Exklusiv-Interview Lederer

C-Teile: Balance zwischen Lagerplatz und Einkaufspreis finden

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Lederer
Dr. Jan Huckenbeck, Leitung Supply Chain Management, und Daniel Ziplies, Leitung Einkauf.

Lederer übernimmt für Industriekunden das C-Teile-Management. Dafür sind Lagerplanung, Bestellzeitpunkte und Forecasts entscheidend. Darüber sprechen wir mit Daniel Ziplies und Jan Huckenbeck.

Der Schraubenhändler Lederer übernimmt für Industriekunden das C-Teile-Management. Für die eigene Logistik sind präzise Lagerplanung, die richtigen Bestellzeitpunkte und Forecasts entscheidend. Darüber sprechen Daniel Ziplies, Leitung Einkauf, und Dr. Jan Huckenbeck, Leitung Supply Chain Management.

TECHNIK+EINKAUF:Herr Ziplies, als Handelsunternehmen kauft Lederer C-Teile auf dem Weltmarkt ein. Wie organisieren Sie den Einkauf?

Daniel Ziplies: Wir unterscheiden im Einkauf zwischen Katalogware und den speziellen Bedarfen unserer Industrie- und Bahnkunden. Im Handelsgeschäft zählen die Preise, im Industriegeschäft geht es zusätzlich um Service und Zertifikate. Dafür braucht der Einkauf unterschiedliche Kompetenzen.

Herr Dr. Huckenbeck, welche Rolle spielt das Supply Chain Management bei einem Großhändler wie Lederer?

Jan Huckenbeck: Es ist erfolgskritisch. Als Leiter SCM weiß ich aus meiner Zeit in der Fertigung und Logistik eines Kundenunternehmens, wie wichtig ein gut abgestimmtes Supply Chain Management für die Lieferfähigkeit und den Markterfolg eines Großhändlers ist.

Wo liegen Ihre Schnittstellen? Was müssen Sie gemeinsam aushandeln?

Ziplies: Ein klassischer Konflikt ist der Lagerfüllgrad. Im Einkauf für die Katalogware achten wir auf günstige Preise. Ein niedriger Dollarpreis, günstige Rohstoffpreise, fehlende Auslastung bei Lieferanten, sind Momente, da sagen wir als Einkäufer: „Jetzt ist der richtige Zeitpunkt zu kaufen.“ Doch aus Sicht der Lagerlogistik passt dieser Zeitpunkt je nach Bestandshöhe oft nicht. Dann wägen wir ab: Mieten wir Lagerflächen? Bestellen wir später oder weniger? Für uns stehen nicht nur die Einkaufspreise, sondern auch eine optimale Lagerlogistik im Vordergrund. Auch Verpackungen sind ein Thema. Die Umstellung von Holzschutzleisten auf leichtere, nachhaltigere Kartonschutzleisten für palettierte Waren hat uns ein halbes Jahr Verhandlungen und Gespräche mit Lieferanten gekostet. Initiiert vom SCM, umgesetzt vom Einkauf.

Huckenbeck: Der Austausch bei Lederer ist besonders. Lederer ist kein Konzern, es gibt kein Silodenken. Wir entscheiden partnerschaftlich und auf Augenhöhe. Weder geht es dem Einkauf ausschließlich darum, billig einzukaufen, noch schauen wir einseitig auf die Logistik. Der Einkauf konnte zum Beispiel auch durchsetzen, dass Ware aus Asien statt auf Einwegpaletten auf sauberen, wiederverwendbaren Europaletten angeliefert wird, die wir ohne Umpacken sicher einlagern und im europäischen Kreislauf führen können.

Jan Huckenbeck

Vita Dr. Jan Huckenbeck

Der promovierte Wirtschaftsingenieur Jan Huckenbeck ist seit Mai 2024 Leiter des Supply Chain Management bei der Lederer GmbH. Er startete seinen beruflichen Werdegang in der dormakaba-Gruppe, war dort fast 20 Jahre in verschiedenen Positionen tätig und unterrichtet parallel an der International School of Management in Dortmund.

Wo entstehen die Innovationen für Ihre Supply Chain?

Ziplies: Die Weiterentwicklung kommt aus der Analyse unserer Geschäftsprozesse. Wir kaufen zum Beispiel in Asien Schrauben, die wir nachträglich beschichten, sortieren und in spezielle Behälter packen. Mittlerweise kaufen wir sie statt in Kartons lose auf Paletten, was das Handling enorm erleichtert. Aus reiner Einkaufssicht würden wir die Ware weiterhin in Kartons à 250 Stück kaufen, weil das günstig ist und so im System steht. Solche Veränderungen entstehen nur durch den Austausch mit der Logistik.

Huckenbeck: Die Innovationen entstehen intern, aber auch mit unseren Kunden, mit denen wir viele Jahre zusammenarbeiten. Die Kunden entwickeln sich weiter, arbeiten in der Cloud, wechseln ihr ERP-System, führen neue Geschäftsprozesse ein und dann ist es an uns Schritt zu halten und Innovationen anzubieten. Im C-Teile-Management, bei Kanban-Systemen entwickeln Kunden aus der Nutzung heraus Ideen für effiziente Lagerhaltung, die wir aufgreifen und weiterentwickeln.

Wie wirkt sich die Zollpolitik der USA auf Ihr Geschäft aus?

Ziplies: Unser Beschaffungsmarkt hat sich stark nach China verlagert. Dort sind die größten Player für unsere Branche entstanden, die preislich sehr attraktiv sind. Durch die Zölle müssen wir nicht nur das Ursprungsland der Herstellung, sondern auch des Rohmaterials nachweisen. Kaufen wir Ware in China, lagern diese bei uns ein und verkaufen sie in die USA, fällt der Zoll für die chinesische Schraube mehrfach an. Kommt die Schraube aus Indien oder Malaysia, gelten andere Zolltarife. Für uns bedeutet das, dass wir einen Schraubentyp nicht nur zum richtigen Preis im Lager haben müssen, sondern auch darauf achten, dass das Ursprungsland stimmt. Das verkompliziert unser Geschäft natürlich immens.

Huckenbeck: Wir lagern alle Artikel nach Chargen und Ursprungsländern getrennt. Die Chargenverfolgung und physische Trennung haben einen großen Einfluss auf unsere Lagerhaltung. Im Fall der USA geht es nicht nur um Zölle, sondern auch um Embargos, etwa auf bestimmte Lieferanten. Wir müssen also ganz genau schauen, für welches Land wir welche Charge und wohin wir von welchem Lieferanten welche Charge liefern können. Technisch sind die Schrauben gleich, rechtlich nicht.

Daniel Ziplies

Vita Daniel Ziplies

Daniel Ziplies ist seit fast 30 Jahren in der Verbindungselemente-Branche tätig und seit nunmehr 18 Jahren bei der Lederer GmbH. Der Diplom-Betriebswirt ist seit 2010 für den Gesamteinkauf des Unternehmens verantwortlich und arbeitet eng mit Supply Chain Management und Vertrieb zusammen.

Lässt sich der Ursprung des Rohmaterials immer nachvollziehen?

Huckenbeck: Die Nachverfolgbarkeit ist Teil unserer Geschäftsphilosophie. Für viele Branchen ist sie allein aus qualitativen und Sicherheitsaspekten wichtig, etwa wenn Teile in sicherheitsrelevanten Fahrzeugkomponenten verbaut werden. Deshalb bieten wir Standardmaterialien mit hundertprozentiger Chargenverfolgung. Zusätzlich benötigen wir natürlich auch Materialzeugnisse der Rohstoffe welche wir mitführen.

Inwiefern profitieren Sie von dieser Erfahrung?

Huckenbeck: Dass wir diese Genauigkeit haben, sehe ich als großen Vorteil. Wir haben 2024 in den USA eine Niederlassung eröffnet und uns schon damals intensiv mit Zöllen befasst. Viele Fragen können wir intern zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft klären und die Kunden aus dem dortigen Lager heraus schneller bedienen. Viele Themen lassen sich durch eine vernünftige, vorausschauende Lagerplanung und Lagerhaltung lösen. Das bleibt eine unserer großen Stärken.

Wie bleiben Sie in Krisen lieferfähig?

Ziplies: Im Einkauf hilft uns die Aufteilung in Industriegeschäft und Normteile. In der Lieferkrise kam es bei den Normteilen auch bei uns zu Engpässen, weil eine enorme Nachfragewelle entstanden ist. Jeder hat die Lagerbestände hochgefahren, unser Lager wurde quasi leergesaugt. Die Industrieteile, die wir einkaufen, sind hingegen speziell, dem öffentlichen Markt nicht zugänglich und für unsere Kunden geschützt. Weil sich unsere Einkäufer die Abflüsse genau anschauen, wussten wir sehr früh, dass unsere Kunden ganz normal weiter bestellen, konnten unsere Bestellungen sehr früh absetzen und sind nie in die Unterdeckung gekommen. Die tagesgenaue Beobachtung unserer Abflüsse erlaubt es uns Trends zu erkennen, bevor der Markt sie realisiert.

Huckenbeck: Über das C-Teile-Management haben wir zu Kunden eine enge Beziehung. Damit C-Teile-Management gut funktioniert, brauchen wir Planungssicherheit. Da wir von Großkunden laufend Forecasts und Live-Daten bekommen, sehen wir sehr gut, wohin der Markt sich entwickelt. Deshalb können wir auch im Einkauf schnell reagieren.

Inwiefern spüren Sie die Konjunkturflaute?

Huckenbeck: Wir bedienen viele verschiedene Branchen und haben Kunden in verschiedenen Ländern, was Nachfrageschwankungen sehr gut ausgleicht. Unsere Dreiteilung Handel, Industrie und Bahn hilft. Schwächelt der Industriebereich, zieht die ggf. die Nachfrage im Handel oder bei der Bahn an und umgekehrt.

Wie gehen Sie mit Nachfrageschwankungen um?

Ziplies: Bestellen wir Ware in Asien, dauert es sechs bis elf Monate, bis wir sie im Lager haben. Schwankungen beim Kunden puffern wir also immer durch unser eigenes Lager ab. Wenn ein Industriekunde nicht fertigen kann, weil drei Schrauben fehlen, haben wir ein Problem. Die Verfügbarkeit müssen wir sicherstellen.

Wie stabil sind Ihre eigenen Bestände?

Ziplies: Da wir große Losgrößen kaufen, haben wir große Schwankungen im Lagerbestand, sobald die Bestellungen eintreffen. Für neue Artikel haben wir Vorlaufzeiten von sieben bis neun Monaten, bis Kunden sie in der Bemusterung freigeben und wir sie erstmals einlagern. Bei einem Jahresbedarf von z.B. 200.000 Stück muss bereits nach drei, vier Monaten nachdisponiert werden.. Währenddessen baut sich der Bestand sukzessive bis auf einen Sicherheitsbestand ab - bis dann die nächste Bestellung eintrifft.

Wie steuern Sie Risiken?

Ziplies: Wir kaufen in Taiwan, China, Indien, Malaysia, Philippinen und Vietnam, wenig in Europa. China spielt die größte Rolle und dieser Schwerpunkt stellt ein gewisses Risiko dar. Gleichzeitig bleibt China wegen der niedrigen Preise attraktiv, nicht aber, wenn wir in die USA liefern. Deshalb arbeiten wir an Alternativen. Auch um bei Bedarf weiter verlagern zu können.

Huckenbeck: Wir brauchen an vielen Stellen bei der Anlieferung und im Ausgangsbereich zum Kunden verlässliche Partner, auch für Verpackung und Transport. Ich spreche bewusst von Partnerschaft, weil es darum geht, sich speziell in Krisen zu unterstützen und nicht nur einseitig die Preise zu drücken.

Das Unternehmen: Lederer GmbH

Die Lederer GmbH aus Ennepetal ist Spezialist für Verbindungselemente aus Edelstahl mit über 25000 Artikeln. Das Familienunternehmen bietet Norm- und Standardteile, Zeichnungsartikel und Sonderwerkstoffe, ein effizientes C-Teile-Management sowie individuelle Logistik (u.a. Kanban, Konsignation, RFID).

Der Einkauf organisiert die Eingangslogistik, das Supply Chain Management die Ausgangslogistik. Wie wichtig ist Ihre Abstimmung?

Huckenbeck: Die richtige Terminierung und Abstimmung sind extrem wichtig, damit unsere Logistik weder voll-, noch leerläuft. Wann ist die Ware auf See, wann kommt sie an? Der Forecast für die Abflüsse kommt aus dem Vertrieb, auch die Anforderungen an die Verpackung. Das alles beeinflusst die Lagerlogistik.

Was erwarten Sie von Ihren Lieferanten?

Ziplies: Bei Standardteilen erwarten wir größtmögliche Flexibilität. Bei hohen Abverkäufen erwarten wir, dass Lieferanten uns schnell einplanen und die Ware in Containern versenden, damit wir lieferfähig bleiben. Bei der Dokumentation erwarten wir digitale Zusammenarbeit, zumindest in Tabellenform, damit wir die Daten in unsere Systeme einspielen können. Wir wollen den CO2-Fußabdruck in unserer Lieferkette reduzieren. Auch hierzu erwarten wir Input.

Huckenbeck: Lederer wird täglich mit zwei bis vier Containern aus Übersee sowie von verschiedenen europäischen Lieferanten beliefert. Damit wir diese Mengen schnell und sicher entladen können, müssen Lieferanten unsere Liefer- und Verpackungsanweisungen befolgen. Niemand möchte einen Container öffnen und die Ware kommt den Mitarbeitern entgegen. Auch jegliches Umpacken gilt es zu vermeiden. Durch Standardisierung und viele Gespräche haben wir die Zusammenarbeit an diesen Stellen bereits stark verbessert.

Sind Produkte aus Grünstahl eine Option? Fragen Ihre Kunden danach?

Ziplies: Es gibt Kundenanfragen zum CO2-Fußabdruck. Auch unsere Lieferanten haben das verstanden und wollen die Daten erfassen und mitliefern. Produkte aus Grünstahl gibt es noch nicht, auch keine Nachfrage. Wahrscheinlich werden chinesische Anbieter die ersten sein, die uns das anbieten können.

Huckenbeck: Nachhaltigkeit dreht sich in meinem Bereich meist um Verpackung und Transport. Wir selbst nutzen nur noch Verpackungen mit dem maximalen Recyclinganteil. Das wird von vielen Kunden auch gefordert. Und wir arbeiten mit Speditionen, die die Umweltzertifizierung DIN ISO 14001 haben. Auch das ist vielen Kunden wichtig. Wir setzen Kanban-Behälter mit RFID-Chip ein, die jahrelang im Kreislauf laufen. Holzrahmen um Europaletten verwerten wir genauso wie die Holzdeckel wieder. Für die Materialkreisläufe organisieren wir Rundtouren. Die Verlässlichkeit dieser Transporte ist sowohl für uns als auch für unsere Kunden ein großer Pluspunkt.

Sie kennen die Lager- und Bestellprozesse vieler Unternehmen. Welche Zielkonflikte sehen Sie bei Ihren Kunden?

Huckenbeck: Den Spagat zwischen Reichweite, internem Aufwand und Versorgungssicherheit. Ein Beispiel: Berechne ich die Reichweite für eine Woche für eine Unterlegscheibe und fülle Woche für Woche zehn Unterlegscheiben in einen Behälter, ist das nicht effektiv. Sinnvoller wäre ein voller Behälter. Das widerspricht aber ggf. einer internen Konzernrichtlinie. Deshalb erstellen wir Regalanalysen. Bei manchen Unternehmen sind wir drei Mal pro Woche mit unserem Kreislauf vor Ort und füllen nach. Das ist wirtschaftlicher als die in vielen Firmen gelebte Praxis. Regelmäßige professionelle Bestandsanalysen haben daher einen sehr positiven Einfluss auf die Versorgungssicherheit und Prozesseffizienz.

Wie bereinigen Sie Ihr eigenes Sortiment?

Ziplies: Das machen wir regelmäßig. Wir sehen in unseren Systemen, welche Artikel sich bewegen und welche nicht. Artikel, die sich länger als drei Jahre nicht bewegt haben, werden analysiert und ggf. verschrottet. Häufig sind das Randsortimente oder Produkte, die wir kundenbezogen eingekauft haben.

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