Strombörsen funktionieren wie eine Wertpapierbörse, das heißt: Strom wird von Erzeugern angeboten und von Abnehmern (Versorger, Unternehmen) nachgefragt. Die Strombörse für Europa sitzt in Leipzig und heißt EEX (European Energy Exchange). Daneben gibt es nationale Strombörsen wie die APX in Amsterdam und die EXAA in Österreich.
Allerdings wird über die Strombörse nur ein kleiner Teil des vorhandenen Stroms gehandelt – etwa 25 Prozent. Im Jahr 2022 betrug das Stromhandelsvolumen in Leipzig nach Angaben der EEX 3.960 TWh. Davon 616 TWh am (kurzfristgen) Spotmarkt und 3.344 TWh am (mittel- bis langfristigen) Terminmarkt.
Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2022 wurden laut Destatis deutschlandweit knapp 510 TWh ins Stromnetz eingespeist - europaweit waren es rund 2.480 TWh, wie das Fraunhofer ISE bekannt gibt. Wer sich jetzt fragt, warum das Handelsvolumen an der europäischen Strombörse größer ist als das pro Jahr produzierte Stromvolumen, muss die Unterschiede zwischen Spot- und Terminmarkt kennen: Der Spotmarkt ist der Handelsplatz für kurzfristige Stromverträge, das heißt der Strom wird für den nächsten Tag oder sogar denselben Tag gekauft. Die Fachtermini dafür sind
- Day-Ahead-Handel (Lieferung maximal 24 Stunden in der Zukunft) und
- Intraday-Handel (Lieferung noch am selben Tag).
Auf dem Terminmarkt dagegen kaufen Händler auch Strom, der unter Umständen erst im nächsten Jahr ins Netz eingespeist wird - oft werden sogar Strompakete gehandelt, die noch viel später in der Zukunft produziert werden. So kommt auf dem Terminmarkt ein Stromvolumen zusammen, das sehr viel größer ist als die gesamte in einem Jahr produzierte Strommenge.
Welche Strategien für die Energiebeschaffung gibt es?
Für die Beschaffung von Energie stehen unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung. Diese erklären wir im Einzelnen hier:
Der Großteil des Stromverkaufs, geschätzt drei Viertel, läuft über den sogenannten OTC-Handel (Over The Counter). Dabei kennen sich Anbieter und Abnehmer und schließen bilaterale Verträge oder der Vertrag wird über Broker geschlossen. Eher selten findet man im OTC-Handel bislang noch Strom aus Erneuerbaren, da dessen Einspeisevergütung bzw. die Marktprämie staatlich geregelt ist und der Strom in ein reguliertes Stromhandelssystem eingebunden ist.
Die Preise im OTC-Handel unterscheiden sich nicht sehr von denen an der Strombörse EEX. Unterschiedlich sind jedoch die gehandelten Produkte, sie sind nicht standardisiert, daher müssen Verträge und die Risikoabsicherung jedes Mal neu ausgehandelt werden, wenn sie nicht über einen Standard-Rahmenvertrag abgewickelt werden.
Sowohl Strombörse als auch OTC-Handel sind unterteilt in einen Spotmarkt für den kurzfristigen Kauf und den Terminmarkt, auf dem Kontrakte für die Zukunft, also für die längerfristige Versorgung, gehandelt werden.
Langfristiger Stromeinkauf: Wie funktioniert der Terminmarkt an der Strombörse?
Am Terminmarkt handeln Anbieter und Einkäufer langfristige, also in die Zukunft gerichtete Produkte, sogenannte Futures. Dabei gibt es zwei zeitliche Variablen von denen der Preis abhängt:
- das Datum der Lieferung und
- die Uhrzeit, zu der der Strom geliefert werden soll.
Der zeitliche Horizont reicht vom nächsten Wochenende bis zu zehn Jahre im Voraus. Je nachdem, zu welcher Uhrzeit der Strom an gewünschten Tag geliefert werden soll, unterscheidet der Terminmarkt zwei Profile:
- Baseload deckt die Grundlast zwischen 0 und 24 Uhr, während
- Peakload die Spitzenlast zwischen 8 Uhr und 20 Uhr versorgt.
Konkret kennt der Terminmarkt folgende Produkte:
- Week-Futures: Strom für eine Woche, bis zu fünf Wochen im Voraus handelbar
- Weekend-Futures: Strom für ein Wochenende, bis zu zwei Wochenenden im Voraus handelbar
- Month-Futures: Strom für einen Monat, bis zu zehn Monate im Voraus handelbar
- Quarter-Futures: Strom für ein Quartal, bis zu elf Quartale im Voraus handelbar
- Year-Futures: Strom für ein ganzes Jahr, bis zu sechs Jahre im Voraus. In Deutschland, Italien und Frankreich ist es sogar möglich, Strom bis zu zehn Jahre im Voraus zu kaufen.
Strombeschaffung auf dem EEX-Terminmarkt: Vorteile und Nachteile
Großer Vorteil der Strombeschaffung über den EEX-Terminmarkt ist die Planbarkeit. Für einen definierten Lieferzeitraum in der Zukunft steht der Preis im Voraus fest. Das Preisrisiko wird hier also ausgeschaltet, indem die Zeitpunkte von Preissetzung und Lieferung auseinander liegen.
Nachteil ist, dass Einkäufer die benötigte Menge im Voraus ziemlich exakt festlegen müssen. Das heißt: Die Lastenprofile müssen bekannt und auch planbar sein.
Da die Mindestmenge Strom, die auf dem Terminmarkt gehandelt werden muss, bei einem Megawatt normierter Leistung liegt, lohnt sich die Energiebeschaffung über den Terminmarkt nur für Großabnehmer.
Wie funktioniert der Spotmarkt an der Strombörse?
An der Strombörse lassen sich Strommengen nicht nur langfristig, sondern auch sehr kurzfristig beschaffen. Dafür ist der Spotmarkt zuständig. Der Spotmarkt der europäischen Strombörse EEX wird über deren Tochterunternehmen European Power Exchange EPEX in Paris abgewickelt. Strommengen lassen sich für den Folgetag (Day Ahead) oder sogar den selben Tag (Intraday) beschaffen.
Der Day-Ahead-Handel ist eine Auktion. Anbieter und Energieeinkäufer geben bis spätestens 12 Uhr eines Tages ihre Gebote für den nächsten Tag ab. Gehandelt werden Pakete für jede volle Stunde und Blocks für mehrere Stunden. Den Börsenpreis für den Strom bestimmt das letzte Kraftwerk, dessen Gebot zur Bedienung der Nachfrage eingesetzt wird. Dieses sogenannte Grenzkraftwerk ist immer das teuerste. Das Modell nennt sich Merit Order und dieser „letzte Preis“ wird auch Markträumungspreis genannt, da zu diesem Preis Angebot und Nachfrage ausgeglichen sind, der Markt also geräumt ist.
Im Intraday-Handel sind die Vorlaufzeit für die Strombeschaffung am gleichen Tag extrem kurz. Die Energie kann noch fünf Minuten vor Lieferung gekauft werden. Benötigter Strom ist in 15-Minuten-Paketen zu haben, also beispielsweise für die energieintensive Zeit von 8.15 Uhr bis 8.30 Uhr. Der Intraday-Handel ist ab 15 Uhr des Vortags geöffnet.
So funktioniert das Merit-Order-Prinzip auf dem Strommarkt
Das Merit-Order-Prinzip ist ein Schlüsselkonzept im Strommarkt. Es besagt, dass Stromerzeuger basierend auf ihren variablen Kosten in aufsteigender Reihenfolge in den Markt eintreten. Die günstigsten Erzeuger, in der Regel erneuerbare Energien wie Wind und Sonne, werden zuerst eingeschaltet, da sie niedrigere Betriebskosten haben. Steigt die Nachfrage, werden teurere Erzeuger wie Gaskraftwerke oder Kohlekraftwerke hinzugezogen. Der Strompreis wird dann im sogenannten Einheitspreisverfahren, auch Market Clearing Price Verfahren, ermittelt. Dies führt dazu, dass der Marktpreis für Strom durch Angebot und Nachfrage bestimmt wird.
Nachteile sind: Der teuerste Stromerzeuger bestimmt den (Einheits-)Preis. Das bedeutet, dass Einkäufer an der Börse nicht von den günstigen erneuerbaren Energien profitieren können. Sie bezahlen immer den Preis des teuersten Kraftwerks. Für die erneuerbaren Stromerzeuger selbst ist das jedoch von Vorteil, denn ihr Erlös liegt meist über ihren Gestehungskosten - was im besten Fall weitere Investitionen befeuern kann, im schlechtesten Fall Übergewinne bedeutet, die nicht für Investitionen genutzt werden, sondern als Boni oder Dividenden ausgeschüttet werden und somit dem Markt entzogen werden.
Die EU-Kommission will den europäischen Strommarkt reformieren, das Merit-Order-Prinzip steht jedoch nicht zur Disposition. Stattdessen - so der Vorschlag - soll es einen sogenannten zweiseitigen Differenzvertrag (CfD) geben. Dieser deckelt die Preise für erneuerbare Stromerzeuge sowohl nach unten (EEG-Einspeisevergütung) als auch nach oben. So sollen die Übergewinne aus dem Stromhandel an die Abnehmer weitergegeben werden.
Energie-Blog: Aktuelle Informationen zur Strom- und Gasbeschaffung
In unserem Ticker finden Sie alle aktuellen News und Entwicklungen auf dem Energiemarkt, was die Industrie betrifft.
Strombeschaffung am EEX-Spotmarkt: Vorteile und Nachteile
Der Vorteil der Energiebeschaffung am Spotmarkt ist auch gleichzeitig ihr Nachteil: Der Preis kann stark schwanken. Er hängt unter anderem ab von der Witterung und der Verfügbarkeit bzw. dem Preis fossiler Brennstoffe wie Kohle oder Erdgas.
Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien ist die Stromerzeugung zudem volatiler geworden. Erneuerbare wie Wind- und Sonnenenergie trugen im Jahr 2022 insgesamt 46 Prozent zur eingespeisten Strommenge bei. Der Vorteil: An sehr sonnigen oder stürmischen Tagen ist der Strom am Spotmarkt selbst in der teuren Peakload-Zeit tagsüber sehr günstig zu haben. An zahlreichen Tagen – meist am Wochenende oder an Feiertagen, wenn die Industrie weniger Strom benötigt - erreicht er dann sogar negative Preise, das heißt, Einkäufer erhalten Geld, wenn sie Strom abnehmen.
Als Käufer treten an der Strombörse EEX vor allem Energieunternehmen, Stromhändler und große Industrieunternehmen mit einem hohen Strombedarf auf. Trotzdem kann die Energiebeschaffung auf dem Spotmarkt auch für kleinere Unternehmen beziehungsweise Unternehmen mit einem nicht so hohen Strombedarf vorteilhaft sein.
Sie können jedoch nicht über die Börse selbst kaufen. Stattdessen ist hier ein Versorger der richtige Ansprechpartner, diese bieten sogenannte Spotmarktmodelle an. Das heißt, der Verbrauch wird sehr zeitnah und abhängig vom Börsenpreis auf dem Spotmarkt abgerechnet. Diese Modell gibt es sowohl bei bundesweiten Anbietern wie Eon, aber auch bei vielen Stadtwerken.
Auf der Stromrechnung steht dann die pro Stunde verbrauchte Energie zum entsprechenden Börsenpreis. Hinzugerechnet wird ein fixer Dienstleistungsaufschlag. Wie bei der Vollversorgung läuft auch bei dieser Energiebeschaffungsstrategie alles vollautomatisch.
Die Autorin: Dörte Neitzel
Dörte Neitzel ist Wissens- und Infografik-Junkie vom Dienst. Dinge und Zusammenhänge zu erklären ist ihr Ding, daher beschreibt sie sich selbst auch gern als Erklärbärin mit Hang zur Wirtschaft – was einem lange zurückliegenden VWL-Studium geschuldet ist. Nach einigen Stationen im Fachjournalismus lebt sie dieses Faible bevorzugt auf der Webseite der TECHNIK+EINKAUF aus und taucht besonders gern ab in die Themen Rohstoffe und erneuerbare Energien.
Privat ist Südfrankreich für sie zur zweiten Heimat geworden, alternativ ist sie in der heimischen Werkstatt beim Schleifen, Ölen und Malern alter Möbel zu finden oder in südbayerischen Berg-und-See-Gefilden mit Hund im Gepäck unterwegs.
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