Hier geht es direkt zu den Eigenschaften und Fähigkeiten, die ein guter Einkäufer mitbringen sollte:
Zum Telefonhörer greifen und Schrauben nachbestellen? Per E-Mail neues Büromaterial ordern? Solche Aufgaben sind im Einkauf nur noch in den wenigsten Unternehmen gefragt. Die Bestellzettel verwaltet längst der Computer, oft handelt er auch online die Preise für C-Teile aus. Doch welchen Job macht dann der Einkäufer? Und was muss ein guter Beschaffer können? Welche Stärken und Eigenschaften machen ihm die Aufgabe leichter?
Aufgaben im Einkauf
Eine Einkaufsabteilung gestaltet und führt ein komplexes Beziehungsnetzwerk. Zu dem gehören Lieferanten ebenso, wie die anderen Abteilungen im Unternehmen, für sie er Teile und Komponenten beschafft. Durch ihre Kenntnis der eigenen Produktion, der weltweiten Märkte und Zulieferfirmen wissen die Mitarbeiter im Einkauf, welche Vorprodukte sie in welcher Qualität wo und wie schnell beziehen können. Und was es nicht zu kaufen gibt? Manche Komponenten muss das Unternehmen mit eigenen Ressourcen entwickeln und produzieren, weil es sie auf dem Markt nicht gibt. Auch hier unterstützt der Einkauf.
So verabschieden sich Beschaffungsmanager von der Bestellzettelverwaltung und steigen zu Strategieberatern und Fortschrittskatalysatoren auf, die ihre Unternehmen flexibler und innovativer machen. „Während er früher maximal durch Einsparungen glänzen konnte, kann der Einkauf jetzt Wachstum und Zukunftsfähigkeit des Unternehmens mitgestalten“, erklärt Silvius Grobosch, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME).
Anforderungsprofil im Einkauf
Gleichzeitig organisieren Sourcingverantwortliche die Einkaufs- und Logistikkette und kontrollieren die mit ihr verbundenen Risiken. Schätzungen der Unternehmensberatung Bearing Point zufolge wenden Einkäufer heute rund die Hälfte ihrer Arbeitszeit für diese strategischen Aufgaben auf. Andere Experten gehen sogar davon aus, dass der strategische Einkauf bis zu 80 Prozent der Aufgaben von Beschaffungsmanagern ausmacht.
Wie groß der Anteil des strategischen Einkaufs auch sein mag, Mitarbeiter im Einkauf brauchen dafür eine Kombination von Eigenschaften, Fähigkeiten und Soft Skills, die es so an keiner anderen Position im Unternehmen gibt. Das ideale Anforderungsprofil eines Beschaffers wird also zu einem Großteil aus folgende Fähigkeiten bestehen.
1. Kommunikationsstärke
Gute Einkäufer verhandeln genauso ausgefuchst und professionell wie die Vertriebsspezialisten, denen sie gegenübersitzen. Die Kunst ihrer Verhandlungsführung beschränkt sich dabei nicht darauf, mit aller Gewalt den Preis des Zulieferers zu drücken. Vielmehr vermitteln sie ihrem Gegenüber das Gefühl, ein wertvoller Partner in der Lieferkette zu sein, dessen Beitrag zur eigenen Wertschöpfung sie schätzen. Ohne dabei den Blick auf die Kosten zu verlieren!
Um diesen Spagat zu meistern, müssen Einkäufer über ein hohes Maß an Selbstbewusstsein und Durchsetzungsstärke verfügen. Denn ihre Vorstellungen setzen sie in Verhandlungen durch, indem sie selbst harte Forderungen klar und nachvollziehbar begründen und ihre Aussagen belegen können.
Gute Beschaffungsmanager verhandeln selbstsicher und ergebnisoffen und vermitteln Lieferanten ihren Bedarf nicht als Forderung, sondern als Angebot, das der Partner annehmen kann, oder nicht. Dabei drücken die Mitarbeiter ihre Vorstellungen nicht mit Macht durch. Vielmehr zählt Empathie: Sie haben sie ein feines Gespür dafür, wie viel Druck sie machen können und wann sie bei ihrem Gegenüber eine Schmerzgrenze überschreiten.
Selbstverständlich verstehen sich verhandlungssichere Einkäufer auch darauf, mit vermeintlichen Kleinigkeiten wie gezielt eingesetzter Mimik, der Gestaltung der Sitzordnung, oder dem klug getimten Wechsel in die Muttersprache eines ausländischen Gesprächspartners den Verhandlungsverlauf in ihrem Sinne zu beeinflussen. Gute Englischkenntnisse sind also ein Muss.
Ihre Kommunikationsfähigkeit hilft Einkäufern nicht zuletzt auch bei der Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen in ihrem eigenen Unternehmen.
2. Menschenkenntnis
Als Schnittstelle zwischen anderen Unternehmensbereichen und Lieferanten benötigen Einkäufer ausgeprägte soziale Kompetenzen. Sie müssen Menschen das Gefühl vermitteln, gesehen und mit ihren Interessen und Bedürfnissen ernstgenommen zu werden.
Um dies leisten zu können, brauchen Beschaffungsmanager Menschenkenntnis und müssen ebenso offen und tolerant für andere sein, wie verbindlich und höflich im Auftreten ihnen gegenüber. Ihr Umgang mit anderen Menschen, egal, auf welcher hierarchischen Ebene ist durch herzliche Selbstsicherheit geprägt.
Mit ihren ausgeprägten Soft Skills und ihrer Teamfähigkeit gestalten Einkäufer lebendige Beziehungen zu anderen Bereichen ihres Unternehmens ebenso wie zu Lieferanten und anderen Firmen, selbst wenn diese aktuell gar keine Lieferpartner sind. Nur so haben sie die Möglichkeit, sich im Bedarfsfall schnell und flexibel einen neuen Zulieferer zu erschließen.
Einkäufer brauchen zudem ein gutes technisches Verständnis sowie einen Überblick über Verträge.
3. Einkaufswissen
Einkäufer sind Informationsbeschaffer und Wissensmanager. Sie treffen ihre Entscheidungen umso schneller und sicherer, je mehr sie wissen: über die üblichen Materialkosten ebenso wie über die Verfügbarkeit und die gängigen Beschaffungszeiten für bestimmte Teile und Komponenten.
Schlaue Beschaffer wissen, mit welchen und wie vielen anderen Anbietern ein potenzieller Lieferant im Wettbewerb steht. So haben sie bessere Argumente, um Sonderkonditionen und günstigere Preise auszuhandeln. Selbstverständlich kennen Einkaufsmanager auch das Produktportfolio ihres eigenen Unternehmens und besitzen ein gutes technisches Verständnis.
Sie wissen über geltende Richtlinien, technologische Trends und mögliche Fertigungsverfahren Bescheid. Denn nur, wenn sie den technischen Hintergrund dessen verstehen, was sie beschaffen, können sie Vorprodukte in der erforderlichen Qualität einkaufen und mit Zulieferern auf Augenhöhe über Materialbeschaffenheiten sowie mögliche Herstellungsverfahren für Vorprodukte verhandeln.
In technischen Branchen sind Einkäufer deshalb in der Regel selbst Ingenieure. Gute Strategen verfügen jedoch auch über hinreichende juristische Kenntnisse. Denn nur, wenn sie sich mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen, Bonus/Malus-Regelungen, den Unterschieden zwischen Liefer-, Kooperations- und Rahmenverträgen sowie den Grundsätzen des internationalen Handelsrechts auskennen, können sie erzielte Verhandlungsergebnisse auch in juristisch belastbare Verträge gießen.
4. Unternehmerisch-strategisches Denken
Je geringer die interne Fertigungstiefe eines Unternehmens, je mehr es also an Vorprodukten und Komponenten zukauft, desto größere Auswirkungen haben Einsparungen im Einkauf auf den Gewinn.
Sinken die Kosten in der Beschaffung um nur fünf Prozent, so hat das nach Berechnungen des BME die gleiche Wirkung wie eine Umsatzsteigerung von 50 Prozent. Um dieses Potenzial zu heben, müssen Einkäufer analytisch und systemlogisch denken können. Sie müssen verstehen, wie sich Entscheidungen in der Beschaffung auf Produktionsprozesse und die Qualität von Produkten auswirken und kontinuierlich nach Möglichkeiten zur Verringerung von Kosten suchen.
„Doch Wertschöpfung beschränkt sich nicht nur auf Ideen zur Kostenreduktion, sondern umfasst auch Initiativen zur Verkürzung von Zeitläufen, zur Verbesserung von Innovation und Wettbewerbsdifferenzierung sowie zur Verringerung von Geschäftsrisiken“, erklärt Ohanes Missirilian, Professor für Change Management und Procurement an der EMLyon Business School.
Diese indirekten Kostensenkungspotenziale erkennen Beschaffungsmanager, weil sie verstehen, wie ihr Unternehmen, seine Fertigungsprozesse und Produkte funktionieren und wie sich Entscheidungen im Einkauf auf die Leistungsfähigkeit ihrer Organisation auswirken. Auf der Grundlage dieser Analyse stellt eine gute Einkaufsabteilung die Ziele auf, die sie in der Beschaffung erreichen will und entwickelt einen Plan, den sie systematisch umsetzt.
In diese Strategie beziehen sie ihre Zulieferer mit ein. Denn wer nur deren Preise drückt, gewinnt keine Partner mit denen er über lange Jahre hinweg Produkt- und Prozessinnovationen entwickeln kann. Erfahrene Beschaffungsmanager wissen jedoch, dass in vertrauensvollen Lieferantenbeziehungen die größten und zuverlässigsten Sparpotenziale liegen.
Selbstverständlich beherrschen Einkäufer darüber hinaus das Handwerkszeug jedes guten Kaufmanns. Sie sind gute Finanzmanager, versiert in Preisanalytik, Kostenstrukturanalyse, Total-Cost-of-Ownership-Berechnungen sowie Value Management und Controlling.
5. Risikobewusstsein
Gute Einkäufer wissen, dass „billig“ nicht das Gleiche ist wie „preiswert“. Deshalb betrachten sie weitsichtig nicht nur sämtliche Kosten, die ein zu beschaffendes Teil während seines gesamten Lebenszyklus verursacht, sondern achten auch darauf, ob sie sich wirklich auf einen Lieferanten verlassen können.
Um zu verhindern, dass ihre Lieferkette unterbrochen wird, weil der Partner ausfällt, oder das Image des eigenen Unternehmens Schaden nimmt, weil der Zulieferer ethische oder ökologische Standards verletzt, analysieren Beschaffungsmanager die Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit eines Partners genau.
Dabei achten sie auf dessen Eigenkapital und Ertragslage genauso wie auf seine Qualitäts- und Liefertreue und die Zulieferer, auf die der Partner selbst angewiesen ist. Weitsichtige Beschaffer schauen voraus und sichern sich auch gegen Risiken für ihre Lieferkette ab, denen sie ausgesetzt sein könnten. Denn Lieferanten können schnell aufgrund von Naturkatastrophen, Streiks, Bränden, Explosionen oder sozialen und politischen Unruhen ausfallen. Auch gegen Preis- und Währungsschwankungen bei Rohstoffen ergreifen sie Vorsichtsmaßnahmen.
6. IT-Kompentenz
Neben Weitsicht und einem Bewusstsein dafür, vor welchen Risiken sie ihr Unternehmen schützen müssen, brauchen Sourcingverantwortliche ein hohes Maß an IT-Kompetenz. Diese Fähigkeit wird immer wichtiger. Denn mit moderner Informationstechnologie behalten sie Waren- und Materialflüsse ständig im Blick und können frühzeitig auf mögliche Krisensituationen reagieren.
Aber nicht nur das. Im Zuge der Digitalisierung müssen auch Einkaufsabteilungen digitale Fähigkeiten entwickeln. Das beginnt bei der Nutzung digitaler Technologien, Systeme oder Tools - wie der E-Rechnung oder Robotic Process Automation (RPA) - bis hin zur Entwicklung neuer digitaler Geschäftsmodelle. Vor allem mittelständische Einkaufsabteilungen fokussieren sich sehr auf die Prozessoptimierung in ihrem Bereich, weiß Björn Schäfer, CPO beim mittelständischen Produzenten für Laborgeräte und Laborbedarf, Brand.
7. Organisationstalent
Gute Einkäufer sind auch gut organisiert. Denn mit dem Vertragsabschluss mit ihren Lieferanten ist ihre Arbeit längst nicht erledigt. Sie müssen laufend darüber informiert zu sein, wann Lieferverträge nachverhandelt, verlängert oder neu abgeschlossen werden müssen. Zudem dokumentieren sie die Laufzeiten ihrer Verträge ebenso lückenlos wie die darin enthaltenen wichtigsten Angaben zu Abnahmemengen, Rabatten, Garantien oder Vertragsstrafen.
Das Niveau ihrer Organisation zeigt sich daran, dass andere Kollegen während einer Krankheits- oder Urlaubsvertretung ohne Informationsdefizite mit gelisteten Lieferanten zusammenarbeiten können. Sourcingverantwortliche organisieren und bündeln außerdem die Bedarfe und Anschaffungspläne unterschiedlicher Unternehmensbereiche und Tochtergesellschaften, um durch größere Abnahmemengen günstigere Konditionen aushandeln zu können.
Ein Großteil der Organisationsstärke fließt also in das Management der Lieferkette, das heißt in die Betreuung der Schnittstellen. Denn vor allem in so dynamischen und disruptiven Zeiten, ist das Verhältnis von allen Beteiligten aus der Supply Chain wichtig und muss stimmen.