung der Wärmepumpe wird flexibel der Leistung der Wärmequelle angepasst und beträgt zwischen 4,8 und 8 MWth.
Wo "normale" Haushalts-Wärmepumpen Wärme aus der Umgebungsluft ziehen, nutzt die HT-Wärmepumpe in Berlin die Abwärme aus dem Kühlkreislauf: Das auf 12 Grad erwärmte Kühlwasser wird zur Kältezentrale zurückgeleitet und muss nämlich wieder heruntergekühlt werden, um es erneut zu nutzen. Zuvor geschah das über Kühltürme, die die Restwärme des Kühlwassers an die Umgebung abgeben. Mithilfe von Strom hebt die HT-Wärmepumpe diese Restwärme auf ein höheres Niveau.
Der (innere) Temperaturhub kann entsprechend der jahreszeitlichen schwankenden Vorlauftemperaturen des Fernwärmenetzes zwischen 68K und 103K variieren. Für das Fernwärmenetz produziert sie auf diese Weise etwa 55 GWh zusätzliche Wärme im Jahr.
Kälte zu Wärme: So funktioniert die Quartiers-Wärme-Kraft-Kälte-Kopplung.
Welche Vorteile hat der Einsatz der HT-Wärmepumpe in Berlin?
Da die Wärmepumpe einen mit Erdgas betriebenen Kessel ersetzt, fallen 3,2 Millionen Kubikmeter fossiler Brennstoff ersatzlos weg, was bis zu 6.500 Tonnen CO₂ einspart. Aber nicht nur das: Bislang musste die Abwärme aus der Kälteproduktion aufwändig heruntergekühlt werden. Das schlug mit rund 120.000 Kubikmeter Kühlwasser zu Buche - auch diese entfallen. Darüber hinaus sorgt die Siemens-Wärmepumpe für zusätzliche 55 GWh Wärme pro Jahr.
Wer ist am Projekt Qwark3 beteiligt?
Initiiert wurde Qwark3 von Siemens Energy und Vattenfall Wärme Berlin, einem Tochterunternehmen der Vattenfall GmbH, die speziell für die Wärme- und Kälteversorgung zuständig ist. Vattenfall ist Grundversorger in Berlin und eine Tochter des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall AB. Nach Eon, RWE und EnBW ist die Vattenfall Europe AG das viertgrößte Energieversorgungsunternehmen in Deutschland. Vattenfall Wärme Berlin betreibt weitere Heizkraftwerke in Berlin, etwa in Wilmersdorf, Moabit, Charlottenburg und Lichterfelde.
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Außerdem: PV-Module werden immer leistungsfähiger. Welche Solarzellen spielen neben den "klassischen" Siliziumzellen noch eine Rolle? Ein Beispiel für noch eine völlig neue Art sind Perowskit-Solarzellen. Was macht sie aus?
Aktuell besitzt Vattenfall Wärme mit 1,4 Millionen angeschlossenen Haushalten in Berlin quasi das Monopol bei Fernwärme. Ein Anteil von 77 Prozent und damit der Löwenanteil wird auf Grundlage von Erdgas erzeugt. Rund 18 Prozent stammt aus Steinkohle, damit kommen 95 Prozent der Fernwärme aus fossilen Quellen. Der Rest wird aus Abwärme der Müllverbrennung erzeugt, auch hier entsteht das klimaschädliche CO2 . Das Pilotprojekt am Potsdamer Platz soll ein erster Schritt sein, um das zu ändern.
Für den Bau der Großwärmepumpe zeichnet Siemens Energy verantwortlich, der dazugehörige 2-polige Asynchronmotor kommt vom Motorenbauer VEM. Die Herausforderung: Die Wärmepumpe benötigte einen passgenauen Antrieb unter beengten räumlichen Gegebenheiten. Sowohl Kühler, als auch Hauptanschlusskasten wurden speziell an die baulichen Gegebenheiten angepasst. Da das Qwark3-Projekt innerhalb eines Wohngebietes realisiert wurde, mussten die Entwickler des Motors zudem strenge Lärmvorschriften beachten.
Welche Strategien für die Energiebeschaffung gibt es?
Für die Beschaffung von Energie stehen unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung. Diese erklären wir im Einzelnen hier:
Wo kommt der Strom für die Großwärmepumpe her?
Die "neue" Fernwärme soll nicht nur CO2 einsparen, indem Erdgas ersetzt wird. Der Strom, der notwendig ist, um das Temperaturniveau fernwärmetauglich anzuheben, ist laut den Projektbetreibern "erneuerbar und regional", genauer spezifizieren weder Vattenfall noch Siemens Energy die Quelle(n).
Trivial ist dieser Aspekt nicht: Die mittel- bis langfristige Wirtschaftlichkeit hängt unter anderem ab vom Strompreis. Je niedriger dieser ist, desto positiver fällt sie aus. Da erneuerbarer Strom günstiger ist als konventioneller, könnte dessen Anteil im gesamten Strommix den Preis auf die lange Sicht aber senken - sofern das Angebot schneller ausgebaut wird als die Nachfrage (zum Beispiel über Wärmepumpen und Elektroautos) steigt.
Was kostet die Hochtemperatur-Wärmepumpe in Berlin?
Die Kosten von Qwark3 betragen insgesamt rund 7,8 Millionen Euro, wobei sich die Investitionen auf den Zeitraum von 2021 bis 2025 erstrecken. Das Projekt hat eine Förderung des Bundeswirtschaftsministeriums erhalten, die 40 Prozent der Investitionskosten abdeckt.
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