Stahl-Rollen in einer Fabrik

Deutschland ist mit einer Jahresproduktion von 43 Millionen Tonnen der größte Stahlhersteller in der EU.
(Bild: phonlamaiphoto -Adobestock.com)

Ob bei Thyssenkrupp derzeit Bleistifte, Kugelschreiber und das Papier im Drucker ausgehen, wissen nur Mitarbeiter des Stahlkonzerns. Einem Bericht des Magazins Spiegel zufolge kürzte das traditionsreiche Duisburger Unternehmen im Juli die Ausgaben für Büromaterial, Reisen und Fortbildung.

Thyssenkrupp reagierte damit auf einen massiven Gewinneinbruch. Der Überschuss von 597 Millionen Euro, den die Stahlsparte des Konzerns in den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres 2018 erzielt hatte, hatte sich bis Juni 2019 in einen Verlust von 75 Millionen Euro verwandelt.

Stahlnachfrage stagniert weltweit

Wie Thyssenkrupp geht es derzeit vielen Stahlunternehmen. Prognosen des internationalen Branchenverbands Worldsteel Association zufolge legt die Nachfrage nach dem Werkstoff 2019 weltweit nur um 0,2 Prozent zu. Kommendes Jahr soll es ein mageres Wachstum von einem Prozent werden.

In den Industriestaaten geht die Nachfrage nach Stahl sogar um 0,1 Prozent zurück, 2020 nimmt sie um 0,6 Prozent zu, so der Verband.

Stahlmarkt leidet unter schwacher Weltkonjunktur

Doch auch die Nachfrage danach sinkt derzeit. Schuld daran ist das schwache Wachstum der Weltwirtschaft. Diese legt 2019 nur um 3,3 Prozent zu, erwartet die Industriestaatenorganisation OECD. Für das kommende Jahr sagt sie ein Plus von 3,4 Prozent voraus. In den Jahren 2017 und 2018 lagen die Wachstumsraten mit 3,8 beziehungsweise 3,7 Prozent noch um bis zu 15 Prozent höher.

Mit Maschinenbau und Autoindustrie schwächeln die wichtigsten Abnehmer

Durch die globale Flaute schwächeln die wichtigsten Abnehmerbranchen der Stahlbranche. Mehr als ein Viertel ihres Umsatzes macht diese mit Blechen und Gussteilen für Automobilkonzerne, weitere elf Prozent mit Unternehmen aus dem Maschinenbau. Dieser produziert Zahlen des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau zufolge 2019 zwei Prozent weniger als im Vorjahr. Die Automobilindustrie stellte schon 2018 in einzelnen Monaten bis zu 30 Prozent oder 675.000 Fahrzeuge weniger her. Zwischen Januar und August des laufenden Jahres sank ihre Produktion um 10,6 Prozent.

China produziert doppelt so viel Stahl wie es selbst verbraucht

Die Schwäche der Weltkonjunktur und der wichtigsten Abnehmerbranchen kommt für die Stahlindustrie zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Da China seit 2005 massiv in neue Stahlwerke investiert, leidet die Branche seit Jahren unter Überkapazitäten. Vergangenes Jahr haben Stahlkonzerne weltweit 425,5 Millionen Tonnen mehr produziert als sie verkaufen konnten, meldet die Worldsteel Association.

Der Verband der europäischen Eisen- und Stahlindustrie Eurofer geht sogar von Überkapazitäten in Höhe von 550 Millionen Tonnen aus. Stahlwerke sind daher weltweit im Schnitt nur zu 75 Prozent ausgelastet. Dadurch steigen die Kosten und die Wettbewerbsfähigkeit sinkt. Zumal chinesische Anbieter ihren Stahl dank staatlicher Subventionen um bis zu 60 Prozent unter ihren Gestehungskosten verkaufen, so das Institut der Deutschen Wirtschaft Köln.

US-Handelskrieger Trump schadet Europas Stahlindustrie

Unter den gedumpten chinesischen Exporten leidet besonders die europäische Stahlbranche – vor allem da US-Präsident Donald Trump mittlerweile 25 Prozent Zoll auf Importe kassiert. Seit 1. Juni 2018 zahlen diesen auch Anbieter aus der EU. Durch diesen Protektionismus wird außerhalb der USA erzeugter Stahl dort kaum mehr verkauft.

Außereuropäische Hersteller bieten deshalb immer größere Mengen des Werkstoffs in der EU an. Eurofer zufolge lieferten sie im vergangenen Jahr 30 Millionen Tonnen oder zwölf Prozent mehr Stahl nach Europa als 2017. Allerdings kamen 28 Prozent der Einfuhren nicht aus China, sondern aus der Türkei. Aus der Volksrepublik stammten nur acht Prozent des in die EU importierten Stahls.

Deutsche Stahlwerke verlieren wichtigsten außereuropäischen Markt

Wo das zusätzliche Angebot herkommt, ist für deutsche Stahlkonzerne allerdings unerheblich. Sie leiden darunter auf jeden Fall. Genauso schwer trifft es sie, dass sie durch den Protektionismus des Weißen Hauses den Zugang zum US-amerikanischen Markt verlieren.

Bis 2018 exportierten deutsche Stahlkocher jedes Jahr 1,3 Millionen Tonnen in die Vereinigten Staaten. Das waren 22 Prozent ihrer gesamten Ausfuhren. Die Vereinigten Staaten waren für sie damit der wichtigste Markt außerhalb der EU.

Preis für Eisenerz explodiert

Als ob all dies noch nicht reichen würde, um die Stimmung in der Branche zu verhageln, leidet sie derzeit auch noch unter einem drastischen Anstieg des Preises für Eisenerz. Schmelzen Stahlwerke zur Produktion ihrer Erzeugnisse keinen Stahlschrott ein, benötigen sie für jede Tonne des Werkstoffs, die sie herstellen, fast ebenso viel Eisenerz.

Dieses kostet mit 79 Euro pro Tonne heute jedoch 60 Prozent mehr als vor drei Jahren. An Einkäufer können sie diese Kosten nicht weiter geben. Im Gegenteil! An der London Metal Exchange notiert eine Tonne Bewehrungsstahl derzeit mit 405 US-Dollar. Das sind fast 100 Dollar weniger als vor einem Jahr.

Dieser Preisverfall drückt auf die Margen der Stahlhersteller. Sie versuchen daher, durch Fusionen dem entgegenzuwirken - etwa wie der letztendlich geplatzte Zusammenschluss von Thyssenkrupp mit Tata Steel. Die Mitarbeiter von Thyssenkrupp werden daher wohl noch länger am Druckerpapier sparen müssen.

Sie möchten gerne weiterlesen?