Hochtemperatur- und Großwärmepumpen für die Industrie

Die größten Wärmepumpen der Welt

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Mann steht an einer Großwärmepumpe von Johnson Controls
Groß- und Hochtemperaturwärmepumpen stellen Prozesswärme bereit oder speisen Fernwärmenetze.

Wärmepumpen gehört nicht nur die Zukunft, auch die Industrie kommt auf den Geschmack. Das sind die aktuell größten Hochtemperatur-Wärmepumpen.

Die Nachfrage nach Wärmepumpen steigt, denn immer mehr Hausbesitzer stellen ihre fossile Heizung auf Strom um. Mittlerweile entdeckt aber auch die Industrie die Vorteile der Technologie. Vor allem produzierende Unternehmen, die bereits auf eine eigene Photovoltaikanlage installiert haben und einen Teil des benötigten Stroms selbst herstellen können, sind im Vorteil.

Der Trend geht daher klar in eine Richtung: Groß müssen die Wärmepumpen sein, um über eine entsprechend hohe Leistung hohe Temperaturen erzeugen zu können. Mittlerweile sind Megawatt-Anlagen geplant, deren Output im dreistelligen Temperaturbereich liegt. Als Ausgangsmedium kommen unterschiedliche Träger infrage: Abwärme und Meerwasser sind die am häufigsten genutzten.

Die Frage nach der größten derzeitigen Wärmepumpe scheint relativ einfach, ist aber eigentlich ziemlich schwierig, Denn Wärmepumpen arbeiten nicht immer mit maximaler Leistung, zudem bestehen sie häufig aus mehreren miteinander verketteten kleineren Wärmepumpen. Wir stellen die größten Wärmepumpen bzw. Wärmepumpensysteme vor, die bereits in Betrieb sind oder kurz vor ihrer Fertigstellung stehen. Das Ranking erfolgt nach der maximalen Leistung in Megawatt, berücksichtigt Einzel- sowie Gruppenanlagen, erhebt aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es beruht auf eigenen Recherchen.

Hochtemperatur-Großwärmepumpen: Das sind die größten der Welt

Siemens Energy Großwärmepumpe Skizze
Stockholm Exergi/Siemens Energy, StockholmSiemens Energy arbeitet mit Stockholm Exergi zusammen und liefert im gesamten Netz des Anbieters Großwärmepumpen mit einer installierten Gesamtheizleistung von 420 MW (thermisch). Die Anlage besteht aus zentralen und dezentralen Anlagen zwischen 20 und 125 MW. Als Wärmequelle dienen sowohl Abwasser als auch Seewasser. Stockholm Exergi betreibt fünf Kraftwerke: Värtaverket, Bristaverket, Hammarbyverket, Högdatenverket und Hässelbyverket. Das größte Einzelwerk ist Hammarbyverket mit sieben Wärmepumpen und einer Gesamtleistung von 225 MW - damit werden seit 1986 im Winter rund 95.000 Haushalte mit Wärme versorgt. Die Wärme kommt vom Abwasserwerk Henriksdal.
Friotherm Wärmepumpe
Als Wärmequelle dient das Meerwasser vor Stockholm. Die Unitop nutzt Fallfilmverdampfer, die auch bei sehr geringen Temperaturunterschieden effizient arbeiten kann. Im Sommer fließt warmes Oberflächenwasser zu den Wärmetauschern, im Winter ist es Wasser aus einer Tiefe von 15 Metern mit einer konstanten Temperatur von 3 Grad Celsius.
Wärmepumpe von MAN ES in Esbjerg
MAN ES, EsbjergIm dänischen Esbjerg hat MAN Energy Solution die größte CO2-basierte Meerwasser-Wärmepumpe der Welt errichtet. Sie liefert 70 MW Leistung und produziert rund 235 GWh Wärme für die etwa 100.000 Einwohner Esbjergs. Bis zu 4.000 Liter ein bis 15 Grad warmes Wasser fließen pro Sekunde an einen Wärmetauscher vorbei. Insgesamt liefern die zwei Kompressoren 60 MW Heizenergie.
EnBW Müllheizkraftwerk Stuttgart-Münster aus der Vogelperspektive
EnBW, Stuttgart-MünsterAm Standort des EnBW-Restmüllheizkraftwerks Stuttgart-Münster soll eine Großwärmepumpe die Abwärme aus dem Kühlwasserablauf des Standorts nutzen, um bis zu 24 MW Fernwärme zu erzeugen. Wie die Flusswärmepumpe der MVV ist auch dieses Projekt Teil des Reallabors Energiewende. Angetrieben wird die Großwärmepumpe von Grünstrom aus der Müllverbrennung. Durch die so erzeugte Fernwärme können pro Jahr rund 15.000 Tonnen CO₂ eingespart werden. Der Anteil der klimaneutralen Fernwärme in der Region Stuttgart steigt nach EnBW-Angaben dadurch um ca. 10 Prozent auf rund 25 Prozent. Die Großwärmepumpe wird in ein Bestandsgebäude des Kraftwerks installiert. Sie soll im ersten Quartal 2024 ans Netz gehen.
Einweihung der Flusswärmepumpe in Mannheim mit acht Menschen vor der Maschine
Siemens Energy, MannheimIm Oktober 2023 hat der Mannheimer Energieversorger MVV seine erste Flusswärmepumpe in Betrieb genommen. Sie erreicht eine thermische Leistung von 20 MW und ist in das Fernwärmennetz integriert. Die Wärme zieht sie aus dem Rhein. Mit einer Arbeitszahl von drei kann die Großwärmepumpe laut Siemens Energy aus 14 Grad warmem Flusswasser über einen mit Strom betriebenen Verdichter eine Fernewärme-Vorlauftemperatur von 93 Grad Celsius erzeugen. Produziert wurde die 18 Meter lange und fünf Meter hohe Industriewärmepume in Finspong, Schweden.
Großwärmepumpe Drammen, Norwegen
Star Refrigeration Neatpump, OsloRund 40 Kilometer südwestlich von Oslo ist die größte Wärmepumpe mit natürlichem Kältemittel (Ammoniak) in Betrieb. Sie versorgt die 60.000 Einwohner der Stadt Drammen mit Wärme. Wärmequelle ist Meerwasser aus 40 Metern Tiefe mit konstanten 8 bis 9 Grad Celsius. Die produzierte Vorlauftemperatur beträgt je nach Wärmebedarf zwischen 60 und 90 Grad Celsius. Als Technologie kommen Schraubenkompressoren von Emerson Electric zum Einsatz. Die Leistung beträgt 13,5 MW, die eingespeiste Energie beläuft sich auf rund 67 GWh. Damit zählt die Wärmpepumpe zwar als Großwärmepumpe, nicht aber als Hochtemperatur-Wärmepumpe.
Großwärmepumpe Berlin Qwark3 Siemens Energy mit Vattenfall
Vattenfall/Siemens Energy, BerlinAm Potsdamer Platz versorgt eine Groß- und Hochtemperaturwärmepumpe das Fernwärmenetz mit Wärme. Diese speist sich aus der Abwärme der Kälteanlage des Versorgers Vattenfall Wärme. Mit 8 MW thermischer Leistung erzeugt sie eine jährliche Wärmemenge bis zu 55 GWh mit Vorlauftemperaturen zwischen 85 und 120 Grad Celsius - je nach Bedarf. Sie ging Ende 2022 ans Netz.

Die größten Wärmepumpen sind zu finden bei Energieversorgern, die ihre Fernwärmenetze von "fossil" auf "erneuerbar" umrüsten. Vorreiter sind die skandinavischen Länder, allen voran Schweden und Dänemark. Eine solche zentrale Anlage muss zwar sehr hohe Vorlauftemperaturen erzeugen, ist aber durch die hohe Zahl der Abnehmer entsprechend effizient - effizienter als dezentrale Anlagen in einzelnen Häusern.

„Bei großen Wärmepumpen in Fernheiznetzen ist es eine große Herausforderung, den systembedingten Nachteil der höheren Heiztemperaturen durch höhere Wirkungsgrade der Einzelkomponenten zumindest teilweise zu kompensieren. Große Wärmepumpen bieten hier grundsätzlich mehr Potential zur Umsetzung aufwendigerer Optimierungen als kleine dezentrale Anlagen“, so Dr. Andrej Jentsch von der AGFW (Effizienzverband für Wärme, Kälte und KWK) und Projektleiter des Reallabors GWP . In den vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Reallaboren, wie dem Reallabor Großwärmepumpe (GWP) sind Großwärmepumpen in einer Größenordnung von bis zu 22 MW Wärmeleistung pro Projekt geplant.

Definitionen: Großwärmepumpe und Hochtemperatur-Wärmepumpe

Der Begriff Großwärmepumpe ist in der Branche nicht eindeutig definiert. Für Planer und Installateure im EFH-Bereich sind Leistungen von 50 bis 100kW bereits "groß". Bei gewerblichen Anwendungen können 200 kW als Großwärmepumpen gelten und in industriellen Anwendungen wird eher ab 1 MW von Großwärmepumpen gesprochen.

Bei der Definition einer Hochtemperatur-Wärmepumpe ist es ähnlich: Im Haus- und Wohnungsbau gelten Wärmepumpen, die bis 70 Grad Celsius erreichen als Hochtemperatur-Wärmepumpe. Im industriellen Bereich fängt die HT-Wärmepumpe ab einer Temperatur von 100 Grad Celsius an. Hersteller Ochsner verwendet beispielsweise den Begriff Höchsttemperatur-Wärmepumpe für Anlagen, die bis 130 Grad Celsius erreichen.

Auch größere Anlagen, mit einer Systemleistung durch mehrere Aggregate von bis zu 180 MW Wärmeleistung sind bereits in Skandinavien in Betrieb. In das Fernwärmesystem von Stockholm werden insgesamt schon 420 MW an Wärme aus Großwärmpumpen eingespeist. „Diese Anlagen können allerdings vorrangig als Inspiration und weniger als direkte Vorbilder angesehen werden, da der deutsche regulatorische Rahmen sich wesentlich vom skandinavischen unterscheidet und auch die Fernwärmenetze historisch bedingt anders aufgebaut sind“, erklärt Dr. Andrej Jentsch. Er ergänzt: „Grundsätzlich kann ein Blick nach Skandinavien jedoch helfen, vielversprechende Lösungen zu identifizieren und diese als Grundlage für Weiterentwicklung von Großwärmepumpen in Deutschland zugrunde zu legen“.

Energie-Blog: Aktuelle Informationen zur Strom- und Gasbeschaffung

Strommast von unten

In unserem Ticker finden Sie alle aktuellen News und Entwicklungen auf dem Energiemarkt, was die Industrie betrifft.

Energie-Blog: News, Hintergründe, Entwicklungen

3 Fakten über Großwärmepumpen

1. Wärmeanwendungen bis 200 Grad sind für über drei Viertel des deutschen Erdgasverbrauchs und über ein Viertel der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Aktuell dominieren fossile Energien die Wärmeversorgung in industriellen Prozessen, Gebäuden und Wärmenetzen. Für die Erreichung der Klimaziele und zur Senkung des Erdgasverbrauchs ist es daher entscheidend, die Versorgung auf klimaneutrale Lösungen auf Basis erneuerbarer Energien umzustellen.

2. Die gesamte deutsche Wärmenachfrage bis 200 Grad lässt sich technisch vollständig durch Wärmepumpen decken. Großwärmepumpen können hierbei erhebliche Potenziale in Geothermie, Gewässern und Abwärme heben. Bis 2045 können Großwärmepumpen 70 Prozent der Fernwärmeversorgung sicherstellen und somit einen Großteil des Erdgases ersetzen.

3. Großwärmepumpen sind eine bewährte Technologie, die in Deutschland über ein erhebliches Marktpotenzial verfügt. Allerdings waren 2023 erst 60 Megawatt Leistung installiert. Komplexe Planungs- und Genehmigungsverfahren bremsen noch den Markthochlauf. Zudem begünstigen das bestehende Fördersystem über das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) sowie die höhere Abgabenlast auf Strom gegenüber Erdgas bisher gasbasierte Wärmelösungen – diese Fehlanreize gilt es zu beheben.

Quelle: Agora Energiewende

Portrait Dörte Neitzel Redakteurin Technik+Einkauf

Die Autorin: Dörte Neitzel

Dörte Neitzel ist Wissens- und Infografik-Junkie vom Dienst. Dinge und Zusammenhänge zu erklären ist ihr Ding, daher beschreibt sie sich selbst auch gern als Erklärbärin mit Hang zur Wirtschaft – was einem lange zurückliegenden VWL-Studium geschuldet ist. Nach einigen Stationen im Fachjournalismus lebt sie dieses Faible bevorzugt auf der Webseite der TECHNIK+EINKAUF aus und taucht besonders gern ab in die Themen Rohstoffe und erneuerbare Energien.

Privat ist Südfrankreich für sie zur zweiten Heimat geworden, alternativ ist sie in der heimischen Werkstatt beim Schleifen, Ölen und Malern alter Möbel zu finden oder in südbayerischen Berg-und-See-Gefilden mit Hund im Gepäck unterwegs.

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Armaturen und Rohre einer Bioagasanlage
Biogas soll auch die Lücke für fehlendes russisches Erdgas schließen. Das scheint naheliegend, doch in der Realität sind einige Hürden zu überwinden.

Energiebeschaffung: Erdgas, LNG und Biogas

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Was bringen Auktionen von Restkontingenten von Erdgas? Ist das eine Möglichkeit, günstig an den begehrten Rohstoff zu kommen? Und wer sind die größten Gas-Lieferanten und -förderunternehmen?

Roboter montieren an einer Montagestraße Photovoltaikanlagen in einer Halle
Die Herstellung von Solarzellen soll auch hierzulande für die Unternehmen wieder finanziell attraktiv werden. Es gibt einige Gründe. die dafür sprechen.

Energiebeschaffung: PV-Anlagen für die Industrie

Strom einkaufen oder selbst erzeugen? Die Frage stellen sich immer mehr Industriebetriebe. Am einfachsten geht das mit einer Photovoltaikanlage auf dem Hallendach.

Was sind die Vorteile und Nachteile einer eigenen PV für produzierende Unternehmen? Welche Hersteller spielen in der Solarbranche eine führende Rolle? Und welche Unternehmen liefern die meisten Solarzellen? Können deutsche Unternehmen überhaupt wieder mithalten?

Außerdem: PV-Module werden immer leistungsfähiger. Welche Solarzellen spielen neben den "klassischen" Siliziumzellen noch eine Rolle? Ein Beispiel für noch eine völlig neue Art sind Perowskit-Solarzellen. Was macht sie aus?

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Energieeffizienz-Experten analysieren das gesamte Druckluftsystem in einem ganzheitlichen Ansatz vom Kompressor bis zur Anwendung und empfehlen Maßnahmen zur Reduzierung des Energieverbrauchs.

Energiebeschaffung: Mehr Effizienz durch Energiemanagement

Viele Unternehmen haben sich in Sachen Klimaschutz bereits auf den Weg gemacht. Wie sieht ein erfolgreiches Emissionsmanagement aus? Warum gehört ein solides Energiemonitoring dazu? Und welche Rolle spielen die vorgeschriebenen Energie-Audits? Gibt es Alternativen? Und wie ist der Einkauf in das Thema Energieeffizienz eingebunden?

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